ProzessGladbacher Dachdecker droht seinem Chef, dessen Haus abzubrennen – keine Strafe

Lesezeit 3 Minuten
Dachdecker montieren Photovoltaikmodule auf dem Dach eines Wohnhauses.

Auf dem Bau herrscht zwar ein rauerer Ton als im Seniorenheim, doch ein 24-jähriger Dachdecker ging zu weit, drohte massiv und stand deshalb in Bensberg vor Gericht.

Bei dem Versuch, 8000 Euro Lohn ausgezahlt zu bekommen, hat ein Gladbacher Dachdecker völlig daneben gelangt. Jetzt stand er vor Gericht. 

1982 hat der damalige hessische Ministerpräsident (und vormalige Betonfacharbeiter) Holger Börner (SPD) Stellung zu den Auseinandersetzungen um den Bau der Startbahn West am Frankfurter Flughafen bezogen. Angesprochen auf gewalttätige Störer sagte er: „Ich bedauere, dass es mir mein hohes Staatsamt verbietet, den Kerlen selbst eins in die Fresse zu hauen. Früher auf dem Bau hat man solche Dinge mit Dachlatten erledigt.“

Das Zitat, das damals für Empörung sorgte, belegt, dass der Ton auf dem Bau traditionell ein wenig rauer ist als in den Büros, Gerichtssälen oder Seniorenheimen. Gleichwohl gibt es auch hier Grenzen, wie der 24-jährige Dachdecker Bruno G. (Namen geändert) aus Bergisch Gladbach erfahren musste. Die Staatsanwaltschaft brachte ihn wegen versuchter räuberischer Erpressung vor das Bensberger Schöffengericht.

Gladbacher drohte Chef mit Entführung von dessen Kindern an

Denn Bruno G. hatte seinem Ex-Chef via Whatsapp gedroht, er werde ihm die Bude abbrennen und nacheinander seine drei Kinder holen, wenn er nicht seinen ausstehenden Lohn, rund 8.000 Euro, bekomme. Garniert war das Ganze noch mit einem Hinweis auf „meine Leute“.  

Die Folgen der Droh-Attacke waren gravierend, weniger für den Dachdeckermeister, der den Lohn trotz eines rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Urteils bis heute nicht gezahlt hat, als für dessen inzwischen getrennt lebende Ehefrau, die völlig geschockt war und zeitweise mit ihren Kindern unter Polizeischutz stand.

Arbeitsgericht gibt Handwerker recht

Seine Lohnansprüche hat er mittlerweile gerichtlich durchgesetzt – auch wenn weiterhin offen ist, ob der Chef nun zahlt, denn im Strafprozess war davon die Rede, dass der Dachdeckermeister als Einzelkaufmann in die Insolvenz gegangen sei und nun als Angestellter arbeite.

Im Gericht waren sich die Beteiligten schnell einig, dass der Vorwurf der „versuchten räuberischen Erpressung“ nicht zutraf: Hier war kein Räuber am Werk gewesen, sondern ein Handwerkergeselle, der seine berechtigten Ansprüche mit den falschen, höchst kriminellen Mitteln durchzusetzen versucht hatte. Es blieben aber versuchte Nötigung und Bedrohung.

Verteidiger und Nebenkläger verhandeln miteinander

An dieser Stelle nahm der Strafprozess allerdings eine ungewöhnliche Wendung: Verteidiger Biegel und der Nebenklage-Vertreter, der Kölner Strafverteidiger Klaus Braatz, eigentlich die geborenen Prozess-Gegner, begannen quer über den Raum über einen möglichen „Täter-Opfer-Ausgleich“ zu reden.

Wie viel Geld müsse der einschlägig vorbestrafte Bruno G. wohl an die Opfer, insbesondere an die Ehefrau, zahlen, damit das Verfahren gegen ihn „wegen geringer Schuld“ eingestellt werden könne? Braatz und Biegel tauschten ihre Argumente aus, auch die Vorsitzende Richterin Birgit Brandes erklärte, dass sie persönlich sich so eine Lösung vorstellen könne, wohingegen einer der beiden Schöffen erkennbar Bauchschmerzen hatte.

Wir brauchen ihn als Handwerker aber draußen und nicht im Gefängnis.
Nebenklage-Vertreter Klaus Braatz

Mindestens genauso große Bauchschmerzen hatte der Staatsanwalt: Das hier sei doch kein Zivilverfahren, sondern ein Strafprozess, und da gehe es vor allem um die Schuld des Täters und nicht um Geld. Dagegen Nebenklagevertreter Braatz: „Wenn er jetzt zu einer Geldstrafe verurteilt wird und die nicht zahlen kann, wird eine Ersatzfreiheitsstrafe fällig. Wir brauchen ihn als Handwerker aber draußen!“

Am Ende legten die beiden Anwälte noch ein Schippchen darauf: Der Angeklagte muss nun nicht nur 1.500 Euro an die Ehefrau überweisen, sondern außerdem dem Ex-Chef 1.500 Euro von dessen gerichtlich bestätigten Arbeitslohn-Schulden erlassen.

Unter „Zurückstellung größter Bedenken“ machte da auch der Staatsanwalt, nach eigenen Worten „zähneknirschend“, den Weg für eine Einstellung des Verfahrens frei. Die Einstellung verkündete das Gericht dann auch. Richterin Brandes, kurz vor dem Ruhestand, verband das aber mit dem Hinweis an den Angeklagten: „Ich bin noch ein halbes Jahr hier. Wenn das mit dem Bezahlen nicht klappt und wir uns deshalb noch einmal wiedersehen, werde ich wirklich böse!“

KStA abonnieren