Geldgeber springen abOberbergischer Verein Lebensfarben steht vor schwierigen Zeiten

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Zu sehen sind zwei Frauen und ein Mann auf einer Straße, der Vorstand des Vereins Lebensfarben.

Wohin führt das Jahr 2023 die Lebensfarben? Hier der Vorstand des Vereins: Michaela Döhl-Becker, Sandra Karsten und Hubertus Vierschilling (von links).

Zum Jahreswechsel ist der Landschaftsverband Rheinland aus der Finanzierung des Wiehler Vereins Lebensfarben ausgestiegen. Wie geht es nun weiter?

Den Jahreswechsel hat Sandra Karsten mit gemischten Gefühlen erlebt. Auf der einen Seite steht die Enttäuschung über die oberbergische Politik, aber auf der anderen ein unbedingter Kampfwille, betont die Vorsitzende des Vereins Lebensfarben. Den dürfte es nun auch brauchen. Denn zum neuen Jahr hat der Landschaftsverband Rheinland (LVR) seine finanzielle Unterstützung für die Wiehler Initiative eingestellt – für die Lebensfarben ist das ein herber Rückschlag.

Zur Erinnerung: 2017 wurde der Verein gegründet, um sich um Kinder psychisch oder suchtkranker Eltern zu kümmern. Anfangs operierte die Initiative im oberbergischen Süden. Spätestens mit dem LVR-Geld für 2021 und 2022 wurde es aber möglich, den Aktionsradius auszudehnen – über die Kreismitte bis in den Norden nach Radevormwald. Dass der LVR Ende 2022 aussteigen würde, war klar. Es entspreche nicht seiner Förderpraxis, „aus Umlagemitteln einzelne Projekte in einzelnen Kreisen dauerhaft zu finanzieren“, teilte der Verband der Kreisverwaltung schon im letzten Jahr mit.

Oberbergischer Kreis prüfte mehrere Alternativen

Im Mai 2022 beauftragten deshalb der oberbergische Jugendhilfeausschuss und kurz darauf der Kreistag die Verwaltung einstimmig, Alternativen für die Finanzierung zu suchen. Doch das Kreishaus blitzte ein ums andere Mal ab. Zwar betonen die Koalitionsverträge auf Bundes- und Landesebene, wie wichtig es sei, sich um solche Kinder zu kümmern – die Finanzierung solcher Angebote ist bislang aber weder in Berlin noch in Düsseldorf in konkrete Gesetzesform gegossen worden.

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Existierende Landesprogramme sahen bloß eine Anschubfinanzierung und der LVR war ja ohnehin außen vor. Nicht zuletzt lehnten es die oberbergischen Kommunen, die Stadt Wiehl einmal ausgenommen, ab, zugunsten des Vereins in ihre Haushaltskassen zu greifen. Lukas Miebach (CDU), Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, ist rückblickend überzeugt, dass sich der Kreis alle Mühe gegeben hat. „Es ist viel Arbeit investiert worden, aber mögliche Geldgeber sprangen nach und nach ab.“

Kinder psychisch oder suchtkranker Eltern brauchen eine ganz niedrige Hemmschwelle, wenn sie Hilfe suchen.
Sandra Karsten, Vorsitzende des Vereins Lebensfarben

Zwischenzeitlich gab es die Idee, der Kreis könne einen Vertrag mit den Lebensfarben schließen. Dieses Ansinnen, so beurteilte es das Kreishaus, müsste aber europaweit ausgeschrieben werden – mit dem Risiko, dass eben nicht die Wiehler das Verfahren für sich entscheiden, sondern ein völlig anderer Anbieter solcher Präventionsmaßnahmen zum Zuge kommt.

Zu guter Letzt bot der Kreis an, den Verein und sein hauptamtliches Personal unter das Dach des Gesundheitsamtes zu holen. Diese Lösung lehnte wiederum der Lebensfarben-Vorstand ab. Dazu steht Sandra Karsten nach wie vor. „Kinder psychisch oder suchtkranker Eltern brauchen eine ganz niedrige Hemmschwelle, wenn sie Hilfe suchen.“ Und die biete eine Einbindung in eine offizielle Behörde gerade nicht.

Vor Weihnachten kam es deshalb im oberbergischen Kreistag zum Showdown in Sachen Finanzierung der Lebensfarben. Dort hatte die SPD Zuschüsse an den Verein in Höhe von jeweils 340.000 Euro für die Jahre 2023 und 2024 beantragt – grob diese Summen hatte der Verein als Bedarf ausgerechnet. Gleich zu Beginn der Debatte fuhr der Wiehler SPD-Mann Christoph Hastenrath verbal schweres Geschütz auf.

Das Argument der erforderlichen Ausschreibung nannte er eine „Nebelkerze der Kreisverwaltung“. „Sie wollen keine Lösung und lassen diese Kinder im Regen stehen“, giftete Hastenrath in Richtung von Landrat Jochen Hagt, der diesen Vorwurf als „unverschämt“ zurückwies.

SPD Oberberg warb für Zuschüsse 

Auch Ralph Krolewski (Grüne) warb für den Zuschuss aus der Kreiskasse. Unter dem Strich sei Prävention immer billiger als anschließende Behandlung. „Und glauben Sie mir, bei den suchtkranken Eltern handelt es sich in erster Linie um Alkoholiker und nicht etwa um Heroinabhängige“, so Krolewski.

Allerdings waren sich auch die Grünen bei dieser Sichtweise nicht einig. Im Gespräch mit unserer Zeitung findet Bernadette Reinery-Hausmann, Sprecherin der Kreis-Grünen, es wäre sicher ein guter Kompromiss gewesen, wenn der Verein unter das Dach der Kreisverwaltung gezogen wäre.

Die Mehrheit von CDU, FDP und UWG lehnte den Antrag letztlich ab. „Bei allem Respekt vor den Leistungen des Vereins: Die rechtliche Grundlage für die Finanzierung durch den Kreis fehlt“, stellte CDU-Fraktionschef Michael Stefer klar. Falls man die Zuschüsse gewähre, könnten auch andere Vereine hellhörig werden. „Weil sich Land und LVR einen schlanken Fuß machen, wird die Sache nicht automatisch eine Aufgabe für den Kreis“, begründete Ina Albowitz-Freytag (FDP) das Nein ihrer Fraktion.

Verein plant vorerst weiter mit Standorten in ganz Oberberg 

Wie geht es 2023 nun weiter mit der Initiative? Lässt sie das kreisweite Netz fallen und zieht sich auf ihr angestammtes Gebiet im Südkreis zurück? So schnell wollen Sandra Karsten und ihr Team nicht aufgeben. „Die Angebote an den Standorten Wiehl, Lichtenberg, Gummersbach, Wipperfürth und Radevormwald werden sehr gut angenommen“, teilt der Verein mit. Mit der Stadt Wiehl ist zudem ein Vertrag in Arbeit. Zurzeit unterstütze man kreisweit 56 Kinder und Jugendliche, 52 weitere stünden auf der Warteliste.

„Aktuell sind 86 Ehrenamtliche aktiv, erst Anfang Januar starteten elf weitere Patenschaften“, berichtet Karsten. Diese Arbeit wolle man unbedingt fortsetzen, „auch wenn die angestrebte finanzielle Absicherung der Vereinsarbeit durch die öffentliche Hand nun gescheitert ist“, wie es in der Mitteilung des Vereins Lebensfarben heißt. Auf Spenden, Sponsorengelder und Stiftungsmittel seien die Lebensfarben weiter angewiesen. Nun vielleicht dringender denn je.

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