Sinkende ImpfquoteIst eine Impfpflicht in Deutschland rechtlich möglich?

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Impfung Symbol

Ein Arzt zieht bei einer Impf-Aktion in Köln-Meschenich eine Spitze auf. (Archivbild)

Berlin – Obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich bei ihrem Besuch des Robert-Koch-Institus (RKI) am Dienstag erneut dagegen aussprach, ist eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen gegen Covid-19 aktuell Teil des öffentlichen Diskurses. Beim Gesundheitspersonal stößt das auf Unverständnis: „Wir wehren uns entschieden dagegen, bei diesen Debatten immer wieder die beruflich Pflegenden unter Generalverdacht zu stellen“, sagte die Präsidentin des Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), Christel Bienstein.

Eine Impfpflicht lehnt sie daher ab: „Unserer Erfahrung nach erreicht man mit adäquater Information erheblich mehr.“ Die Motivation, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, ist bei Pflegenden laut Bienstein ohnehin hoch. „Die Kolleg*innen, die diese Überzeugung teilen, brauchen keinen äußerlichen Druck“, sagte sie. Andersherum sei wichtig, herauszufinden, woran es bei denjenigen, die eine schützende Spritze ablehnen, hakt.

Rechtlich ist eine Impfpflicht in Deutschland möglich

Rechtlich ist eine Impfpflicht hierzulande grundsätzlich möglich. So gibt es seit März 2020 ein Gesetz, das eine schützende Spritze gegen Masern vorschreibt: Wer sein Kind in eine Kita oder eine Schule schickt – und auch das ist Pflicht –, muss dessen Impfschutz oder Immunität nachweisen. Gleiches gilt für all jene, die in Bildungseinrichtungen, Krankenhäusern, Arztpraxen und Flüchtlingsheimen arbeiten.

Impfung Grafik International

Der Impf-Fortschritt im internationalen Vergleich, Stand 12. Juli

Nach Einführung der Regelung waren zwar mehrere Beschwerden gefolgt. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine sofortige Aussetzung in einem Eilverfahren im Mai vergangenen Jahres jedoch abgelehnt. Aktuell prüft es die Vorgabe auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz.

Das Mittel gegen die Kinderkrankheit verhindert mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, dass Geimpfte sich und andere anstecken. Um „bedrohte Teile der Bevölkerung“ zu schützen, ermächtigt Paragraph 20 Absatz 6 des Infektionsschutzgesetzes die Regierung daher zu Rechtsverordnungen, „wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist“.

Was überwiegt: Persönliche Freiheit oder gesellschaftlicher Schutz?

Bei Covid-19 dagegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person trotz vollständiger Immunisierung PCR-positiv wird, dem RKI nach „bereits niedrig, aber nicht null“. Vor allem bei einer hohen Gesamtinzidenz kommt es in Einzelfällen dennoch zu einer Infektion. Es stellt sich also die Frage: Zählt eine Impfung gegen das Coronavirus zur persönlichen Gesundheitsvorsorge oder dient sie dem Schutz anderer?

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Für eine Herdenimmunität braucht es nach RKI-Angaben eine Impfquote von mindestens 85 Prozent unter Zwölf- bis 59-Jährigen beziehungsweise 90 Prozent unter über 60-Jährigen. Gerät der Gemeinschaftsschutz dadurch in Gefahr, dass diese Ziele nicht erreicht werden, ist eine erneute Debatte denkbar. Eine Impfpflicht für Berufsgruppen wie Lehr- und Pflegekräfte ist nicht ohne Weiteres möglich – für eine Rechtsverordnung bräuchte es die Zustimmung des Bundesrates.

Einen indirekten Zwang gibt es jedoch im Gesundheitssektor: Hier kann etwa eine Klinik oder eine Praxis aus Gründen der Vorsorge, eine Impfung bei ihren Beschäftigten voraussetzen. Weigern die sich, droht allerdings keine Kündigung. Stattdessen muss der Arbeitgeber einen anderen Einsatzbereich finden, an dem keine Impfung nötig ist.

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