Serie: Zanders im WandelMit der Industrialisierung wächst die Papierfabrik

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Die Kaffeeküche war eine der sozialen Verbesserungen, die Maria Zanders für die Belegschaft einführte, die zu großen Teilen aus Frauen und jungen Mädchen bestand.

Die Kaffeeküche war eine der sozialen Verbesserungen, die Maria Zanders für die Belegschaft einführte, die zu großen Teilen aus Frauen und jungen Mädchen bestand.

  • Viele Jahrzehnte war das Papierunternehmen einer der bedeutendsten Arbeitgeber in Bergisch Gladbach.
  • Jetzt steht die insolvente Firma vor einer ungewissen Zukunft.
  • In unserer vierteiligen Serie blicken wir zurück auf ihre 190-jährige Geschichte.
  • Mit der Industrialisierung wuchs die Fabrik. 1904 ist jeder Zehnte in Bergisch Gladbach bei Zanders beschäftigt.

Bergisch Gladbach – Muskel- kontra Dampfkraft – ein ungleicher Wettstreit, den die Technik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in rasanter Geschwindigkeit für sich entschied. Auch in der Schnabelsmühle krempelt die Industrielle Revolution die althergebrachten Prozesse der Papierherstellung um, wenn auch 1860 noch in acht Bütten Papier von Hand geschöpft wird. 

Papierschöpfer bei der Arbeit: Lange waren handgeschöpfte Bögen die Spezialität von Zanders, auch nach Einführung der Maschinen.

Papierschöpfer bei der Arbeit: Lange waren handgeschöpfte Bögen die Spezialität von Zanders, auch nach Einführung der Maschinen.

Das Unternehmen expandiert: 1868 kauft Carl Richard Zanders die benachbarte Gohrsmühle mit 25 Morgen Land hinzu, nachdem er sich im Ort umfangreiche Wasserrechte für die wasserintensive Papierproduktion gesichert hat.

Carl Richard Zanders stirbt mit 44 Jahren

Die Belange von Firma und Heimatstadt, die inzwischen auf 8000 Einwohner angewachsen ist, vertritt er auch in politischen Gremien. Er wird Mitglied des Stadtrates und gehört 1866 auch dem preußischen Abgeordnetenhaus an. Zanders setzt sich für die Verbesserung der Infrastruktur von Bergisch Gladbach ein. 1868 wird die wichtige Eisenbahnverbindung nach Mülheim am Rhein fertiggestellt und damit die Schienenanbindung nach Köln verwirklicht.

Gärten statt Mietskasernen: Die Gronauer Waldsiedlung ist ein beispielhaftes soziales Wohnprojekt der Unternehmerfamilie.

Gärten statt Mietskasernen: Die Gronauer Waldsiedlung ist ein beispielhaftes soziales Wohnprojekt der Unternehmerfamilie.

Er kämpft für bessere örtliche Schulen und opfert den Gemüsegarten seiner Villa, um den Bau eines Marktplatzes zu ermöglichen. Die Geschäftsbeziehungen erhalten internationalen Charakter, 1867 besucht Carl Richard Zanders die Weltausstellung in Paris. Doch schon 1870 stirbt der Firmenchef mit 44 Jahren, nur ein Jahr nach seiner Mutter – und die Geschichte wiederholt sich: Wieder muss eine junge Frau den Betrieb übernehmen und für die noch unmündigen Kinder retten.

Maria Zanders übernimmt Firmenleitung selbst

Wie ihre Schwiegermutter Julie widersetzt sich auch Maria Zanders, geborene Johanny, Tuchmacherstochter aus Hückeswagen, einer Wiederheirat und nimmt die Zügel der Firmenleitung lieber selbst in die Hand. Kein leichter Entschluss: „Familie und Freunde trugen ihre Entscheidung nicht immer mit“, so Magdalene Christ, Geschäftsführerin der Stiftung Zanders. Erfolgreich ist Maria Zanders trotzdem.

Expansionskurs: Auch das Fabrikgelände Neue Dombach wird hinzugekauft.

Expansionskurs: Auch das Fabrikgelände Neue Dombach wird hinzugekauft.

1873 baut sie die Villa Zanders mitten in der Stadt. In dieser Zeit sind bei Zanders 735 Arbeiter und Angestellte beschäftigt, drei Jahre später kommt auch die Dombach zum Firmenkomplex hinzu, man produziert 1550 Tonnen Papier. Die Weltausstellung in Wien beschert der Firma die „Medaille für Fortschritt“. Agenturen in Ägypten, Südamerika, Spanien und den USA entstehen, so Heinz Koch in „Zanders. Geschichte eines Unternehmens“.

Kulturelles und Soziales Engagement

1881 soll die Erweiterung der Strohzellstoff-Fabrik die Rohstoffnot lindern, mit der fast alle Papiermacher in Deutschland kämpfen. Bis zum Eintritt ihrer beiden Söhne Richard und Hans 1886 ins Geschäft, sichert und vergrößert sie das Unternehmen, erweitert die Absatzstrukturen und intensiviert den Kontakt zu den Kunden.

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Doch darüber hinaus steht die Firmenchefin für kulturelles und soziales Engagement. Sie gründet 1894 den Altenberger Dom-Verein zum Wiederaufbau des Bergischen Doms, ebenso den aus Arbeiterinnen gebildeten Cäcilienchor, eine Nähschule und eine Suppen- und Kaffeeküche in der Fabrik, führt für die Arbeiter eine Kranken- und Sozialversicherung ein.

Wirtschaftlicher Aufschwung unter Richard und Hans Zanders

Der wirtschaftliche Aufschwung gewinnt gegen Ende des 19. Jahrhunderts unter Richard und Hans Zanders an Fahrt: Das Gelände an der Gohrsmühle wird als Industriestandort ausgebaut, mehrere Papiermaschinen werden angeschafft und 1895 das erste maschinell produzierte Kunstdruckpapier im Rheinland auf den Markt gebracht.

Richard Zanders mit seiner Braut Maria Johanny aus Hückeswagen.

Richard Zanders mit seiner Braut Maria Johanny aus Hückeswagen.

Gleichzeitig entsteht auf Betreiben von Richard Zanders und seiner Ehefrau Anna von Siemens die Gartenstadt „Gronauer Waldsiedlung“ mit Wohnhäusern für Beschäftigte in sozialer Mischung vom leitenden Angestellten bis zum einfachen Arbeiter.

1904, die Firma feiert 75-jähriges Bestehen, arbeiten hier mehr als 1100 Arbeiter. Fast jeder zehnte Einwohner der Stadt ist bei Zanders beschäftigt. Mit einer Jahresproduktion von 9000 Tonnen Papier ist das Unternehmen in die erste Liga der Papierhersteller aufgestiegen.

Folge 3: Von Lumpen und Kriegen (1914-1945)

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