Sorge vor Corona„Meine Enkelin? Natürlich nehme ich die in den Arm!"

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HartmutSchneiderneu

  • Ab 50 Jahren steigt die Wahrscheinlichkeit eines schweren Krankheitsverlaufs nach der Ansteckung mit Sars-CoV-s deutlich an.
  • Was macht das mit der Risikogruppe der aktiven Senioren? Schränkt das deren Alltag ein?
  • Wir haben mit dem Pensionär Hartmut Schneider aus Bergisch Gladbach gesprochen.

Menschen über 60 Jahren gehören laut Robert-Koch-Institut zur Risikogruppe derer, bei denen eine Infektion mit dem Sars-CoV-2 zu einem deutlich schwereren Krankheitsverlauf und mit höherer Wahrscheinlichkeit auch zum Tod führen kann. Hartmut Schneider aus Bergisch Gladbach ist 74 Jahre alt und versucht, bei aller Sorge einen kühlen Kopf zu bewahren.

Herr Schneider, Sie sind 74 Jahre alt, sind Sie sich bewusst, dass Sie in Zeiten des Corona-Virus' damit jetzt zur Risikogruppe gehören?

Vielleicht ist das Naivität oder Verdrängung, aber ich bin mir da gar nicht so bewusst. Ich habe keine Angst, dieses Virus früher zu bekommen als andere und ich glaube auch nicht, dass es bei mir einen schlimmeren Verlauf nähme als bei anderen Menschen. Sorgen mache ich mir aber schon. Natürlich.

Wann steigt die Sorge in Ihnen auf?

Heute morgen war ich zum Beispiel beim Straßenverkehrsamt. Ich habe mir einen Anhänger gekauft, den ich anmelden wollte. Dort wartet man im Normalfall Stunden. Heute war ich der einzige und kam sofort dran. Da ertappte ich mich bei dem Gedanken: Das öffentliche Leben kommt zum Erliegen. Das erzeugt dann schon ein merkwürdiges Gefühl.

Hat die Sorge Einfluss auf Ihren Alltag? Ändern Sie Ihr Leben?

Naja, ich wasche mir viel öfter die Hände. Ich würde nicht in die Disco gehen. Auf Tanzveranstaltungen. Zum Fußball auch nicht. Ich weiß ja, wie das da abläuft und dass man sich beim Jubeln und Singen schon mal unabsichtlich anspuckt. Insofern fand ich die Entscheidung, die Spiele ohne Publikum anzupfeifen, überfällig. Da standen finanzielle Interessen zu lange im Vordergrund. Und nächste Woche wollte ich zu einem Konzert eines befreundeten schottischen Musikers nach Bonn fahren. Ich tendiere gerade dazu, das ausfallen zu lassen. Außerdem habe ich die Ratschläge befolgt und mich gegen Grippe und Pneumokokken impfen lassen.

Sie haben zwei Töchter und eine Enkeltochter, die das Virus aus dem Büro oder der Schule einschleppen könnten. Besuchen Sie die jetzt noch?

Sicher. Erst am Wochenende war ich mit meinen Töchtern in einem Gartencenter in Venlo. Schon am Donnerstag bin ich bei Tochter und Enkelin eingeladen.

Nehmen Sie die noch in den Arm?

Natürlich nehme ich die in den Arm! Innerhalb der Familie will ich da nichts ändern. Auch nicht bei Bekannten und Freunden. Gestern traf ich eine junge arabische Frau, deren Familie ich im Flüchtlingscamp mit betreute. Sie fiel mir auf offener Straße um den Hals. Da habe ich auch keine Sekunde an Corona gedacht. Ich habe mich nur gefreut. Höchstens bei Fremden denke ich schon manchmal nach. Den Anhänger, den ich gekauft habe, der hat ausgerechnet ein Nummernschild aus dem Kreis Heinsberg. Als ich den in Dormagen abholte, habe ich dann entschieden, dem Verkäufer nicht die Hand zu geben.

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Und in der Freizeit? Bleiben Sie häufiger zu Hause?

Nein, eigentlich nicht. Erst gestern haben wir uns zu unserer Bandprobe getroffen. Und das obwohl ein Bandkollege Kinder hat, die die Gutenberg-Realschule in Bergisch Gladbach besuchen. Und die ist gerade wegen eines Corona-Verdachtsfalles geschlossen. Wir haben darüber gesprochen und entschieden, dass wir einfach weitermachen. Auch zu meinem Herrenabend am Freitag gehe ich wie üblich.

Und was, wenn es doch passiert und Sie unter Quarantäne kommen?

Dann habe ich da auch genug zu tun, Ich würde wohl viel Gitarre üben und an meinem Fotoarchiv arbeiten. Ich bin auch online sehr aktiv. Außerdem habe ich Berge von Zeitschriften und Zeitungen und Büchern zu Hause, die ich schon lange mal lesen will. 14 Tage damit zu füllen, ist keine Schwierigkeit.

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