Kommentar zu Kritik an EntlastungspaketZu viele offene Fragen, zu wenig Gewissheit

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CSU-Chef Markus Söder

Berlin – In den Bundesländern formiert sich Widerstand gegen das von der Ampel-Koalition geplante dritte Entlastungspaket. Erste Länder drohten am Wochenende damit, im Bundesrat nicht zuzustimmen. „In der jetzigen Form ist das Entlastungspaket keinesfalls zustimmungsfähig“, sagte Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) der „Welt am Sonntag“. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) forderte, der Bund müsse „deutlich nachbessern“. 

Zwar ist es erst zwei Wochen her, dass sich die Ampelkoalitionäre in einer langen Nachtsitzung auf das dritte Entlastungspaket verständigt haben, um die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine und die dadurch ausgelöste Energiekrise zu dämpfen. Tatsächlich bleibt dieses Paket aber umstritten. Und die nächsten Entlastungspakete kommen schon in Sichtweite.

Dass Ministerpräsidenten klagen, gehört zum politischen Geschäft. Während der Coronakrise war es gang und gäbe. Meist fühlen sie sich schlecht behandelt. Am Ende wird überwiegend ums Geld gestritten; und der Streit wird dann durch irgendeine Form des Kuhhandels gelöst. Insofern besteht kein Grund zur Beunruhigung.

Weil und Bovenschulte sind nicht als Marktschreier bekannt

Am lautesten sind außerdem meistens jene Regierungschefs, die sich in anstehenden Wahlen zu behaupten haben. Gegenwärtig sind das Niedersachsens Stephan Weil und Bremens Andreas Bovenschulte. Beide Sozialdemokraten sind nicht als Marktschreier bekannt.

Dennoch hat die Länder-Kritik ihre Berechtigung. Das Gerangel um die Nachfolge für das 9-Euro-Ticket ist dafür ein schönes Beispiel. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat 1,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt – und gesagt, den Rest sollten die Länder stemmen. Damit hat der Liberale ihnen aber kaum mehr als einen Schwarzen Peter zugeschoben.

Lindner will die Geldschleuse nicht zu früh öffnen

Eine weitere offene Frage ist die nach der Schuldenbremse. Während der Coronakrise wurde sie ausgesetzt, eben das will Bundesfinanzminister Christian Lindner jetzt nicht tun. Freilich ist die kommende Krise um ein Vielfaches größer als die Coronakrise. Der FDP-Politiker weiß das. Und viel spricht dafür, dass er dies in Bälde auch eingestehen wird. Offenbar will Lindner die Geldschleuse nicht zu früh öffnen, da er ahnt, was da noch alles kommen könnte.

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Niemand weiß nämlich, wie der Krieg weiter geht und wie sich die Energiepreise entwickeln. Niemand weiß auch, mit welcher Entschlossenheit und welchem Tempo die Europäische Zentralbank noch an der Zinsschraube dreht – und ob dies ein nennenswerter Beitrag sein wird, um die Inflation in Schach zu halten. Doch so vergleichsweise ruhig wie es ist, wird es nicht bleiben. Das ist sicher.

Merz hat Recht: Lieber 1000 Euro Energiezuschlag für die Armen

Die einkommensschwachen Bürgerinnen und Bürger werden mit dem Geld, das die Ampelkoalition verspricht, nicht über die Runden kommen. Umgekehrt kriegen zu viele Menschen zusätzliches Geld vom Staat, die es gar nicht benötigen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat Recht: Besser 1000 Euro Energiezuschlag für die Armen als 300 Euro für alle. Letzteres ist rausgeschmissenes Geld.

Im Übrigen sind nach den Privatpersonen nun die Unternehmen an der Reihe. Die Dimension der benötigten Schutzschirme für die Wirtschaft ist noch gar nicht absehbar, weil sich die Preissprünge erst langsam durchs Land fressen. Ungewiss ist deshalb, wie groß die Schäden sein werden und was man realistischer Weise tun kann und muss, um sie einzudämmen.

Die angekündigten Bund-Länder-Gespräche sind jedenfalls erst der Anfang eines Prozesses, in dem Krise nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist und in der der Staat wie so oft in den letzten 15 Jahren seit Beginn der Finanzkrise als letzter Rettungsanker herhalten muss. Ob wir so etwas wie Normalität in den nächsten Jahren überhaupt wieder erreichen werden, steht in den Sternen. (mit afp)

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