Stadtrat Bergisch GladbachDiese großen Veränderungen wurden angekündigt

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Die Stadt Bergisch Gladbach hat sich viel vorgenommen, in puncto Verkehr, Bildung und Stadtplanung.

Die Stadt Bergisch Gladbach hat sich viel vorgenommen, in puncto Verkehr, Bildung und Stadtplanung.

Bergisch Gladbach – Politische Zeitenwende in Bergisch Gladbach: Die Kommunalwahl hat dem Bündnis von Grüne, SPD und FDP eine Ratsmehrheit beschert. Und dazu noch hat sich Frank Stein als Kandidat des Bündnisses als Bürgermeister durchgesetzt. Der Mann ist Sozialdemokrat. In fast jedem Bereich wurden große Veränderungen für 2021 angekündigt.

Abwasserkonzept

Die Entscheidung im März duldet keinen Aufschub. Der Finanzausschuss muss in seiner Sitzung das Abwasserbeseitigungskonzept – kurz ABK – beschließen, sonst könnte die Stadt ernsthafte Probleme bekommen: Denn ohne gültiges ABK können keine neuen Baugenehmigungen ausgesprochen werden. Projekte, für die Fördermittel fließen, müssten auf Eis gelegt werden. Die Ampelkooperation hatte im Dezember überraschend die Zustimmung zum ABK verweigert und eine Vertagung der Entscheidung erwirkt. Der Widerstand begründet sich vor allem in der Kostenexplosion von zusätzlich 59 Millionen Euro.

Insgesamt erreicht der finanzielle Aufwand für Instandhaltung und Ausbau der Abwasseranlagen die gigantische Summe von 228 Millionen Euro in den nächsten zwölf Jahren. In Zeiten des Klimanotstands fordert das Bündnis aus Grüne, SPD und FDP die Verwaltung zudem auf, das Prinzip der Nutzung von Regenwasser in das Konzept einzuarbeiten sowie Einsparpotenziale auszuloten, um die Bürger möglichst nicht mit Gebührenerhöhungen zu belasten. Die spannende Frage wird sein, ob es der Stadtverwaltung gelingt, Einsparpotenzial zu finden, beziehungsweise die hohen Kosten transparent zu erklären.

Zanders-Gelände

Städtebaulich ist die Frage, was aus dem von der Stadt gekauften 37 Hektar großen Zanders-Gelände wird, die wichtigste. Aber es gibt so viele Fragezeichen. Im neuen Jahr gehen die Verhandlungen um einen Pachtvertrag zwischen der Stadt und der Papierfabrik weiter. Sollte die Fabrik mittel- und langfristig weiter produzieren, müsste um ein Industriegebiet herum geplant werden (Teilkonversion). Würde die Produktion eingestellt, stünde das gesamte Areal zur Verfügung – es müsste keine Rücksicht auf einen Industriestandort genommen werden (Vollkonversion).

Eine der wichtigsten Fragen ist, wie es mit der Papierfabrik Zanders weitergeht.

Eine der wichtigsten Fragen ist, wie es mit der Papierfabrik Zanders weitergeht.

Die Stadt hat sich dazu verpflichtet, an erster Stelle den Erhalt des Produktionsstandortes mit seinen rund 400 Mitarbeitern zu unterstützen. Auf der anderen Seite locken die Fördergelder der Regionale. Für die Stadt allein, wäre die Vollkonversion nicht zu stemmen.

Mobilität/Verkehr

2021 könnte zum Jahr der Verkehrswende werden. Die Mehrheit aus Grünen, SPD und FDP hat mit Bürgermeister Frank Stein (SPD) das Ziel, Radler, Fußgänger und ÖPNV zu stärken. In seiner Haushaltsrede wies Stein auf die Paffrather-/Kempener Straße hin: Die Achse aus der Stadtmitte nach Paffrath/Schildgen wird 2021 saniert und umgebaut, mit Blick auf einen Radweg. Pläne für die Altenberger-Dom-Straße in Schildgen werden 2021 beauftragt. Im Frühjahr sind Ergebnisse zur Laurentiusstraße als Fahrradstraße zu erwarten.

Beschlossen ist ein Test für Radstreifen an der Buddestraße Bensberg, über einen Gegenantrag der CDU ist noch zu beraten. Im Programm der Koalition steht der Pilotversuch, die Stationsstraße autofrei zu gestalten, diese Stelle ist stauanfällig. Der Bau neuer Straßen dürfte es da schwer haben. Dies betrifft zwei Routen übers Gleisdreieck zur Mülheimer Straße. Neues dazu gibt es im Frühjahr. Im Koalitionsvertrag für 2021 stehen neue Studien für Stadtbahn-Verlängerungen: die „4“ von Schlebusch über Schildgen nach Odenthal und die „1“ von Bensberg nach Spitze. Auch eine Studie zur Verlängerung der „18“ in die Stadtmitte soll kommen.

An der Buddestraße Bensberg ist ein Test für Radstreifen geplant.

An der Buddestraße Bensberg ist ein Test für Radstreifen geplant.

Stadthaus

Anfang des Jahres soll endgültig geklärt werden, in welche Richtung es geht. Geprüft wird ein neues Stadthaus auf dem Zanders-Gelände und die Umsetzung der Pläne am S-Bahnhof – letztere müssten erheblich verändert werden. Die Kosten drohten zuletzt die 100 Millionen Euro-Grenze zu erreichen. Ob das Projekt am S-Bahnhof abgespeckt werden kann, ist eine der spannenden Fragen 2021. Die Variante, die alten Stadthäuser zu sanieren, scheint vom Tisch zu sein.

Schlossstraße Bensberg

So richtig weiter geht es mit der Modernisierung der Schlossstraße erst im ersten Quartal 2022. Alle drei noch ausstehenden Bauabschnitte zwei bis vier sollen gemeinsam erst im letzten Quartal 2021 ausgeschrieben werden. Die Stadt will auf diese Weise Mehrkosten durch mehrere europaweite Ausschreibungen vermeiden, aber so auch sicherstellen, dass das Material einheitlich ist. Die Geschäftsstraße soll mit Naturstein gepflastert, mit modernen Leuchtstelen, einem Fontänenfeld, Sitzbänken und Fahrradbügeln ausgestattet werden, um nur einige Beispiele zu nennen.

In Kürze soll auf dem neuen Stadtteilplatz am Fuß der Schlosstreppe zum ersten Mal der Wochenmarkt stattfinden. Der Einbau der Stromzähler muss noch abgewartet werden, teilte die Stadtverwaltung im Dezember 2020 mit.

Bildung/Schule

Das Mehrheitsbündnis aus Grüne, SPD und FDP hat vor der Kommunalwahl angekündigt,150 Millionen Euro in die Modernisierung der Schulen investieren zu wollen. Der bauliche Notstand bei den Grundschulen ist bereits schonungslos dokumentiert: 19 von 20 Grundschulen müssen saniert, zum Teil auch abgerissen und neu gebaut werden. Aber auch die Schulplätze reichen hinten und vorne nicht: Mindestens eine Grundschule in der Innenstadt muss neugebaut werden, um alle Kinder wohnortnah unterbringen zu können.

Im ersten Quartal 2021 will die Verwaltung in einem ersten Schritt konkret ein Musterraumprogramm für die brisantesten Bezirke (Refrath, Frankenforst, Innenstadt, Gronau) vorlegen. Für die weiterführenden Schulen steht die Analyse 2021 an. Ein Integrierter Schulentwicklungsplan ist angekündigt. Auch hier sind massive Defizite zu erwarten: Es fehlen Räume, es gibt erhebliche Missstände bei den digitalen Strukturen. Die Stadtverwaltung will der Politik im Frühjahr einen Beschluss zur Gründung einer städtischen Schulbau GmbH vorlegen, um die Bauoffensive effektiver bewältigen zu können. Um die Digitalisierung voranzutreiben, sollen externe Firmen beauftragt werden.

Verwaltung/Personal

Die Verwaltung gibt sich eine neue Struktur. Die Stelle eines dritten Beigeordneten soll geschaffen und dafür gesorgt werden, dass jede Partei des Bündnisses im Verwaltungsvorstand vertreten ist. Derzeit hat die Stadt mit Harald Flügge (CDU) einen einzigen Beigeordneten. Die Stelle des zweiten Beigeordneten, die des Kämmerers, ist vakant, weil er Bürgermeister geworden ist. Die FDP hat das Vorschlagsrecht für den Kämmerer. Die Stelle des neuen, dritten Beigeordneten, für den die Grünen das Vorschlagsrecht haben, hat einen ungewöhnlichen Zuschnitt. Er oder sie ist verantwortlich für Stadtentwicklung, Mobilität, Klimaschutz sowie Jugend, Soziales, Schule und Kultur.

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Harald Flügge wird einen Teil seiner Aufgaben abtreten müssen – das geschieht gegen seinen erklärten Willen, aber er hat keine Möglichkeiten, dies aufzuhalten. Der ursprüngliche Zeitplan – die Beigeordneten sollten noch im Dezember vom Rat gewählt werden– wurde fallen gelassen, weil die Nicht-Regierungsfraktionen, allen voran die CDU, sich überfahren fühlten. Sie wollten wenigstens Zeit und Gelegenheit haben, die Kandidaten kennenzulernen.

Finanzen

Möglich sind die Investitionen in fast allen Bereichen mit dem Ende des Haushaltssicherungskonzept. Als Kämmerer hat Frank Stein mit seinem „Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren“ den Haushalt saniert und zusätzliche Millionen für die kommenden Jahre gesichert. Als Bürgermeister will er fast in jedem Bereich massiv investieren. In seiner Haushaltsrede hat er aber auch angekündigt, dass dies alles unter dem Vorbehalt steht, die Corona-Krise 2021 zu überwinden.

Weitere Ausfälle bei den Steuern könnten durch das „Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren“ nicht aufgefangen werden. Denkbar also, dass stärker gespart werden muss, als derzeit angedacht – alles hängt davon ab, wie die Wirtschaft wieder in Fahrt kommt.

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