Kommentar zur KlausurtagungIm Schatten des Krieges rauft sich die Ampel zusammen

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Bundeskanzler Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner kommen zur Abschlusspressekonferenz nach der Klausurtagung der Bundesregierung.

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Die Ampel-Koalition hat sich im Brandenburgischen jetzt in Teambuilding geübt. Die Stimmung bei der Klausur sei „super“ gewesen, hieß es. Ja, es soll sogar gelacht worden sein. Das war wohl nötig. Denn vom Honeymoon von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen war nach fünf Monaten kaum noch etwas übrig. Der Hauptgrund dafür war natürlich der Krieg.

Im Dezember war, wie Vizekanzler Robert Habeck zu sagen pflegt, alles „chico“ in der Ampel. Die Koalitionsverhandlungen gingen schnell und geräuschlos über die Bühne. Später gab es Stress - wegen der von der FDP trotz steigender Inzidenzen durchgeboxten Corona-Lockerungen und der von FDP-Chef Christian Lindner ins Spiel gebrachten Idee eines Tankrabatts.

Mittlerer Kurs gegenüber Russland und Ukraine

Angesichts des Krieges muss sich die Ampel zusammenraufen, und sie rauft sich zusammen. Herausgekommen ist ein Kurs, hinter dem sich größere Teile der Bevölkerung versammeln können. Kanzler Olaf Scholz möchte neuerdings so sprechen, dass er verstanden wird. Daran hat es bisweilen gemangelt. Den damit einhergehenden Verlust an Popularität hat sich Scholz selbst zuzuschreiben. Das rhetorische Talent Habecks ist ihm nicht gegeben. Doch deutlich zum Ausdruck bringen, was er möchte, das sollte ein Regierungschef schon können. Darum bemüht er sich jetzt. Das ist gut.

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Bei der Politik gegenüber Russland und der Ukraine pendelt sich die Ampel auf einen mittleren Kurs ein. Sie forciert die deutsche Unabhängigkeit von russischen Energieimporten, vereint mit der Europäischen Union. Das dauert zu lange und spült noch zu viel Geld in die russische Kriegskasse. Doch es sorgt für die notwendige Berechenbarkeit im Inland, ohne die Akzeptanz verloren ginge. Dagegen musste die Bundesregierung mit Macht gedrängt werden, auch schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Das gilt besonders für ihren sozialdemokratischen Teil.

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Ohne Druck der Ukraine und einiger osteuropäischer Staaten einerseits sowie von Kritikern in den Reihen der Ampel-Koalition andererseits gäbe es keinen Ringtausch mit Nato-Staaten. Es würden keine Panzer geliefert und keine Artillerie. Nach wie vor verstreicht beim Export wertvolle Zeit - Zeit, die die Ukraine leider nicht hat. Was man den Verantwortlichen aber zugutehalten muss: Dieser Krieg ist eine Grenzsituation, ja tendenziell eine politische Überforderung. Das sollte jeder, der urteilt, wissen.

Nicht souverän präsentiert sich der Kanzler bei der Frage eines Ukraine-Besuchs. Er verschanzt sich hinter der nachvollziehbaren, aber grundfalschen Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Auch verbaut Scholz damit Außenministerin Annalena Baerbock den Weg, die gerne reisen würde, aber so nicht reisen kann. Es wäre im Interesse aller Beteiligten in Kiew und Berlin, diesen Knoten zu durchschlagen.

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