Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

VeranstaltungstechnikWipperfürther Patric Bauer beschreibt Situation der Branche

Lesezeit 4 Minuten

Bühnen, Fahrzeuge und Technik müssen regelmäßig gewartet werden und zur technischen Abnahme.

Wipperfürth – Vor einigen Tagen hat der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft noch einmal nachgelegt: In einem offenen Brief erinnerte der BDVK die Bundesregierung an ihr Versprechen, bis zum Ende des Sommers jedermann ein Impfangebot gemacht zu haben. Ab dem 21. September, so der Verband, müssten Veranstaltungen also wieder ohne Einschränkungen möglich sein.

Der Wipperfürther Patric Bauer hat vor Corona bundesweit Großevents auf die Beine gestellt und kennt dieses Schreiben – er warnt die eigene Branche aber vor zu optimistischen Erwartungen. „Ich rechne nach dem Ende aller Beschränkungen mit einem weiteren Jahr, bis man mit Veranstaltungen wieder Geld verdienen kann“, fürchtet Bauer. Feiern jeder Größe benötigten Vorbereitungszeit. „Die Arbeit der Agenturen muss anlaufen, es braucht Genehmigungen, Sponsoren und Konzepte – das ist nicht mal eben erledigt“, so der Wipperfürther.

Mit den aktuellen Hilfspaketen zufrieden

Sein eigener Betrieb in Dörpinghausen ist weiterhin in der Kurzarbeit, zuletzt gab es auch Entlassungen. Arbeit ist trotzdem reichlich vorhanden. „Unsere Bühnen und Fahrgeschäfte benötigen die technischen Checks und Abnahmen, dazu kommen 54 Lastwagen, die halbjährlich zur Überprüfung müssen“, erklärt Patric Bauer. „Unter dem Strich arbeite ich unter Volllast, aber ohne Einnahmen.“

Hilfspakete des Staates seien „zufriedenstellend“

Als „zufriedenstellend“ bewertet der Unternehmer die aktuellen finanziellen Hilfspakete des Staates, allen voran das „Überbrückungshilfe III“. Anfangs seien die Zahlungsmodalitäten katastrophal gewesen – nicht zuletzt nach einer großen Demonstration der Veranstaltungsbranche vor dem Brandenburger Tor habe sich aber einiges verbessert. „Wir werden durch Corona finanziell keinen Schiffbruch erleiden“, ist Patric Bauer optimistisch.

Anders sehe die Situation bei den vielen Solo-Selbstständigen der Sparte aus. Denn: „Man erhält Kosten erstattet. Wer aber sein Büro am Küchentisch hatte oder mit dem Fahrrad zum Job als Bühnentechniker gefahren ist, der hat keine Kosten, die er ansetzen kann“, erklärt Bauer. Entsprechend mies sei die Stimmung insgesamt, trotz der Hilfspakete.

Kritik der Veranstaltungsbranche

Theater und Museen sind geschlossen, die Kinos sind dicht. Veranstaltungsorte wie die Alte Drahtzieherei in Wipperfürth und die Verleiher von Bühnentechnik leiden wirtschaftlich stark unter den Einschränkungen wegen Corona. Tatsächlich sei das Ansteckungsrisiko bei einem Theaterbesuch niedriger als im Supermarkt, haben Modellversuche der TU Berlin, der Berliner Charité sowie des Robert Koch-Instituts gezeigt. Auf diese Ergebnisse beruft sich der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) und fordert, Veranstaltungen zumindest für Geimpfte oder Getestete zuzulassen.

Neben einer möglichen Lockerung fordert der BDKV aber auch besser auf die Eigenheiten der Branche abgestimmte Hilfen. „Bei einigen Hilfen merkt man, dass die Ministerien die Abläufe unserer Branche immer noch nicht verstanden haben“, sagte dazu BDKV-Präsident Jens Michow den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Vorlaufkosten könnten zum Beispiel nur erstattet werden, wenn Veranstaltungen ab März 2020 beantragt wurden. Veranstaltungen würden aber in der Regel zwei Jahre im Voraus geplant. Daher könne man die Vorlaufkosten, die ab März 2020 entstanden sind, an „einer Hand abzählen.“ (lb/dpa)

Das größte Problem für Unternehmer sieht Bauer derzeit darin, überhaupt einen formell gültigen Antrag auf Hilfszahlungen abzugeben. Ihm seien diverse Gastronomen und Veranstalter – auch und gerade aus Wipperfürth – bekannt, die mangels Unterstützung durch einen Steuerberater ihre Anträge nicht absenden könnten. Denn die Mitwirkung eines solchen Beraters hat der Gesetzgeber gerade zur Voraussetzung für die Auszahlung der „Überbrückungshilfe III“ gemacht.

Dass die Antragsbearbeitung eine lästige Angelegenheit für die Kanzleien ist, bestätigen zwei Steuerberater aus der Region, die ihre Namen allerdings nicht in der Zeitung lesen wollen. „Allein für das Überbrückungsgeld III hat das Wirtschaftsministerium das Antragsformular inzwischen dreimal komplett geändert“, beschreibt einer von ihnen. Es fehle an Vorgaben, welche Kosten angesetzt werden können. Vernünftigerweise müsse man den Mandanten raten abzuwarten, bis ein endgültiges Formular existiere. „Aber diese Zeit haben die Menschen nicht, sie brauchen Geld, um sich etwas zu essen kaufen zu können.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Wer vor Corona nicht zur Mandantschaft gehörte, habe momentan tatsächlich schlechte Karten, einen Experten für seinen Hilfsantrag zu finden, bestätigt der zweite Steuerberater. „Durch die Pandemie hängen wir mit unserer Arbeit ohnehin ein halbes Jahr hinterher – wir würden eine solche Anfrage sicher ablehnen, weil die Bearbeitung enorm zeitraubend ist.“

Für eine Prognose und einen Stimmungstest für die Zeit nach Corona blickt Patric Bauer nach Köln und München. „Solange der Rosenmontagszug und das Oktoberfest nicht geplant sind, tatsächlich stattfinden und vor allem auch von den Menschen angenommen werden, hat unsere Branche die Pandemie noch nicht überwunden“, ist er überzeugt.