Der Vorsitzende Richter machte klar, dass er keiner der acht Aussagen Glauben schenkte. Er kritisierte auch das Amtsgericht Gummersbach.
Widersprüchliche AussagenBewährungsstrafe für Messerstich in den Rücken in Wiehl

Ein 25-jährige Wiehler musste sich am Freitag vor der 21. Großen Strafkammer am Landgericht Köln verantworten.
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Ein dunkler Februarabend vor zweieinhalb Jahren in Wiehl: Zwei vierköpfige Gruppen junger Männer stehen sich auf der Straße gegenüber. Ein 25-Jähriger sticht einem 21-Jährigen mit seinem Messer in den Rücken. So viel ließ sich vor Gericht zweifelsfrei klären. Aber die Hintergründe, der genaue Tatablauf und das Tatmotiv – all das blieb im Dunklen.
Wer hatte mit wem Stress, und warum? Das haben uns alle Beteiligten verschwiegen, als einheitliche Mauer von Personen, die nicht bereit sind, dem Gericht die Wahrheit zu erzählen.
Gab es vor der Attacke Gepöbel? Gab es Tumult? „Wer hatte mit wem Stress, und warum? Das haben uns alle Beteiligten verschwiegen, als einheitliche Mauer von Personen, die nicht bereit sind, dem Gericht die Wahrheit zu erzählen“, fasste Vorsitzender Richter Alexander Fühlung am Freitag vor dem Landgericht in Köln zusammen. Ausdrücklich schloss er auch die Aussagen des Tatopfers in diesen Vorwurf mit ein. Tatsächlich lieferten alle acht Aussagen in erster Linie eines: Widersprüche.
Kurz zuvor hatte die 21. Große Strafkammer unter Fühlings Vorsitz den Täter wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt: zwei Jahre Haft, ausgesetzt für drei Jahre zur Bewährung. Das Gericht blieb damit hinter der Forderung der Staatsanwaltschaft zurück, die eine Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten gefordert hatte. Der Anwalt des Opfers, der als Nebenkläger auftrat, hatte eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung gefordert.
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Angeklagter war nicht vorbestraft
Der Verurteilte trägt die Kosten des Verfahrens, er erkannte auch die Forderung über 5000 Euro Schmerzensgeld des Opfers an, blätterte im Gerichtssaal eine erste Tranche in Höhe von 1000 Euro in bar vor den Augen der Justiz auf den Tisch.
Zugunsten des nicht vorbestraften Angeklagten wertete das Gericht dessen – wenn auch spätes – Geständnis, dass er sich glaubwürdig entschuldigt habe und die Forderung des Schmerzensgeldes in voller Höhe anerkannte. Das Gericht stellte dem 25-Jährigen auch eine positive Sozialprognose aus: Der aus Afghanistan stammende Mann hat seit 2016 fast akzentfreies Deutsch gelernt, seinen Hauptschulabschluss nachgeholt, er arbeitet seit einem Jahr fest in einem großen oberbergischen Unternehmen und hat eine deutsche Freundin. Zudem habe er Glück gehabt, dass die Folgen der Messerattacke für das Opfer überschaubar geblieben seien.
Zu Ungunsten des 25-Jährigen führte der Vorsitzende die erhebliche Verletzung durch den Messerstich in den Rücken an – diese Tat könne man nicht kleinreden – und dass das Tatopfer eine Woche im Krankenhaus habe verbringen müssen.
Fühling fand kritische Worte für das Vorgehen seiner Kollegen am Gummersbacher Amtsgericht, wo das Verfahren ursprünglich stattfinden sollte und wo es nach Auffassung Fühlings auch hingehört hätte. Wegen eines Hinweises, die Messerattacke hätte auch ein versuchtes Tötungsdelikt sein können, hatte das Amtsgericht Gummersbach die Sache ans Landgericht abgegeben.
Kein versuchtes Tötungsdelikt
Der Vorsitzende Richter Alexander Fühling betonte, dass schon die Staatsanwaltschaft in der ersten Anklageschrift nicht von einem versuchten Tötungsdelikt ausgegangen war und dass er nur in einer der acht unglaubwürdigen Aussagen einen Hinweis finde, der eine mögliche versuchte Tötungsabsicht andeute.