Cas-Urteil liegt vorWurde der 1. FC Köln auch Opfer der Fifa?

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Der Sitz des Internationalen Sportgerichtshofes in Lausanne

Der Sitz des Internationalen Sportgerichtshofes in Lausanne

Der Machtbereich der Fifa reicht weit – und könnte dem 1. FC Köln in der Verhandlung vor dem Cas in Lausanne zum Verhängnis geworden sein.

Die Rechtsabteilung des Fußball-Weltverbands Fifa hat in diesen Tagen ihren jährlichen Cas-Report veröffentlicht. Auf 108 Seiten werden dort die Verhandlungen vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) beleuchtet, in denen es im Jahr 2023 um Fußball ging.

Wie die Fifa im Vorwort zufrieden mitteilt, wurden ihre Entscheidungen in der Mehrzahl der Fälle teilweise oder vollständig bestätigt. Von den 79 im Jahr 2023 eingegangenen Schiedssprüchen bestätigten 64 die Fifa-Entscheidung, siebenmal wurde die Berufung erst gar nicht zugelassen. Nur achtmal wurde ein Urteil der Fifa aufgehoben.

Wenige Erfolge vor dem Cas: Hätte der 1. FC Köln es besser wissen können?

Die Broschüre vermittelt eine klare Botschaft: Wer sich angesichts eines Fifa-Urteils an den Internationalen Sportgerichtshof wendet, wird zu mehr als 90 Prozent nicht gewinnen. Das ist kein neuer Befund, und angesichts der Faktenlage im Fall Potocnik hätte der 1. FC Köln wissen können, in Lausanne einen aussichtslosen Kampf zu führen. Entsprechend deutlich wies der Cas den Einspruch aus Köln „in vollem Umfang zurück“, wie es in einer Mitteilung am 21. Dezember hieß.

Ungeachtet der Auffassung der Kölner zeigt die Tatsache, dass ihre Manager einen „Geist der Versöhnung“ an den Tag legten, indem sie Olimpija ein Vergleichsangebot machten, vor allem, dass sie sich der rechtlichen Schwächen ihres Falles bewusst waren.
Aus der Urteilsbegründung des Cas

Potocniks Vertrag in Ljubljana habe den Erfordernissen der Fifa genügt und sei von Potocniks Mutter rechtswirksam unterschrieben worden. Der späteren Kündigung habe die Grundlage gefehlt. Im Urteil betonten die Cas-Richter die Bedeutung der Vertragsstabilität und stellten fest, dass der Spieler keine besonderen Umstände nachgewiesen hatte, die eine Ausnahme rechtfertigten.

Der 1. FC Köln habe die Annahme nicht widerlegt, Potocnik zur Kündigung ermuntert zu haben. Als Hinweise auf eine Anstiftung nannten die Cas-Richter die Kontakte zwischen dem damals für den Kölner Kader verantwortlichen Jörg Jakobs und Potocniks Agent Goran Sukalo. Eine strenge Anwendung von Artikel 17 Absatz 4 des Fifa-Reglements sei gerechtfertigt.

Tatsächlich hatte es spätestens im Dezember 2021 Kontakte zwischen Sukalo und Jakobs gegeben, Jakobs war damals sportlicher Berater der Kölner Geschäftsführung, nachdem Horst Heldt im Mai 2021 von seinen Aufgaben entbunden worden war. Zwar versuchten die Kölner, Jakobs' Rolle herunterzuspielen. Doch hatte der Verein unter anderem in einer Pressemitteilung zu Heldts Ablösung mitgeteilt, Jakobs werde „die strategische Ausrichtung des sportlichen Bereichs und die Kaderplanung verantworten“. Das und zahlreiche weitere Veröffentlichungen hatten die Juristen der Fifa vorgelegt, teils zur Verwunderung der Kölner, die offenbar nicht mit derartigem Recherche-Eifer der Gegenseite gerechnet hatten.

Laut Urteil, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, hatten die FC-Vertreter in Lausanne vorgetragen, Potocnik habe allein wegen der Nicht-Einhaltung mündlicher Versprechen gekündigt und erst nach seiner Kündigung ein Vertragsangebot aus Köln erhalten. Die „wenigen vorausgegangenen Kontakte“ zum 1. FC Köln seien über einen „externen Berater“ gelaufen – gemeint war Jörg Jakobs.

FC versuchte eine Einigung mit Ljubljana in letzter Sekunde

Auch die zeitliche Abfolge sei kein Beleg für eine von längerer Hand geplante Aktion gewesen. Vielmehr habe man „alle Ressourcen in den Fall geworfen“, um rechtzeitig vor Schließung des Winter-Transferfensters einen Vertrag zu schließen. Doch der Cas glaubte nichts davon. Offenbar waren sich die Kölner am Ende doch noch der Untiefen der Sportgerichtsbarkeit bewusst geworden und hatten im letzten Moment versucht, mit Ljubljana einen Vergleich zu schließen.

So kam es im September 2023 zu mehreren Treffen am Münchner Flughafen, und eine Woche vor der Anhörung in Lausanne schien der Durchbruch geschafft: Während eines Gesprächs mit Olimpijas Eigner Adam Delius, hielt FC-Geschäftsführer Christian Keller handschriftlich die Eckdaten einer Einigung fest. 500 000 Euro sollte der 1. FC Köln zahlen, weitere 250 000 nach Potocniks zehntem Einsatz in der Profimannschaft. Außerdem verabredete man eine zehnprozentige Beteiligung an einem möglichen Weiterverkauf des Spielers. Ein guter Deal für beide Seiten, vor allem für die Kölner.

Christian Keller, Werner Wolf und Philipp Türoff stellten sich im Januar den Fragen der FC-Mitglieder.

Christian Keller, Werner Wolf und Philipp Türoff stellten sich im Januar den Fragen der FC-Mitglieder.

Wären die Heimflüge nach Köln nicht gebucht gewesen – die Kölner wären wohl dem Angebot der Ljubljana-Seite gefolgt und am Viktualienmarkt noch etwas trinken gegangen, um auf die Einigung anzustoßen. Doch dann ging alles schief.

Es gehört zum Wesen eines Vergleichs, die eigene Rechtsposition in Teilen zu verlassen und sich auf die der Gegenseite einzulassen. Im siebenseitigen Schriftsatz hieß es später, man sei nach tiefer Recherche zu neuen Erkenntnissen gekommen. Wegen des Eignerwechsels bei Olimpija seien damals nicht alle Absprachen weitergegeben worden. Nun aber sei klar: Potocnik hat aus gutem Grund gekündigt.

Fifa, Cas und 1. FC Köln: Fall Potocnik als „relevanteste Fälle des Jahres 2023“ gelistet

In einer Videokonferenz habe Delius dann jedoch völlig unversehens erklärt, er sei nicht bereit, die Unwahrheit zu sagen. Beraten wurde der Münchner Unternehmer an diesem Tag von Michele Bernasconi, einem der renommiertesten Sportanwälte der Welt. Bernasconi, der auch am Cas wirkt und dort zu jenen fünf Prozent der Richter zählt, die mehr als die Hälfte der Aufträge erhalten, ist im Fußball bestens vernetzt. Nach dem Verständnis der Kölner Beteiligten lag dem Schweizer viel daran, Olimpijas Boss die Einigung auszureden. Weil die Fifa unbedingt ein Exempel wollte?

Offenbar war es der Fifa ein Anliegen, auf Abschreckung zu setzen, das war später auch aus den Reihen der in Lausanne beteiligten Fifa-Juristen zu hören. Der FC war in eine Lage geraten, in der es nicht mehr ausschließlich um den Wechsel eines Teenagers ging. Es ging darum, die Fifa-Statuten zu stärken.

Der Jahresreport der Fifa mit den bemerkenswerten Quoten vor dem Cas bekräftigt diese Annahme. Immerhin hat es der 1. FC Köln dort zur namentlichen Erwähnung gebracht: Auf Seite 47 ist der Fall nüchtern zusammengefasst. Im Kapitel der „Relevantesten Fälle des Jahres 2023“.

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