Kampf um den KlassenerhaltDas sind die Kölner Mutmacher in der Misere

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Kölns Linksverteidiger Max Finkgräfe bedankt sich nach dem 1:1 des FC beim vfL Wolfsburg bei den mitgereisten Fans.

Unerschrocken: Der 19-jährige Max Finkgräfe hat sich vorerst hinten links festgespielt.

Der FC spielt bis dato die schlechteste Saison seiner Geschichte, doch er hat durchaus realistische Chancen auf die Rettung. Es gibt ein paar Hoffnungsschimmer.

Dem gesamten Umfeld des 1. FC Köln eilt landauf, landab bisweilen immer noch der Ruf voraus, nach bestimmten Ereignissen oder Ergebnissen schnell in Extreme zu verfallen. Zu schnell. Himmelhochjauchzend nach noch so kleinen Erfolgserlebnissen wie dem 1:1 am Samstag in Wolfsburg, zu Tode betrübt nach Misserfolgen, von denen es in dieser Saison zu viele gab. Doch es lässt sich konstatieren: Dies ist Folklore, ein Vorurteil. Es stimmt auch nicht – jedenfalls nicht mehr. Fans und Öffentlichkeit können überwiegend sehr wohl realistisch einschätzen, wie es um den 1. FC Köln steht. Misserfolg über viele Jahre erdet gewaltig.

Ende Januar 2024 steht es sportlich um den FC so: Die Kölner spielen bis dato die schlechteste Saison ihrer Vereinsgeschichte. Nach 19 Spieltagen stand der FC mit nur zwölf Punkten und 12:34-Toren noch nie schlechter da als aktuell. Sogar noch einen Tick schlechter als in der katastrophalen Abstiegssaison 2017/18. Damals hatte der FC nach 19 Spieltagen ebenfalls zwölf Zähler auf dem Konto, aber immerhin zwei Treffer mehr erzielt und einen weniger kassiert (14:33-Tore). Und dennoch haben die Kölner aktuell noch durchaus realistische Chancen auf den Klassenerhalt. Vor allem bessere als damals.

Es gibt auch ein paar Mutmacher für die Mannschaft des neuen Trainers Timo Schultz. Hoffnungsschimmer, dass die Saison vielleicht doch nicht mit dem siebten Abstieg der Vereinsgeschichte endet, der nicht nur wegen der Transfersperre fatale Folge hätten.

Die Tabellen-Konstellation und die Konkurrenten

Die Kölner haben jetzt Mainz überflügelt und belegen Platz 16. Der Rückstand auf den 15., Union Berlin, beträgt fünf Punkte, er könnte auf acht anwachsen, sollten die Köpenicker ihr Nachholspiel am 7. Februar in Mainz gewinnen. Doch vor sechs Jahren hatte der FC nach dem 19. Spieltag als Tabellenletzter bereits vier Punkte Rückstand auf Platz 16 (Bremen) und acht auf Mainz auf Rang 15. Das rettende Ufer war überhaupt erst wieder schemenhaft in Reichweite gekommen, weil den zuvor von allen abgeschriebenen Kölnern unter Trainer Stefan Ruthenbeck drei Siege in Folge gelangen (1:0 gegen Wolfsburg, 2:1 gegen Gladbach, 2:0 beim HSV). Es war eine Energieleistung und ein Lebenszeichen im Siechtum. Doch nach dem 32. Spieltag war der Abstieg auch faktisch besiegelt. Beträchtliche elf Punkte Rückstand hatten die Kölner am Ende auf den Relegationsplatz, 14 sogar auf Rang 15. Es war ein Abstieg mit Ansage und monatelangem Vorlauf.

Es ist keine kühne Prognose, dass der FC diese Saison nicht so weit abgeschlagen beenden wird. Zumindest Platz 16 scheint im Bereich des Möglichen. Und über den Umweg Relegation lässt sich ein Abstieg auch noch verhindern – Friedhelm Funkel gelang dies mit den Kölnern 2021. Dazu kommt: 2018 war die Konkurrenz besser als heute. Der HSV stieg mit 31 Zählern ab, Wolfsburg musste mit 33 in die Relegation. Es spricht einiges dafür, dass in dieser Saison nur rund 30 Zähler oder sogar weniger für den Klassenerhalt oder zumindest die Relegation reichen könnten. Diese Marke ist zwar ambitioniert für eine Mannschaft wie die der 12-Punkte-Kölner, es müssten also noch rund 18 Zähler aus nur noch 15 Partien her, doch unmöglich ist das nicht.

Zumal die Konkurrenz keine Angst einflößt. Schusslicht Darmstadt fehlt es trotz aller Widerspenstigkeit an Qualität, Mainz kommt auch unter Jan Siewert, dem Nachfolger von Bo Svensson, nicht vom Fleck. Und Union scheint trotz besserer Ergebnisse zuletzt nicht wirklich gefestigt. Im Gegenteil: Die Stimmung scheint explosiv. Der neue Trainer Nenad Bjelica, der Ende November das Erbe von Erfolgscoach Urs Fischer antrat, könnte nach seinem Ausraster und der Drei-Spiele-Sperre schon vor dem Aus stehen.

Der Fitness-Zustand und die kleinen Fortschritte

Selbst der größte Baumgart-Gegner muss konstatieren: Der Coach hat zwar keine selbstbewusste, aber auf jeden Fall eine fitte Mannschaft hinterlassen. Schultz kann darauf aufbauen. Der FC spult weiter die drittmeisten Kilometer in der Liga ab, und nur fünf Teams ziehen mehr Sprints an. Der FC schlägt weiter mit Abstand die meisten Flanken (265), das große Problem bleibt deren aberwitzige Streuung. Der FC scheut auch das Spiel mit dem Ball nicht, durchschnittlich 48 Prozent Ballbesitz sind für eine abstiegsgefährdete Elf ein ordentlicher Wert. Und was das Zweikampfverhalten angeht, liegen die Kölner weiter auf einem Platz, den sie gerne annehmen würden: Platz neun. Ergo: Die Mannschaft will und investiert, sie kann nur oft nicht mehr. Das ist wiederum eine Sache der Qualität — präziser: der fehlenden Klasse.

Ein kleiner Unterschied zum Ende der lange Zeit so erfolgreichen Ära Baumgart: Schultz hat es hinbekommen, dass das Team nach den desillusionierenden Darbietungen vor Weihnachten zuletzt wieder etwas stabiler und selbstbewusster wirkte und im spielerischen Bereich kleine Fortschritte macht.

Die neuen Optionen für Timo Schultz

Max Finkgräfe (19), Justin Diehl (19), selbst der zuvor als Flop titulierte Faride Alidou (22), dem in Wolfsburg sein erstes Bundesligator gelang: Es tauchen jetzt junge Spieler auf, die das Potenzial besitzen, Hoffnung zu verbreiten oder – wie Letzterer – einfach endlich die Kurve zu bekommen. Es entspricht aber nicht den Tatsachen, dass Baumgart diese Talente ignoriert hätte. Kölns Ex-Coach hatte Alidou Chancen gegeben, doch die hatte er nicht genutzt. Der FC besitzt für den von Frankfurt ausgeliehen Offensivspieler eine Kaufoption über rund vier Millionen Euro. Ob der Klub diese nun ziehen sollte oder nicht, ob Frankfurt von seiner Rückkauf-Klausel Gebrauch macht: Diese Fragen stellen sich noch nicht – Transfersperre hin oder her. Allen wäre erst einmal damit gedient, wenn Alidou sein Potenzial weiter abrufen könnte.

Bei Diehl ist es richtig, dass der unbelastete Schultz einen Neuanfang gemacht hat und dem technisch starken 19-Jährigen zumindest Chancen gibt – auch wenn dieser seine Zukunft mittlerweile bei einem anderen Klub sehen könnte, Interesse an ihm soll es mehrfach geben (unter anderem aus Stuttgart und Leipzig).

Und man sollte auch nicht vergessen, dass es Baumgart war, der im Sommer Finkgräfe mit einem individuellen Fitnessprogramm, dass der Linksverteidiger unter Athletiktrainer Leif Frach absolvierte, im körperlichen Bereich erst auf Bundesliga-Niveau hob. Es ist also alles nicht immer so simpel, wie es auf den ersten Blick vielleicht aussehen mag.

Die erwarteten Rückkehrer

Der FC sollte auf seine Talente setzen, doch für den Klassenerhalt bedarf es auch einer gewissen Routine. Und das führt zu einer weiteren FC-Hoffnungen im Angriff: Im März, spätestens Anfang April, werden mit Davie Selke, Mark Uth und Luca Waldschmidt drei erfahrene Offensivspieler nach Verletzungen zurückerwartet, die der Mannschaft ebenfalls helfen könnten. Dann in der entscheidenden Saisonphase, in der es für den FC hoffentlich noch um alles geht.

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