FC-MitgliederstammtischVorstand und Geschäftsführung des 1. FC Köln in Bedrängnis

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Sportchef Christian Keller, Präsident Werner Wolf und Finanzboss Philipp Türoff auf dem Podium im Coloneum.

Sportchef Christian Keller, Präsident Werner Wolf und Finanzboss Philipp Türoff auf dem Podium im Coloneum.

800 FC-Fans kamen zum Mitgliederstammtisch des 1. FC Köln im Coloneum, fünfeinhalb Stunden dauerte der Austausch mit der Klubspitze. 

Der 1. FC Köln hat am Mittwochabend einen Mitgliederstammtisch abgehalten, der nach den Ereignissen der vergangenen Wochen eine außerordentliche Größe erreichte: Rund 800 Mitglieder kamen ins Coloneum in Ossendorf, um mit Vorstand, Geschäftsführung sowie Vertretern des Mitgliederrates zu besprechen, wie der 1. FC Köln in die aktuelle Lage hatte geraten können.

Die Trennung von Trainer Steffen Baumgart nach zweieinhalb Jahren sowie die anschließende Verpflichtung des Nachfolgers Timo Schultz nahmen den ersten Block des Abends ein, es folgte die Aussprache zum Urteil des Internationalen Sportgerichtshofes (Cas), das dem 1. FC Köln kurz vor Weihnachten eine Sperre für zwei Transferperioden eingebracht sowie den Verein international bloßgestellt hatte.

FC-Präsident Werner Wolf beginnt mit einer Bitte um Entschuldigung

Zum Abschluss sollte es um die sportliche Perspektive der Mannschaft gehen. „Es wird jede Frage beantwortet werden“, beteuerte TV-Journalist Jan Henkel, den der Verein verpflichtet hatte und der souverän durch einen zeitweise schwierig zu moderierenden Abend führte.

Zunächst nahm Werner Wolf die Stimmung rund um den Verein auf: „Ich stehe vor euch in einer extrem herausfordernden Situation für den Verein, für uns alle. Die Situation belastet mich extrem. Ich teile eure Sorgen“, sagte der Vereinspräsident: „Ich stehe hier, um Antworten zu geben. Wir haben es nicht geschafft, wichtige Dinge so zu kommunizieren, dass die richtigen Antworten bei euch ankommen. Das tut mir leid. Wir wollen es in Zukunft besser machen.“

Man räumte ein, dass die Verpflichtung von Jaka Potocnik „auf Fehlentscheidungen“ beruht habe. Man habe mittlerweile „umfassende Struktur- und Prozessveränderungen“ vorgenommen. Vergleichbare Fehleinschätzungen könne es heute nicht mehr geben, beteuerte die Klubspitze. Anders als damals gebe es heutzutage ein „Risikomanagement“.

Zwar nahm das Fifa-Urteil und die folgende Sperre durch den Internationalen Sportgerichtshof einen großen Teil der Debatte ein. Zunächst allerdings erläuterte Christian Keller die Umstände, die am 21. Dezember zur Trennung von Trainer Steffen Baumgart geführt hatten.

„Der Grund für die Freistellung war nicht, dass wir 17. sind, nur zehn Punkte haben und nur zehn Tore geschossen haben. Wenn man etwas schaffen will, muss man davon überzeugt sein, es schaffen zu können. Ich habe ihn gefragt, weil ich gemerkt habe, dass er hadert. Die Ansprache geändert hat, Aufstellungen, die Formation. Irgendwann hat Steffen gesagt, dass er nicht mehr überzeugt ist und sich auch nicht mehr sicher ist, ob er weitermachen will. Wenn er nicht mehr glaubt, der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, muss man reagieren“, beschrieb der Sportchef.

Steffen Baumgarts Vertrag mit dem 1. FC Köln ist aufgelöst, der Trainer ist frei für die nächste Aufgabe

Keller bestätigte, dass man den Vertrag mit Baumgart aufgelöst habe und der ehemalige FC-Trainer nun frei sei für einen neuen Job. Offenbar hatte sich Baumgart eine Klausel in seinen Vertrag verhandeln lassen, nach der er im Falle einer Trennung nur einen Teil seines Vertrags ausgezahlt bekam und im Gegenzug einem neuen Arbeitgeber sofort zur Verfügung stünde.

Werner Wolf machte deutlich, dass es seitens des Trainers keine Einwände gegen Kellers sportliche Planung gegeben habe. „Im Sommer hat Baumgart gesagt: Mit dem Kader will ich nach Europa“, berichtete Werner Wolf, was ein interessanter Einblick war in die Kommunikation zwischen Präsident und Trainer in der Saisonvorbereitung. Keller untermauerte das: „Der Cheftrainer ist ein wesentlicher Bestandteil des Scoutings. Steffen wusste, welchen Kader er hatte, er hat ihn mitgestaltet“, sagte der 45-Jährige und fügte an: „Steffen Baumgart war davon überzeugt, mit diesem Kader 50 Punkte holen zu können.“ 

Christian Keller, Werner Wolf und Philipp Türoff waren am Mittwochabend schwer gefordert und stellten sich den Fragen der FC-Mitglieder.

Christian Keller, Werner Wolf und Philipp Türoff (v.l.) waren am Mittwochabend schwer gefordert und stellten sich den Fragen der FC-Mitglieder.

Die Verpflichtung des nur bedingt Erstliga-erfahrenen Timo Schultz sei keineswegs ein Hinweis darauf, dass Keller den Abstieg in die Zweite Liga plane. Schultz sei „im Ergebnis des Auswahlverfahrens der beste Kandidat“ gewesen, sagte Keller. Finanziell böte ein Abstieg auch keine Möglichkeit, sich weiter zu sanieren. „Aus wirtschaftlichen Gründen will niemand absteigen. Trotzdem muss eine solche Organisation darauf vorbereitet sein. Sollte es passieren, würde der 1. FC Köln auch in der Zweiten Liga wieder auf die Beine kommen“, erklärte Finanzgeschäftsführer Philipp Türoff.

Die Debatte um das Cas-Urteil nahm einen entscheidenden Teil des Abends ein, was auch daran lag, dass die FC-Verantwortlichen Schwierigkeiten offenbarten, ihr Vorgehen in letzter Konsequenz offenzulegen und für konkrete Handlungen um Entschuldigung zu bitten. Man blieb eher grundsätzlich. „Mit dem Wissen um den Ausgang des Verfahrens muss man sagen, dass das ein Fehler war und wir die Entscheidung so nicht wieder treffen würden“, sagte Philipp Türoff zwar und war auch ansonsten bereit, Fragen zu beantworten.

Doch nicht mit allen Antworten waren die FC-Mitglieder zufrieden. Vor allem als es darum ging, Verantwortliche und deren Fehlverhalten zu benennen. Vor allem die Frage, wer und wann von Kölner Seite den Erstkontakt zu Potocnik aufgenommen habe, blieb im Vagen.

Wir arbeiten das auf und werden Sie darüber informieren, wenn es so weit ist. Wir evaluieren, was da vorher passiert ist
FC-Präsident Werner Wolf

Türoff unterschrieb im Januar 2022 zwar nach einem gemeinsamen Beschluss mit seinem damaligen Geschäftsführerkollegen Alexander Wehrle Potocniks Vertrag, da hatte er seinen Job gerade erst angetreten. Doch über die Genese ging er nicht ins Detail. „Ich war zwar frisch geschlüpft, aber schon da und habe auch alles angehört, was in dem Zusammenhang vorgetragen worden ist. Dass der Spieler talentiert ist, war beim FC bekannt. Es war aber nicht bekannt, dass er seinen Vertrag kündigen würde. Das war eine sehr kurzfristige Geschichte, in der wir unter großem Zeitdruck kurzfristig reagieren mussten.“

Über den Erstkontakt hatte es bereits in der Anhörung vor dem Cas Streit gegeben. Olimpija Ljubljana will bereits frühzeitig Wind davon bekommen haben, dass der 1. FC Köln sich für Potocnik interessierte, und die geringe Zeit, die zwischen der Kündigung des Spielers und der Vertragsunterschrift Tags darauf verging, deutet darauf hin. Doch Details gab es nicht. „Wir arbeiten das auf und werden Sie darüber informieren, wenn es so weit ist. Wir evaluieren, was da vorher passiert ist“, sagte Wolf, was zahlreichen Mitgliedern nicht genügte. Schließlich hat der 1. FC Köln mittlerweile monatelang durch zwei Instanzen prozessiert. Da wollte man belastbare Details hören.

Die Vizepräsidenten Eckhard Sauren (l.) und Carsten Wettich am Mittwochabend im Coloneum.

Die Vizepräsidenten Eckhard Sauren (l.) und Carsten Wettich am Mittwochabend im Coloneum.

Spannend waren die Details zur rechtlichen Einschätzung. Die Juristen hätten damals allenfalls eine Geldstrafe von bis zu 300.000 Euro für möglich gehalten, obgleich das einschlägige Fifa-Statut 17.4 im Wortlaut nur die Sperre für zwei Transferperioden vorsieht. Allerdings hatte die Fifa bereits vorher in ihrer Rechtsprechung gezeigt, dass sie durchaus bereit ist, gerade bei Ersttätern und solchen Klubs, die nicht systematisch Spieler zum Vertragsbruch anstiften, die Bestrafung zu reduzieren.

Nach allem, was auf dem Podium zur Risikoabwägung gesagt wurde, verfestigte sich der Eindruck, dass die Kölner beim Vertragsschluss durchaus wussten, dass sie gegen Verbandsrecht verstießen, als sie Potocnik verpflichteten. Man glaubte allerdings, die Strafe würde im erträglichen Maß bleiben. Ein Vorgehen, das zweifelhaft ist: Eine Geschäftsführung unterliegt der Legalitätspflicht. Bewusst gegen Regeln zu verstoßen, dürfte kaum als unternehmerisches Ermessen durchgehen. Das könnte noch ein Faktor werden, wenn es eines Tages darum geht, doch noch Verantwortliche zu benennen und Konsequenzen zu ziehen.

Fall Potocnik: Verantwortliche des 1. FC Köln erläutern Rolle von Jörg Jakobs

Detaillierter als erwartet ging es um einen Akteur, dessen Rolle in den vergangenen Monaten kaum noch thematisiert worden war: Jörg Jakobs, der nach Horst Heldts Entlassung seine sportliche Einschätzung abgab, als Potocnik verpflichtet wurde. Jakobs habe „aus seiner Zeit bei Alemannia Aachen einen guten Kontakt“ gehabt und sei „exzellent vernetzt“, erläuterte Türoff. Tatsächlich war Jakobs aus seiner Zeit in Aachen mit dem ehemaligen Alemannia-Profi Goran Sukalo bekannt, der Potocnik auf dessen Weg in den deutschen Fußball beriet.

Jakobs habe allerdings nicht im Auftrag des FC-Vorstands agiert, sondern sei „Berater der Geschäftsführung“ gewesen, wie Werner Wolf erklärte. Jakobs‘ Vertrag mit dem 1. FC Köln e.V. sei zu diesem Zeitpunkt ausgesetzt gewesen, erläuterte Vizepräsident Carsten Wettich.

Schon während der Anhörung beim Cas in Lausanne hatten die Kölner versucht, Jakobs‘ Rolle zu relativieren. Dabei hatte der FC in seiner Pressemitteilung vom 30. Mai 2021 die Rolle des langjährigen FC-Beraters genau definiert, als sie über die Trennung von Horst Heldt informierten. „Jörg Jakobs wird die strategische Ausrichtung des sportlichen Bereichs und die Kaderplanung verantworten“, hieß es da. Das klingt nach deutlich mehr als einer nur beratenden Tätigkeit.

Jörg Jakobs wird die strategische Ausrichtung des sportlichen Bereichs und die Kaderplanung verantworten
Aus der Pressemitteilung des 1. FC Köln am 30. Mai 2021

Zum Abschluss des Abends sprach Christian Keller zur Transferpolitik und stellte sich der Kritik. Man habe sich im Rahmen des Möglichen auf die Transfersperre vorbereitet und Spieler verliehen, die mit mehr Erfahrung zurückkehren werden. Außerdem habe man Spieler ausgeliehen, für die man Kaufoptionen vereinbart habe – auch für die Zweite Liga. Zu Rechtsverteidiger Rasmus Carstensen etwa erklärte Keller, es gebe eine „Wahrscheinlichkeit bei 100 Prozent, dass wir die Kaufoption ziehen“.

Klar sei auch, dass „alle Leistungsträger bleiben“ müssten, angesichts der Transfersperre sei er nicht bereit, wechselwilligen Spielern eine Freigabe zu erteilen. Nur zwei FC-Profis hätten im Fall des Abstiegs keinen Vertrag für die Zweite Liga – drei Spieler verfügten allerdings für den Fall des Abstiegs über Ausstiegsklauseln. Allerdings gehe es dann um viel Geld, erklärte Keller.

Zum Abschluss des Abends gab es viel Applaus der Mitglieder für das Podium sowie ausführlichen Dank der Klubspitze. „Wir haben uns alle möglichen Sorgen gemacht, was hier heute Abend passieren könnte“, sagte Werner Wolf noch – bevor die Saalregie zum Abschied die FC-Hymne einspielte. 

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