Siegburger StudienAnnos Schrein ist ein Haus aus bronzenen Worten

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Der neue Anno-Schrein besteht ganz aus bronzenen Buchstaben.

Siegburg – Machtbewusst, hart, streng, dabei tiefgläubig und fromm: So beschreibt Andrea Korte-Böger, Vorsitzende der Freunde und Förderer des Michaelsbergs, den heiligen Anno. Als Reichskanzler war er für Jahre der mächtigste Mann weit und breit, als Erzbischof in Köln denkbar unbeliebt.

Doch die Siegburger ehrten ihren 1183 heiliggesprochenen Abteigründer, und die Verehrung hält bis heute unübersehbar an: Seine über Jahrhunderte als Reliquien verehren Gebeine fanden dieses Jahr ihre letzte Ruhestätte in der Anno-Kapelle, in einem neuen und mittlerweile vierten Schrein, den der US-amerikanische Künstler Brody Neuenschwander gestaltete.

Ein weiterer Teil der Reliquien ruht im Schrein in der Schatzkammer St. Servatius, der um 1183 in Köln gefertigt wurde, in der Werkstatt des Nikolaus von Verdun, der später auch den Dreikönigsschrein schuf.

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Korte-Böger, die auch als ehemalige Stadtarchivarin mit der Lebensgeschichte Annos bestens vertraut ist, trug Texte zu Anno, dem Schrein und seiner spirituellen Bedeutung zusammen. Die Ergebnisse sind als Band 7 der Siegburger Studien unter dem Titel „Aus Worten ein Haus – der neue Annoschrein in Siegburg“ erschienen.

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Fabian Alquin, Theologe und Mitarbeiter der Schatzkammer St. Servatius, schildert die Einsegnungsfeier für den neuen Schrein. Ralph Bergold, Direktor des Katholisch-Sozialen Instituts stellt Bezüge zur Arbeit des KSIs her: Schrein wie auch Institut seien Botschafter für Hoffnung, Zuversicht, Gottvertrauen und Mut. Der Benediktiner-Mönch und Kirchenhistoriker Marcel Albert thematisiert die Geschichte der Reliquienschreine des 12. und 13. Jahrhunderts in den Benediktiner-Abteien im alten Erzbistum Köln.

Brody Neuenschwander gewährt Einblicke in die Arbeit an seinem Artefakt. Im Werk des gebürtigen Texaners spielt Kalligraphie eine wichtige Rolle: Für den Film „Prosperos Bücher“ des englischen Regisseur Peter Greenaway entwickelte er eine Live-Action-Kalligraphie. Historische Buchstaben studierte er eingehend auf einer Tour durch alte Kirchen in Köln, bevor er für den Schrein einen eigenen Buchstabensatz schuf und einen Entwurf für ein filigranes Haus aus Metall-Lettern für den Wettbewerb zum neuen Anno-Schrein einreichte.

Texanischer Künstler nahm Sieg im Wettbewerb selbstbewusst hin

Die Kunstschmiede Hoppen schnitt die Buchstaben in einem Wasserstrahlverfahren aus Bronzeplatten, die dann zu Wänden und Dach des Schreins gefügt wurden. Hintereinander gelesen ergeben die Buchstaben das Anno-Lied und Details aus dem Leben des Abteigründers. Neuenschwander schreibt selbst, sein hausartiger Schrein habe unter den für den Wettbewerb eingereichten Entwürfen das einfachste Design gehabt.

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Mitarbeiter der Kunstschmiede Hoppen lieferten Anfang Februar den neuen Annoschrein für die Annokapelle auf dem Michaelsberg an.

„Und um ehrlich zu sein, war ich nicht überrascht als ein Brief ankam, in dem stand, dass ich den Wettbewerb gewonnen hatte“, schreibt Neuenschwander unumwunden. Die Arbeit des Nikolaus von Verdun habe seine Fantasie angeregt. Sein Haus aus Buchstaben bezeichnet er als einen „Höhepunkt meiner künstlerischen Karriere“.

Eine besondere Herausforderung wurde es, die Platten so zu falten, dass sie sich anschließend millimetergenau aneinander fügten. Ursprünglich hatte der Schrein in den Mittelgang der Abteikirche gestellt werden sollen, über eine alte Grabplatte. Schließlich aber erschien der Standort in der Kapelle als bessere Lösung, wo auch für eine perfekte Ausleuchtung gesorgt werden konnte – Anno selbst hatte zu Lebzeiten verfügt, dass über seiner Ruhestätte immer ein Licht scheinen solle, ein Umstand, den Fabian Alquin erwähnt.

Berührung durch Besucher ist gewollt

In der Schmiede wurde viel Mühe darauf verwandt, die einzelnen Buchstaben in Handarbeit von scharfen Kanten zu befreien, um Schnittverletzungen zu vermeiden, sollten Besucher den Schrein berühren wollen. Das sei durchaus gewollt, wie Thomas Sebastian Hoppen, der Juniorchef der Schmiede, schreibt.

Reliquienschreine würden heute vor allem als Kunstschätze in Vitrinen präsentiert, sagt Andrea Korte-Böger. „Und nicht mehr als Werke des Glaubens, geschaffen zum Berühren beim Gebet und zum Mitnehmens ihres Segens durch eben diese Berührung.

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