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Synchronsprecher aus KerpenDie halbe Welt kennt seine Stimme

Lesezeit 4 Minuten

Steven Charles aus Sindorf synchronisiert deutsche Filme für den Export in die ganze Welt.

Kerpen-Sindorf – Wenn Kinder in Australien „Die Sendung mit der Maus“ gucken, dann hören sie die Stimme von Steven Charles aus Sindorf. Auch als Derrick und Harry noch gemeinsam auf Mördersuche gingen, sorgte das Team um den Deutsch-Waliser dafür, dass der deutsche Fernsehkommissar eine coole (englische) Stimme bekam. Das Lied von „Ritter Rost“ hat Charles sogar auf Arabisch gesungen – für die Kinder im Orient. Die haben ihn wohl auch verstanden, obwohl er den Song von „Sir Rusty“ nur blechern nach der vor ihm liegenden Lautschrift geträllert hatte. Gleichviel – der Sender Al Jazeera strahlte die Staffel aus.

Aus globaler Sicht ist Steven Charles also ein bekannter Mann. Die halbe Welt kennt seine Stimme – vor allem dank der Deutschen Welle, für die er seit Jahren Dokumentarfilme in vielen Sprachen vertont. So ist er beispielsweise die sonore, kristallklare Stimme der Unesco in den jeweils 15-minütigen Episoden von „Schätze der Welt“, die die Stätten des Weltkulturerbes der Unesco in feinstem Oxfordenglisch vorstellt.

Dann wieder leiht er dem Erzähler der brillanten und vielfach preisgekrönten, bedrückenden Filmdokumentation „Camp 14 – Total Control Zone“ von Marc Wiese seine Stimme, in der es um Shin Dong-hyuk geht, der aus einem nordkoreanischen Arbeitslager floh. „Gerade habe ich eine Dokumentation vom Stammheimer Gefängnis und eine über das Internationale Rote Kreuz auf dem Server“, berichtet Charles.

Bei 80 Prozent aller Aufträge gehe es darum, deutsche Produktionen ins Englische zu übertragen. Nicht nur die gesprochenen Texte, etwa für „Spiegel TV“ oder die ZDF-Reihe „Planet E“, würden dann in Sindorf oder im größeren Studio in Bochum-Wattenscheid in Landessprache neu produziert, berichtet der 48-Jährige: „Auch wenn deutsche Sätze auf Schrifttafeln in den Dokumentationen auftauchen, schneiden wir Texte in der jeweiligen Sprache in den Film.“

Hauptsächlich arbeiten Charles und seine Mitarbeiter in den Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch und Arabisch. Gelegentlich werden auch deutsche Produktionen ins Russische, Italienische oder Portugiesische übertragen. Seine Aufträge bekomme er zumeist von der Firma „Global Screen“. Charles: „Das ist der größte Fernsehvermarkter Deutschlands.“ Auch für die RTL-Produktionen vergebe Global Screen Aufträge. Zu den Sprechern zählten der US-Komiker Andy Valvur aus San Francisco oder auch die US-amerikanische Jazz-Sängerin Jane Franklin.

Umgekehrt sucht der Sindorfer auch für große amerikanische Produktionen von National Geographic deutsche Sprecher, die amerikanische Dokus, wie etwa die über das Wappentier der USA, den Weißkopf-Seeadler, ins Deutsche übersetzen. Schauspieler Jochen Kolenda leiht vielen Rollen und Erzählern seine Stimme.

Charles liefert auch Untertitel, etwa für die beliebte RTL-Serie „Alarm für Cobra 11“ oder „Pinocchio“ mit Mario Adorf. Mit diesen Übersetzungstexten laufen diese Filme auf der internationalen Fernsehmesse in Cannes, von der Charles gerade zurückgekehrt ist: „Ausländische Sender schauen sich diese Produktionen in Cannes an und entscheiden, ob sie sie kaufen wollen. Wenn ja, werden die Filme im Heimatland des Senders synchronisiert.“

In Sindorf bekommt Steven Charles mitunter auch Unterstützung von seinen Söhnen Dylan (18 Jahre) und Gareth (17). Sie sprachen die englischen Stimmen der beliebten ARD-Kinderserie „Pfefferkörner“, in der Hamburger Kinder in Speicherstadt und Hafen Räubern und Verbrechern das Handwerk legen. Auch den Film über Erich Kästners Klassiker „Pünktchen und Anton“ kennt man außerhalb Deutschlands vornehmlich mit den Stimmen aus Sindorf. Dass Steven Charles in die Medienbranche gehen würde, hatte ihm sein Vater Toby in die Wiege gelegt. Der war der englische Kommentator von „Soccer Made in Germany“, einer wöchentlichen Sendung über die Fußball-Bundesliga in den USA.

Fan von Schalke

Fußball-Fan ist Steven Charles auch. Allerdings verehrt er nicht den Football von der Insel, sondern infizierte sich bei einem gemeinsamen Besuch mit FC- und Fortuna-Köln-Legende Tony Woodcock ausgerechnet im Kölner Südstadion mit dem „Schalke-Virus“: „Wir waren zum Spiel Fortuna Köln gegen Schalke gegangen. Als Schalke ein Tor schoss, stand das ganze Stadion auf und jubelte. Ich fragte mich, wie das wohl erst bei den Heimspielen sein würde.“ Heute hat er sein Haus in Königsblau und Weiß gestrichen, und im Garten steht ein Tonschaf in Blau-Weiß mit Schalke-Emblem.