Vortrag in WiehlAls die Hakenkreuzflagge am oberbergischen Kirchturm hingen

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Gummersbachs Pfarrer Herbert von Oettingen mit dem Bibelkreis im Jahr 1934.

Gummersbachs Pfarrer Herbert von Oettingen mit dem Bibelkreis im Jahr 1934.

Machte sich die evangelische Kirche in Oberberg zum Steigbügelhalter der Nationalsozialisten und trug entscheidend zu deren Aufstieg bei? Antworten auf diese Frage suchten Dieter Lange und Pfarrer Hans-Jörg Böcker am Montagabend im Burghaus Bielstein. Ihr Vortrag war Teil einer Reihe, die das LVR-Freilichtmuseum Lindlar und die Volkshochschule Oberberg zusammen auf die Beine gestellt haben und die sieben Vorträge umfasst – thematisch immer zur Herrschaft der Nazis, allerdings mit besonderem Bezug zu den sieben gastgebenden oberbergischen Städten oder Gemeinden der Vortragsreihe.

Nicht zufällig hatten Lange und Böcker Wiehl ausgewählt, um die Verknüpfung von evangelischer Kirche und Diktatur zu untersuchen. Im Mai 1933 fand hier die Kreissynode statt, auf der Superintendent Herbert von Oettingen Hitler als „Lebensretter für Volk und Kirche“ pries.

Evangelische Enklave im katholischen Rheinland

„Bereits Ende der 1920er-Jahre erzielte die NSDAP in den Kreisen Gummersbach und Waldbröl überdurchschnittliche Wahlergebnisse“, informierte Dieter Lange, bis zu seinem Ruhestand Redaktionsleiter dieser Zeitung und Wiehler Chronist. Vor allem die dortigen evangelischen Kirchengemeinden hatten damals viel Wählerpotenzial zu bieten. In Waldbröl waren knapp zwei Drittel aller Einwohner Protestanten, in Gummersbach gar drei Viertel.

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Recherchierten die Verknüpfung von Kirche und Diktatur im Oberbergischen: Dieter Lange (r.) und Hans-Jörg Böcker.

Recherchierten die Verknüpfung von Kirche und Diktatur im Oberbergischen: Dieter Lange (r.) und Hans-Jörg Böcker.

Mit der Demokratie der Weimarer Republik habe die evangelische Kirche jedenfalls reichsweit nicht viel anfangen können. „Für sie brach die Welt zusammen, als 1918 der Kaiser abdankte – damit hatten sie ihren obersten Bischof verloren“, berichtete Böcker, früher Schulreferent des evangelischen Kirchenkreises.

Sympathie für den Nationalsozialismus

Weimar habe aus evangelischer Sicht „die Koalition der gottlosen Sozialdemokratie mit der Zentrumspartei der Katholiken“ bedeutet – deshalb begrüßten die Pfarrer, vor allem die in Oberberg, die Vorstellung der Nationalsozialisten mit einem starken Mann an der Spitze zunächst auch. In Dieringhausen etwa ließ Pfarrer Carl Müller Böckers Recherchen zufolge schon vor der Machtübernahme die Hakenkreuzflagge am Kirchturm hissen – in der Überzeugung, Hitler werde die Kirche gegen atheistische Marxisten und Sozialisten verteidigen.

Breiten Raum widmeten Lange und Böcker dem spürbaren Meinungsumschwung ab spätestens 1935. Sämtliche Jugendorganisationen der Kirche waren inzwischen aufgelöst und die Jungen in die Hitlerjugend überstellt worden.

In den Schulen wurde die Behauptung vom „arischen Jesus“ auf den Lehrplan gesetzt. Den Pfarrern Johannes Fach (Marienhagen) und Karl Stegemann (Wiehl) wurde strikt untersagt, sich politisch zu äußern. In Marienhagen erhielt Pfarrer Dr. Fritz Wieter gar ein Betretungsverbot und sein Pfarrhaus wurde von Braunhemden verwüstet – obendrein wurde der Polizei befohlen, die wöchentliche Kollekte zugunsten von Nazi-Organisationen sicherzustellen. „Viele oberbergische Pfarrer fühlten sich nun missbraucht“, stellte Lange fest.

Widerspruch habe es sehr wohl gegeben, als echte Widerstandsgruppe könne man die evangelische Kirche Oberberg rückblickend aber wohl kaum bezeichnen, fasste Böcker zusammen, der – selbst in der DDR aufgewachsen – allerdings auch betonte: „Jedes falsche Wort konnte schnell über Wohl und Wehe der ganzen Familie entscheiden.“

Der Vortrag „Verfolgung und Vernichtung“ beginnt am Mittwoch, 26. Oktober, 18 Uhr, im Treffpunkt Morsbach an der Bahnhofstraße.

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