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Von Hawaii nach KölnFC-Co-Trainer René Wagner: „Lukas sieht selbst wahnsinnig viel“

6 min
FC-Sportchef Thomas Kessler mit Co-Trainer René Wagner

FC-Sportchef Thomas Kessler mit Co-Trainer René Wagner

Quereinsteiger René Wagner trainierte auf Hawaii den Sohn von Tiger Woods. Jetzt ist er Assistenz-Coach von Lukas Kwasniok beim 1. FC Köln.

Herr Wagner, Ihre Trainerkarriere im Profifußball hat einen ungewöhnlichen Verlauf genommen. Sie sind eine Art Quereinsteiger. Wie kam es dazu?

In meiner Zeit als Spieler habe ich in der zweiten Mannschaft von Dynamo Dresden gespielt und auch immer mal wieder mit den Profis mittrainiert. Aber mir wurde relativ schnell klar, dass das nichts wird mit der Profikarriere. Dann sprach mich eine Agentur an, die junge Sportler an Colleges in die USA vermittelt. Ich hatte die Möglichkeit, dort mit einem Stipendium zu spielen. Das fand ich spannend.

Sie hatten zuvor eine kaufmännische Ausbildung absolviert.

Überwiegend habe ich Fußball gespielt. Ich dachte ja schon, dass ich irgendwie Fußballer werden könnte (lacht). Beim VfB Oldenburg hatte ich zwei coole Jahre und ich konnte vom Fußball leben. Das war nicht viel, aber es hat gereicht. Nach der Ausbildung war ein Studium naheliegend. Darum bin ich nach Dresden gegangen, habe bei Dynamo gespielt und Wirtschaftswissenschaften studiert.

Das US-Collegesystem ist voller Regulierungen.

Ja, und ich war kein einfacher Fall. Denn nach der Ausbildung war ich schon 22. In den USA ist es üblich, dass man nach der High School ein Gap-Year macht und dann studiert. Von da an hat man fünf Jahre Zeit, um im College-System Sport zu treiben. Es war nicht einfach, eine Spielberechtigung zu bekommen.

Alles zum Thema Steffen Baumgart

Dann meldete sich die Uni auf Hawaii.

Ja, die brauchten in letzter Minute noch einen Verteidiger und hatten ein Stipendium übrig. Also bin ich nach Hawaii geflogen, saß da dann auch erstmal rum, weil es auch da mit der Spielgenehmigung nicht einfach war.

Haben Sie denn als Athlet auch studiert?

Doch, schon. Das ist von Uni zu Uni verschieden, auf Hawaii war das nicht ganz so ernst. Aber es war eine großartige Erfahrung, ohne die ich heute nicht da wäre, wo ich bin. Auf Hawaii war alles anders, nicht nur die Pünktlichkeit. Ich war noch nie so weit von zu Hause weg. Es war ein Kulturschock. Am Ende habe ich drei Spiele gemacht. Dann riefen sie mich ins Büro, um mir zu sagen, dass ich keine Spielberechtigung für ein zweites Jahr bekommen würde. Damit war auch meine Aufenthaltserlaubnis weg. Erstmal musste ich zurück nach Deutschland.

Zurück in die Realität. Wie war das?

Ich habe Regionalliga gespielt und mein Studium beendet. Dann bot mir mein ehemaliger Collegetrainer eine Stelle an der Uni auf Hawaii an, sozusagen als Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Parallel habe ich mir ein bisschen Taschengeld als Co-Trainer verdient. Besser ging es nicht. Ich bin zwei Jahre geblieben und wollte eigentlich nie wieder weg. Bis mir eine Agentur in Florida an einer Akademie einen Job als Jugendtrainer angeboten hat.

1. FC Köln 1. FC Köln, Trainingsauftakt, Rene Wagner 1. FC Köln, 07.07.2025, Bild: *** Local Caption *** Ausschließlich redaktionelle Nutzung Editorial use only *** 1 FC Köln 1 FC Köln, Trainingsauftakt, Rene Wagner 1 FC Köln , 07 07 2025, Bild Local Caption Editorial use only Editorial use only

René Wagner bei der täglichen Arbeit

War das auf professionellem Niveau?

Es war auf jeden Fall okay bezahlt, das ist eine wohlhabende Ecke. Palm Beach Gardens, Jupiter – da lebt Tiger Woods, dessen Sohn bei mir in der Mannschaft spielte, das war ein bisschen verrückt. Der Sohn war gut, aber ich glaube, er spielt mittlerweile nur noch Golf. Im nächsten Schritt wollte ich als Cheftrainer an ein College gehen, was super gewesen wäre, weil das sichere Jobs sind. Auch ohne die ganzen Nebengeräusche des Profifußballs. Aber manchmal kommt es eben anders. Als Inter Miami gegründet wurde, lag deren Gelände auf meinem Heimweg von der Arbeit. Dabei habe ich den NLZ-Leiter kennengelernt, der mir irgendwann angeboten hat, dort Co-Trainer der U17 und der U19 zu werden.

Sie konnten nicht Nein sagen.

Ich wollte einfach im Fußball Fuß fassen. Ich bin morgens um 7 nach Miami zur Uni gefahren, habe dort meine Arbeit gemacht. Und um 15 Uhr haben wir trainiert. Das war alles top, Inter Miami hat mir das Gefühl gegeben, bei einem Profiklub zu sein. Ich habe schließlich Marcel Schäfer (Ex-Nationalspieler und heutiger Sportchef bei RB Leipzig, d. Red.) kennengelernt, der damals in Tampa spielte. Darüber kam der Kontakt zurück nach Deutschland. Ich hatte ein paar lose Anfragen in den USA. Aber die Bundesliga hat ihren Reiz.

Statt Hawaii und Florida ging es dann nach Ostwestfalen.

Über einen Kontakt kam ich zu einem Vorstellungsgespräch in Paderborn, da ging es um eine Stelle, die überhaupt keinen Sinn für mich gehabt hätte. Als Assistent der Geschäftsführung mit dem Schwerpunkt Finanzen. Fabian Wohlgemuth (damals Geschäftsführer beim SC Paderborn, heute Sportvorstand des VfB Stuttgart, d. Red.)hat mir dann die Chance gegeben, im Scouting und als Performance-Analyst zu arbeiten. Und so habe ich Steffen Baumgart näher kennengelernt. Steffen hat seinen Vertrag in Paderborn nicht verlängert, seine Co-Trainer wollten etwas Eigenes machen. Darum hat er mich gefragt, ob ich mitkommen würde, sollte er ein Angebot kriegen. Dann wurde es Köln, Bundesliga.

Woher haben Sie Ihr Fußballwissen?

Aus meiner Zeit als Spieler jedenfalls nicht (lacht). Mein Studium hat mir geholfen, strukturelles Denken und Arbeiten zu lernen, einen Plan zu machen. Dann habe ich mich unfassbar viel mit Leuten ausgetauscht. Und es gibt tausende Möglichkeiten, sich mit Fußball zu beschäftigen. Unter Steffen hatte ich viel Raum und durfte mich ausprobieren.

Haben Sie unter Lukas Kwasniok schon die Rollen verteilt?

Lukas sieht selbst wahnsinnig viel und macht viele Dinge selbst. Es kann aber auch mal Situationen geben, in denen der Trainer emotional angefasst ist und ein Reset braucht. Dann bin ich ein guter Gegenpart. Da ich nicht derjenige bin, der Emotionen in ein Team bringen muss, kann ich in Ruhe auf das Spiel schauen und meine Perspektive einbringen.

Was kann man im Spiel einbringen?

Man kann seine Positionsstruktur verändern, seine Anlaufstruktur. Der Trainer kann über Spielerprofile Veränderungen vornehmen. Manchmal kommt auch der Gegner mit einer Idee um die Ecke, die man erkennen und auf die man reagieren muss. Das ist vor 50.000 und bei der Lautstärke gar nicht so einfach, zu vermitteln. Darum arbeitet Lukas viel mit Videos und schafft darüber ein gemeinsames Verständnis, was genau er möchte.

Bayer Leverkusen vs. 1.FC Köln, 31. Spieltag, 20.30 Uhr, Mitte von links: Rene Wagner, Steffen Baumgart (1. FC Köln), 05.05.2023, Herbert Bucco

René Wagner mit Steffen Baumgart beim Auswärtsspiel in Leverkusen 2023.

Warum sind Sie von Steffen Baumgart weggegangen, um in Köln den gleichen Job zu machen?

Persönliche Weiterentwicklung muss ja nicht immer nach oben gehen. Ich habe meinen Vertrag aufgelöst, weil ich fünf Jahre in vier Vereinen mit demselben Chef gearbeitet habe. Nach fünf Jahren hat man alles besprochen und über alles mal gestritten. Ich verdanke Steffen meine Karriere bis dahin. Aber jetzt musste es für mich weitergehen. Darum bin ich in den Markt gegangen, habe mit Thomas Kessler gesprochen. Ich hatte auch ein Angebot aus der Premier League, was womöglich ein Ligen-Upgrade gewesen wäre, aber kein Rollen-Upgrade. Meine Frau ist Amerikanerin, Köln war die erste Stadt, in der sie in Europa gelebt hat. Die Entscheidung war leicht.

Ist der Eindruck richtig, dass Sie nicht als ewiger Co-Trainer nach Köln gekommen sind?

Zunächst einmal habe ich den Fußballlehrer gemacht, weil mir die Ausbildung wichtig war. Ich will immer dazu lernen. Aber ich muss jetzt nicht Cheftrainer werden, denn eines weiß ich: Ich habe keinen Namen, ich habe keine Spielerkarriere. Ich kriege genau eine Chance. Wenn also morgen ein Club anruft, von dem ich weiß, dass es da instabil ist und in den letzten zehn Jahren kein Trainer länger überlebt hat, muss ich da nicht unbedingt einen Job haben. Dazu es macht mir viel zu viel Spaß, Co-Trainer zu sein.

Sie spekulieren also noch nicht seit Tag eins auf den Job Ihres Chefs?

Mein Wunsch war es, mit einem neuen Trainer zu arbeiten und mit Lukas habe ich jemanden gefunden, von dem ich wieder wahnsinnig viel lernen kann. Das mag ich, weil es mir neue, andere Blickwinkel öffnet. Die Arbeit mit dem gesamten Team macht richtig viel Spaß und ich glaube, dass es eine richtig coole Zeit werden kann. Dafür bin ich sehr dankbar und darauf liegt gerade mein Fokus. Ich hatte jetzt unfassbar viel Bock auf Köln. Ich liebe den Verein, die Stadt und bin extrem froh, wieder hier zu sein.