AboAbonnieren

Partei feiert Gründung 1984Wie sich die Erftstädter Grünen in 40 Jahren verändert haben

Lesezeit 5 Minuten
Lena conrady trägt ein weißes Top mit blauen Streifen. Elke Griemens trägt ein rötliches Kleid mit auffälligen Mustern und eine bunte Perlenkette. Hinter den beiden hängt eine große Karte von Erftstadt.

Lena Conrady (16) und Elke Griemens (80) sind Mitglieder der Erftstädter Grünen.

Bei den Grünen in Erftstadt haben schon ganz unterschiedliche Generationen mitgewirkt, so auch Elke Griemens (80) und Lena Conrady (16).

Die Grünen in Erftstadt feiern am 31. August ihr 40-jähriges Bestehen. Im Verlauf der Zeit haben mehrere Generationen ihre politische Heimat in der Partei gesucht, so etwa die beiden Mitglieder Elke Griemens und Lena Conrady. Zwischen den Geburtsjahren der beiden liegen stolze 63 Jahre.

Elke Griemens ist 1944 geboren und schon seit der Gründung des Ortsverbandes 1984 dabei. Sie die großen Kämpfe der Grünen erlebt: „Atomkraft? Nein danke“, die Stationierung von Atomwaffen im Nörvenicher Flughafen, den Nato-Doppelbeschluss. Nach jahrzehntelanger Tätigkeit in Ausschüssen und im Stadtrat hat sich die 80-Jährige mittlerweile etwas rausgezogen. „Ich bin noch in zwei Ausschüssen, mehr Beobachterin als aktives Mitglied. Jetzt verfolge ich mit Spannung, was die Jüngeren machen.“ Die seien noch unbefangener und kommen immer wieder auf neue Ideen.

Was sich in 40 Jahren in der Politik in Erftstadt getan hat

Bühne frei für Lena Conrady, geboren 2007. „Ich fand die politische Arbeit innerhalb einer Kommune schon immer interessant und wollte wissen, welche Aufgaben es gibt und was man selbst verändern kann.“ Dafür konnte sie auch ihrer Mutter Tina Conrady über die Schulter schauen, die als Parteivorsitzende der Grünen auch im Erftstädter Stadtrat ist.

Trotz dieser Prägung habe die 16-Jährige immer die Freiheit gehabt, ihren eigenen politischen Weg zu gehen. Gegen den dürfte ihre Mutter aber auch nichts einzuwenden haben: Lena Conrady lief schon früh bei Demonstrationen von „Fridays for Future“ mit und trat im März 2022 den Grünen bei.

Doch was hat sich in den letzten 40 Jahren politisch getan? Am Anfang seien die Grünen von anderen Parteien ins Lächerliche gezogen worden, so Griemens. „Wenn die Grünen einen Antrag gestellt haben, haben die anderen sich nur kaputt gelacht und ihn abgelehnt. Und wenn es ein guter Antrag war, kam der acht Wochen später von der CDU oder von der SPD und ging durch. Das war ziemlich mühsam.“ Mit der Zeit habe es aber mehr Austausch gegeben und die Themen wurden sichtbarer, in denen die Parteien zusammenarbeiten konnten. Auch die Parteivorsitzende Tina Conrady meint, dass es heute eine bessere Diskussionskultur gebe als noch vor fünf Jahren. „Wir sind im Erftstädter Stadtrat immer in einem sehr konstruktiven Austausch miteinander.“

Veraltete Rollenbilder beschäftigen alle Generationen der Grünen

Eine Sache habe sich aber stark zum Positiven verbessert: „Man kann mittlerweile über Klimaschutz reden. Man kann über neue Verteilung von Straßenraum und über andere Formen von Mobilität diskutieren. Das ist relativ neu.“ Zudem sei mittlerweile unstrittig, wie wichtig erneuerbare Energien sind. „Ich weiß noch, wie es war, als die ersten Windräder hier gebaut werden sollten. In der Versammlung habe ich gedacht, es gibt gleich eine Schlägerei.“

Ein weites Feld, das beide Frauen beschäftigt, sind veraltete Rollenbilder. Elke Griemens erinnert sich: „Wenn man etwas Politisches machen wollte, sagten die Leute dann: Wir sind aber kein Kochkurs.“ Blöde Bemerkungen habe es schon immer gegeben, aber mittlerweile gehen die weit darüber hinaus, nur weibliches Engagement lächerlich zu machen. Sie berichtet von schlimmsten, verbal gewalttätigen Beschimpfungen. „Es erschreckt mich schon sehr, dass die Hemmschwelle der Leute so gesunken ist.“

Lena Conrady weist darauf hin, dass Sexismus keine Frage des Alters und überall zu finden ist. Ihrer Meinung nach sollte das Thema öfter in Schulen besprochen werden. „Es wird zwar über Sexismus geredet, aber man geht nie an den Ursprung. Man lernt keine sozialen Strukturen kennen. Stereotype Rollenbilder werden einem zwar erklärt und es wird gesagt, dass es heutzutage anders ist, aber es wird nie die genaue Geschichte dahinter erzählt.“ Sie wünscht sich auch, dass die Schule den Blick weitet und auch Wissen darüber vermittelt, was sich in anderen Ländern abspielt.

Elke Griemens erinnert sich an die Hahnenkämpfe bei den Grünen

Auch die Art, wie wir miteinander sprechen, könne für einen positiven Wandel wichtig sein. „Sprache hat eine enorme Macht. Der typische Spruch aus der Grundschule zum Beispiel: Ich brauche jetzt zwei starke Jungs, die mir den Stuhl rübertragen.“ Davon wegzukommen sei natürlich nur eine kleine Sache. „Aber diese Dinge können einen gravierenden Unterschied machen, weil man schon von klein auf nicht mit diesen Erwartungen an sich selbst oder an andere Menschen groß wird.“

Dass ein Abbau veralteter Rollenbilder positiv für den politischen Diskurs sein kann, bezeugt Elke Griemens auch bei den Grünen selbst. „Wenn es hier richtigen Streit gegeben hat, waren das immer Hahnenkämpfe“, erinnert sich die 80-Jährige. Männer, die sich an ihre Posten festgekrallt haben, habe es in jeder grünen Generation gegeben. „Seit diese neue Generation dran ist, gibt es das nicht mehr. Das hat mich schon sehr überrascht, dass da Wünsche anscheinend anders besprochen werden.“

Tina Conrady ist optimistisch, was ihren Bürgermeisterkandidaten angeht

Sexismus ist nur ein Beispiel dafür, wie Menschen aus dem politischen Diskurs ausgeschlossen werden. Lena Conrady findet: Die Zusammenarbeit unterschiedlichster Menschen ist wichtig für die Zukunft der Politik. „Neuer Input ist essenziell, um eine Partei weiterbringen zu können. Neue Standpunkte oder Fragen sind das, was Politik vorwärtsbringt. Deswegen ist in meinen Augen Expertise von allen Seiten sehr wichtig.“

Heute haben die Grünen in Erftstadt 76 Mitglieder - bis letzte Woche waren es noch 77 und damit so viele wie noch nie. Für die 2025 anstehende Bürgermeisterwahl haben die Grünen Thommy Mewes aufgestellt. Parteivorsitzende Tina Conrady ist optimistisch. „Bei der Auswahl unseres Kandidaten stehen unsere Chancen gar nicht so schlecht. Thommy ist in der Lage durchaus eine andere Klientel mit anzusprechen. Ich finde, das gelingt ihm schon jetzt im Vorfeld ganz gut.“ Es bleibe aber abzuwarten, was die anderen Fraktionen positionieren.