Von Syrien bis IranEin Staat umgeben von Feinden – Israels gefährliche Nachbarn

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UN-Blauhelme beobachten die Grenze zwischen Libanon und Israel.

UN-Blauhelme beobachten die Grenze zwischen Libanon und Israel.

Israel war seit seiner Gründung von Feinden umgeben. Zuletzt gelang Jerusalem die Annäherung an einige arabische Staaten. Doch der neue Krieg mit der Hamas bringt diesen Prozess in Gefahr – und destabilisiert die gesamte Region.

Als Russland bereits den Countdown für seinen Angriff auf die Ukraine am Morgen des 24. Februar 2022 herunterzählt, geschieht in der Nahostregion ebenfalls Historisches. Die Marine Israels nimmt erstmals am gemeinsamen Seemanöver IMX2022 der US Navy mit den Marinen Saudi-Arabiens und Pakistans teil. Auch weitere Golfanrainer machen mit, die bisher nicht auf „Israels primärer Partnerliste“ standen, berichtete das „Marine-Forum“ nüchtern.

Das Seemanöver ist tatsächlich ein kleines Puzzlestück im weltweiten Bemühen, die stets explosive Lage im Nahen Osten etwas zu entspannen. Dass israelische und saudische Soldaten kooperieren, das ist nicht allein eine militärische Sensation. So etwas kann der Welt Hoffnung vermitteln – auch wenn das mit der Hoffnung derzeit so eine Sache ist.

Bei der Analyse der sicherheitspolitischen Lage in Nahost geht es vor allem um zwei Dinge: um das Verhältnis Israels zu den Palästinensern und die Beziehungen zu direkten und mittelbaren Nachbarn.

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Die zentrale Frage: Wem gehört das Land?

Die Einordnung ist allerdings schwierig, denn in Nahost geht es nicht um Gegnerschaft, sondern erbitterte Feindschaft. Zentrale Frage dabei: Wem gehört das Land? Und die Antwort hängt davon ab, wer die Geschichte wann beginnen lässt – bei Moses wie die Juden in Israel oder bei der Zerschlagung des alten Israels durch die Römer 71 nach Christus und der Umbenennung Judäas in Syria Palaestina.

Für die meisten Araber spielt keine Rolle, dass im vorigen Jahrhundert zunehmend Juden aus Osteuropa auf der Flucht vor Pogromen in der Heimat ein Zuhause im gelobten Land suchten. Vielen Juden fehlte das Verständnis dafür, dass sie in der unwirtlichen Gegend Bäuerinnen und Bauern vertrieben, die ohnehin nur karge Erträge verzeichneten.

Die UN-Generalversammlung beschloss am 29. November 1947 den Teilungsplan für das britische Mandatsgebiet Palästina. Es sollten damit die andauernden Konflikte zwischen arabischen und jüdischen Bewohnerinnen und Bewohnern befriedet werden, indem Palästina in einen Staat für Juden und einen für Araber aufgeteilt wird.

Doch es kam bekanntlich anders. Die Interessen der Großmächte und die Ablehnung Israels durch die arabischen Staaten stellten das Land von Beginn an in den Brennpunkt der Weltgeschichte – bis heute.

Der erste Krieg des jungen jüdischen Staats begann in der Nacht seiner Unabhängigkeitserklärung am 14. Mai 1948. Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien und Irak marschierten ein und griffen Israel an. Gewalt und Gegengewalt ziehen sich seitdem wie in blutigroter Faden durch die Geschichte.

Die heutigen Nachbarn Israels sind dem Land nicht alle mehr als Feinde verbunden. Doch von vielen geht eine Gefahr für den jüdischen Staat aus.

Iran – der Erzfeind

Der Iran erkennt Israel nicht als legitimen Staat an. Für Israel ist die iranische Führung erklärtermaßen die „größte Bedrohung“. Tatsächlich hat der Iran vornehmlich durch Finanzierungen von Organisationen wie der Hisbollah und Waffenlieferungen in Syrien, im Libanon, im Jemen und im Irak erheblich an Einfluss gewonnen.

Attentate auf und Tötungen von iranischen Atomwissenschaftlern werden häufig dem israelischen Geheimdienst Mossad vorgeworfen. Auch fliegt die israelische Luftwaffe Angriffe auf Ziele, etwa in Syrien, mit der Begründung, iranische Waffenlager zu eliminieren.

Der Iran fördert mutmaßlich Terrorakte von Palästinensern in Israel und steht auch im aktuellen Krieg Israels mit der Hamas im Verdacht, entscheidend an den Plänen mitgewirkt zu haben. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Iran die mächtige Hisbollah an der israelischen Nordgrenze zum Libanon von der Leine lässt.

Ganz aktuell dürfte der iranischen Regierung auch die Annäherung zwischen Israel und dem Hauptkonkurrenten Teherans, Saudi-Arabien, ein Dorn im Auge gewesen sein.

Der Iran will zur wichtigsten Macht im Nahen Osten aufsteigen. Bereits 2015 sagte Ajatollah Ali Chamenei die Zerstörung Israels innerhalb der nächsten 25 Jahre voraus. Im Iran wurden daraufhin große Digitaluhren aufgestellt, die öffentlich den Countdown bis zum Jahr 2040 zählen.

Syrien – mit sich beschäftigt

Syrien gehörte stets zu den Teilnehmern an Kriegen gegen Israel und zu den Verlierern. Im Sechstagekrieg 1967 besetzten die Israelis die syrischen Golanhöhen.

Für den Vater des jetzigen Machthabers, Hafiz al-Assad, genoss die Rückgewinnung des Gebiets oberste Priorität. Dies gelang ihm jedoch auch 1973 gemeinsam mit Ägypten nicht. Im Gegensatz zu Ägypten schloss Syrien jedoch nie Frieden mit Israel.

Syrien und Israel führten im Libanon einen lang andauernden Stellvertreterkrieg. In den 1990er-Jahren, als die palästinensischen Autonomiegebiete in Gaza und im Westjordanland entstanden, führten beide Staaten erstmals Gespräche. Sie scheiterten, weil Israel nicht bereit war, die Golanhöhen zu räumen. Syriens Machthaber Baschar al-Assad hat jedoch kaum noch Ressourcen für die Auseinandersetzung mit Israel. Er führt mithilfe der Russen Krieg gegen das eigene Volk.

Libanon – Land der Hisbollah

Der Libanon ist chronisch instabil und durch die Machtstellung der vom Iran gesteuerten und finanzierten Miliz der Hisbollah ein ständiger Gefahrenherd. Die Miliz ist militärisch hoch gerüstet und gibt auch politisch im tief zerrütteten und armen Libanon den Ton an.

Im Libanon agiert die Hisbollah quasi als Staat im Staat. Die Miliz unterstützt den syrischen Machthaber Baschar al-Assad im anhaltenden Bürgerkrieg im Nachbarland. Sie ist für zahlreiche Anschläge auf die israelische Armee verantwortlich. Im Juli 2006 lieferten sich Israel und die libanesische Miliz der Hisbollah einen einmonatigen Krieg.

Die schiitische Hisbollah war bereits in mehreren Regierungen vertreten. Oberste geistliche Autorität der Schiiten ist der Revolutionsführer der Islamischen Republik Iran, aktuell Ali Chamenei. Die Mullahs griffen 1982 aktiv in den Konflikt zwischen dem Libanon und Israel ein, um die Islamische Revolution nach iranischem Vorbild in den Libanon zu exportieren. Seitdem gilt die Hisbollah als militärischer Arm Teherans im Nahen Osten, um Macht und Einfluss zu sichern, was der Iran durch Israel gestört sieht.

Am Mittwoch hat die libanesische Schiitenmiliz Raketen auf eine israelische Militärstellung in der nördlichen Grenzstadt Aramscha abgefeuert. Es habe eine „große Zahl“ Verletzter, aber auch Tote gegeben, teilte die vom Iran unterstützte Gruppe am Mittwoch mit, ohne Zahlen zu nennen. Israel beschoss daraufhin die libanesische Grenzstadt Duhaira und deren Umgebung. Von dort waren die Raketen abgefeuert worden.

Die Hisbollah verfügt laut israelischen Quellen über weit mehr als 100?000 Raketen verschiedenster Bauart. Massiv abgefeuert, könnten sie die ausgefeilten israelischen Abfangsysteme vor Probleme stellen, glauben Fachleute.

Ägypten – kalter Frieden

Vor fast genau 50 Jahren, am 6. Oktober 1973, erklärten Ägypten, Syrien und andere arabische Staaten Israel den Krieg, den sie fast gewannen. Nur sechs Jahre später unterzeichneten Israel und Ägypten ein Friedensabkommen. Ägypten war somit der erste arabische Staat, der Israel offiziell anerkannte. Präsident Anwar as-Sadat wurde zur Hassperson in arabischen Ländern. Er wurde 1981 von Islamisten ermordet.

Heute herrscht Frieden zwischen Israel und Ägypten. Es halten sich trotz Dementis der israelischen Regierung Gerüchte, wonach der ägyptische Geheimdienst die Israelis vor der mörderischen Attacke der Hamas gewarnt haben soll.

Der Dissens im Palästina-Konflikt ist jedoch geblieben, und beliebt ist Israel in der ägyptischen Bevölkerung nicht. Doch die Militärmachthaber in Kairo setzen Expertinnen und Experten zufolge auch in Zukunft auf eine stabile Partnerschaft mit den Nachbarn. Dabei geht es um die Zurückdrängung von Islamisten, ein gewichtigerer Grund dürfte aber die Rivalität zum Iran sein.

Saudi-Arabien – Annäherung

Saudi-Arabien ist dem Iran in wohl grenzenloser Abneigung verbunden. Die Expansionspolitik des schiitisch-persischen Iran empfinden sunnitisch-arabische Führer der Golfregion wie in Saudi-Arabien als existenzielle Gefahr für ihre eigene Herrschaft.

Militärisch ist der Iran Experten zufolge allen anderen Golfstaaten haushoch überlegen, ganz zu schweigen vom undurchsichtigen Teheraner Atomprogramm. Es gibt wahrscheinlich nur ein Land, das den schiitischen Kriegern Paroli bieten könnte: Israel.

Dies dürfte der Grund dafür sein, dass viele arabische Staaten zunehmend ihre grundsätzliche Ablehnung des Judenstaats vergessen. Neben denen zu Ägypten und Jordanien, mit denen Israel im Jahre 1979 und 1994 Frieden schloss, normalisierte es zuletzt auch seine Beziehungen zu anderen arabischen Staaten. Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate schlossen die sogenannten Abraham-Abkommen mit Israel, der Sudan und Marokko sind zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen bereit.

Immer lauter wird seit vergangenem Jahr darüber gesprochen, dass Saudi-Arabien – Hüter der heiligsten Stätten des Islams – Israel als Staat anerkennen könnte. Es wäre ein politisches Erdbeben, konstatierte im August die Konrad-Adenauer-Stiftung in einer Analyse.

Saudi-Arabien: interessiert an gemeinsamer Luftabwehr

Die Saudis sind auf jeden Fall interessiert an Israels militärischer Stärke. Im Mittelpunkt steht dabei eine gemeinsame Luftabwehr mit anderen arabischen Staaten gegen die Bedrohung aus dem Iran. Schon Ende November 2020 hatten sich der israelische Premier Benjamin Netanjahu und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman in der saudischen Planstadt Neom getroffen.

Doch auch Riad besteht auf weiten Zugeständnissen Israels an die Palästinenser und möchte ein eigenes Atomprogramm und mehr Waffen aus den USA, um politische Schlagkraft in der Region zu gewinnen. Das bremst den Optimismus für einen schnellen, fundamentalen Wandel der Beziehungen. (RND)

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