Lehrerinnen, Eltern und Schüler fordernDas muss sich in Schulen jetzt schnell ändern

Lesezeit 6 Minuten
SIZ-Header-Veraenderungen

Expertinnen und Experten wünschen sich mehr Unterstützung für Schulen.

Köln – Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat bei wichtigen Akteuren nachgefragt, welche Veränderungen sie sich wünschen. Das sind ihre Antworten.

Katja Bouzols, Leiterin der Kölner Hauptschule Baadenberger Straße

SIZ Katja Bouzols

 Katja Bouzols ist Leiterin der Kölner Hauptschule Baadenberger Straße.

Wünsche gibt es gerade bei uns an der Hauptschule viele. Große, aber auch ganz kleine: Wir gehörten eher zu den letzten Schulen, bei denen Endgeräte ankamen.

Ein Jahr nach Beginn der Pandemie  kamen in diesem Frühjahr die ersten Tablets an: 96 Stück, aber nur zum Ausleihen an die Schüler, die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beziehen. Die anderen mehr als 200 arbeiten weiter mit dem Handy. Computer haben die allerwenigsten zu Hause. So lange aber nicht alle ausgestattet sind, können wir Plattformen wie Logineo oder Teams nicht richtig nutzen.

Abgesehen davon gibt es immer noch in sechs Unterrichtsräumen kein WLAN. Neben ausreichend Geräten fehlt es an Fortbildungen für das Kollegium. Mehrfach habe ich  versucht, eine Schulung zu ergattern. Die waren immer so schnell voll, dass ich nicht zum Zuge gekommen bin. Erst hatten wir Logineo, jetzt haben wir seit kurzem das Office-Paket mit Teams. Aber richtig etwas damit anfangen können wir nur, wenn wir als Kollegium fortgebildet werden, wie wir das einheitlich und sinnvoll nutzen. Sonst macht die Ausstattung wenig Sinn.

Schließlich wünsche ich mir etwas ganz Simples, bis alle irgendwann ein Tablet zur Verfügung haben: Für jeden Schüler einen USB-Stick, der in der Schule bleibt. Auf dem könnten sie ihre Dokumente wie etwa den Lebenslauf speichern und damit  hier im Computerraum arbeiten. Die kosten nur fünf Euro. Trotzdem haben den längst nicht alle Schüler.

Sabine Wisskirchen, Mutter von drei Kindern, Lehrerin und Medienbeauftragte der GGS Pfälzer Straße in Köln

SIZ Sabine Wisskirchen

Sabine Wisskirchen ist Mutter von drei Kindern, Lehrerin und Medienbeauftragte der GGS Pfälzer Straße in Köln.

Ich wünsche mir, dass wir jetzt nicht aufhören, über die Zukunft von Unterricht, Schule und Bildung zu diskutieren, nur weil kein Distanzunterricht mehr stattfindet. Kinder haben so viel neu gelernt in dieser Zeit – wie sie digital kommunizieren können über Videokonferenzen und Text, wie sie ihre Ergebnisse virtuell festhalten können und ein Tablet nicht nur als Spiel- und Guckwerkzeug, sondern als Arbeitswerkzeug so selbstverständlich wie einen Stift oder ein Blatt Papier nutzen. Diese Erfahrungen müssen Teil des Schulalltags bleiben – und nicht mehr die Ausnahme. Nach wie vor ist aber nicht zu Ende gedacht worden, wie Schulen dafür ausgestattet werden.

Ich wünsche mir digitale Konzeptbegleiter für jede Schule – eine Person, die uns hilft bei der digitalen Gestaltung von Schule und Bildung. Ich sehe seit Jahren große und weiter wachsende Anstrengungen bei den Lehrkräften, aber die Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen, haben sich seit Jahrzehnten nur in kleinen Schritten verändert.

Die Ansprüche an uns Lehrerinnen und Lehrer haben sich extrem gewandelt. Um ihnen gerecht werden zu können, brauchen wir jetzt diese Unterstützung.

Oliver Schmitz, Schulleiter des Kaiserin-Theophanu-Gymnasiums in Köln-Kalk

SIZ Oliver Schmitz

Oliver Schmitz ist Schulleiter des Kaiserin-Theophanu-Gymnasiums in Kalk.

Was wir brauchen – gerade wenn nach der akuten Phase der Pandemie wieder alle Schülerinnen und Schüler in den Klassenräume sitzen – sind drei Dinge: Am allerwichtigsten ist ein leistungsstarkes, stabiles WLAN. An unserer Schule in Kalk mit 1000 Schülern haben wir inzwischen 300 Tablets zur Verfügung. Hier ist während der Corona-Zeit eine riesige Investition getätigt worden, die wir jetzt auch im Sinne der Kinder nutzen müssen. Nur: Die Tablets sind ja noch nie hier vor Ort vollständig in Gebrauch gewesen. Während das im Neubau mit stabilem WLAN möglich wäre, bricht in unseren anderen beiden Gebäudetrakten das Netz zusammen, wenn mehrere Gruppen gleichzeitig die Geräte nutzen. So ist die Situation an vielen Kölner Schulen.

Zweitens brauchen wir einen Systemadministrator für jede Kölner Schule. 300 Geräte, zwei Server-Räume und Beamer in jedem Raum – das kann nicht ein Informatiklehrer alles nebenbei pflegen und warten. Ich war bis 2014 Lehrer an einer deutschen Schule in Schanghai. Zu dem Campus gehörte eine deutsche und eine französische Schule – und es gab eine IT-Abteilung mit zehn in Vollzeit beschäftigten Administratoren für diese beiden Schulen.

Außerdem müssen wir drittens weg davon, dass die Schule im Besitz der Geräte ist und diese dann bei Bedarf oder für bestimmte Unterrichtsformate an die Schüler und Schülerinnen austeilt. Wenn wir die Kultur der Digitalität im 21. Jahrhunderts ernst nehmen, heißt das, dass jeder Schüler im Besitz eines Gerätes sein muss. Auf dem für alle einheitlichen Tablet oder Laptop sind dann auch alle Schulbücher. Jeder Fünftklässler bekommt das von der Schule festgelegte Gerät ausgehändigt, wenn er auf die weiterführende Schule kommt.

So ein Tablet kostet 300 Euro. Wenn ich mal überlege, was wir pro Schüler für die Schulbücher in allen Fächern ausgeben, ist das nicht viel. Diesen Betrag sollte uns als Gesellschaft jeder Schüler wert sein.

Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, und Abiturient der Integrierten Gesamtschule Paffrath

SIZ Dario Schramm

Dario Schramm ist Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz und hat gerade sein Abitur an der Integrierten Gesamtschule Paffrath gemacht.

Digitalisierung muss endlich ganzheitlich gedacht werden. Es ist eben nicht mit einem iPad in der Hand getan, es kommt vor allem auf vorhandene Medienkonzepte an, aber auch auf ausreichende Schulungen und Fortbildungen von Lehrerinnen und Lehrer. Digitale Schule muss und kann vor allem individuelles Lernen fördern, jeder soll in seinem Tempo arbeiten und lernen können. Ein immens wichtiger Schritt in Sachen Fördern und Fordern von Schülerinnen und Schülern.

Ebenfalls darf der Zusammenhang von Modernisierung und Digitalisierung nicht vergessen werden:  Eine alte marode Schule mit dicken Betonwänden kann schwer vernünftiges Internet gewährleisten. Wir brauchen jetzt wirklich Anstrengungen in alle Richtungen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Melanie Grabowy, Leiterin der Gesamtschule Windeck im Rhein-Sieg-Kreis

Melanie Grabowy Schulleiterin Gesamtschule Windeck

Melanie Grabowy ist Leiterin der Gesamtschule Windeck im Rhein-Sieg-Kreis und 

Ich wünsche mir, dass wir uns das Gute, das wir uns in der Krise schnell und hart erarbeitet haben, beibehalten und davon profitieren können. Dazu gehören Lernplattformen, die neue Möglichkeiten der Individualisierung in der Schule bieten, oder dass Lernmaterialien zentral für alle jederzeit online verfügbar gemacht werden. Wir hatten schon vor Corona sehr heterogene Lerngruppen, das hat sich weiter verstärkt. Wie viel die Kinder gelernt haben und wie viel davon hängen geblieben ist, ist sehr unterschiedlich.

Die notwendige Individualisierung des Lernens ist deswegen jetzt noch viel wichtiger als vorher und durch digitale Medien viel leichter zu stemmen. Mit Hilfe der digitalen Medien kann ich ohne Probleme Angebote für verschiedene Niveaus machen, ohne dass ich aufwendig Blätterstapel kopieren und im Klassenraum nach eigenem Empfinden verteilen muss.

Darüber hinaus muss weiter die technische Ausstattung verbessert werden: Wir haben (nur) 130 Tablets für 780 Schülerinnen und Schüler bekommen. Außerdem brauchen wir in den Unterrichtsräumen WLAN, um hybrid arbeiten zu können. Hier muss dringend nachgelegt werden, damit alle Kinder und Jugendlichen von den vielfältigen Angeboten profitieren können.

Wichtig ist auch, dass hier nachhaltig gedacht und organisiert wird. Das heißt: Wir brauchen Personal, das sich um die Geräte und Netzwerke kümmert. Ich möchte zudem betonen, dass es auf die Pädagogik ankommt, ein Endgerät ist nur ein Hilfsmittel, die Beziehung zum Lernenden, die Didaktik und Methodik sind alles entscheidend im Lernprozess. Und auch auf diesen Gebieten müssen wir uns weiterentwickeln, um wirklich allen Schülerinnen und Schülern ein Lernangebot machen zu können. 

KStA abonnieren