FC krönt HinrundeSteffen Baumgarts Werk und Anthony Modestes Beitrag

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Zwei, die sich verstehen: Trainer Steffen Baumgart (l.), Torjäger Anthony Modeste

Köln – Es ist nicht mal elf Monate her, da galt Anthony Modeste als das „teure Missverständnis“, war der „Torjäger der traurigen Gestalt“, der dann Anfang Februar 2021 auf Leihbasis zur AS St. Etienne, dem früheren Klub seines Vaters Guy, mehr oder weniger geflohen war. Aus Frust und Enttäuschung. Zahlreiche Verletzungen hatten ihn monatelang ausgebremst, und sein Verhältnis zum damaligen FC-Trainer Markus Gisdol, mit dem er einst schon in Hoffenheim nie warm geworden war, durfte man getrost als nicht intakt bezeichnen. Gisdol wurde sogar vorgeworfen, dass er den Helden von einst sogar „weggeekelt“ habe. Auch wenn das wohl eine Übertreibung ist, so gab der 1. FC Köln damals dennoch nicht nur sportlich, sondern auf vielen Ebenen ein fatales Bild ab.

Kurz vor Weihnachten 2021 ist beim Bundesligisten nicht alles besser geworden, aber sportlich – und das ist ja das Kerngeschäft – ungemein vieles. Und keiner verkörpert diesen Stimmungswandel so gut wie er: Anthony Modeste, der Stürmer. Und auch der Vater des Erfolgs ist schnell ausgemacht: Steffen Baumgart, der Trainer. Baumgarts Werk und Modestes Beitrag.

FC überwintert nur drei Zähler hinter Champions-League-Platz

Als das letzte Spiel des Jahres beendet und der 1:0-Heimsieg gegen den VfB Stuttgart eingefahren war, wurde die Stimmung im Rhein-Energie-Stadion heiter bis besinnlich. Es zeigte sich, wie laut 15.000 zugelassene Zuschauer doch sein können. Erst feierten diese den Sieg und Modeste, dann sangen sie in der abgedunkelten Arena leidenschaftlich die Hymne der Klüngelköpp mit. „Stääne“ heißt sie. Auch wenn die Kölner noch nicht nach den besungenen Sternen greifen, so überwintert der in der Vorsaison erst in der Relegation gerettete Traditionsklub nach der ersten Hinrunde unter Baumgart auf Rang acht – nur drei Zähler hinter einem Champions-League-Platz, aber eben satte acht vor den auf Rang 16 überwinternden Stuttgartern. Auch dank der Wiedergeburt von Modeste, der nach seinem späten Siegtreffer in der 88. Minute und erst recht nach dem Abpfiff ein Gefühlschaos durchlebt hatte.

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Der emotionale Franzose weinte erneut, diesmal hemmungslos. Sein Trainer hielt ihn im Arm, lang und innig. Es war ein besonderer Tag für den Angreifer. „Heute vor drei Jahren habe ich meinen Papa verloren“, sagte Modeste fast schluchzend, es sei ein „emotionaler“ Abend gewesen.

Und ein erfolgreicher dazu. Der mittlerweile 33-jährige Franzose hatte seinen elften Saisontreffer erzielt – erneut mit einem überragenden Kopfball. „Mit dem Fuß hat es heute irgendwie nicht funktioniert. Also habe ich gedacht: Ich mach es wieder mit dem Kopf“, sagte der Angreifer. Auf acht Kopfballtreffer kommt Modeste in der Hinrunde - ein Bundesliga-Rekord seit Beginn der Datenerhebung 2004.

„Unnachahmlich“, lobte Sportchef Jörg Jakobs den Franzosen. Als „Weltklasse“ bezeichnet Kapitän Jonas Hector die Leistungen seines Teamkollegen. Steffen Baumgart gab sich etwas differenzierter, nicht so überschwänglich. Der Coach übte sogar leichte Kritik am Matchwinner: „Ich fand ihn in der ersten Halbzeit nicht gut, das habe ich ihm auch gesagt“, sagte Baumgart, lobte dann aber auch: „Er macht wieder das, was ihn früher schon ausgezeichnet hat. Jeder wäre froh, so einen Stürmer zu haben. Tony macht, Tony tut. Aber er kann es auch nicht allein. Er krönt es nur momentan.“

Modeste: „Haben geilen Trainer"

Tatsächlich hat Baumgart in kurzer Zeit eine ganze Mannschaft umgekrempelt, die nahezu unverändert geblieben ist, aber gänzlich neu ausgerichtet wurde und fast immer auf Angriff spielt. „Wir spielen jetzt einen anderen Fußball“, sagte Baumgart, „und der funktioniert gut. Die Gegner haben mittlerweile Respekt vor uns.“ Modeste gab das Lob an den Trainer zurück. „Diese Saison ist verrückt“, sagte Modeste in der ARD: „Wir haben fast den gleichen Kader wie die letzten beiden Jahre, aber es hat sich alles geändert. Weil wir einen geilen Trainer haben.“

Dass sich beide sehr schätzen, wird nicht nur an Umarmungsszenen wie nach dem Stuttgart-Spiel deutlich. Modeste scheint das absolute Vertrauen des Trainers zu spüren. Und zahlt dies mit herausragenden Leistungen zurück. Er ist dazu imstande, weil er im Gegensatz zu der Zeit davor endlich fit ist und bereits im Sommer eine komplette Vorbereitung absolvieren konnte. Trainer und Spieler, so erzählte es der Stürmer nach dem Spiel, hatten zu Saisonbeginn ein intensives Vier-Augen-Gespräch. „Wir waren sehr ehrlich zueinander. Und das ist gut für mich“, sagte Modeste.

Gleichauf mit Podolski

Der ist nun mit einer Klub-Legende gleichgezogen: 55 Erstligatore hat Modeste nun auf dem Konto – wie Lukas Podolski. Wenn er fit bleibt und so weitermacht, dann wird der Franzose den Kölner Weltmeister in der Rückrunde überholen – dafür muss man wahrlich kein Prophet sein. „Jetzt können wir Weihnachten genießen“, sagte Modeste nach seinem Tor zum Fest und verschwand in der Kabine. Diesmal strahlte er über das ganze Gesicht. Und mit ihm die Fans des 1. FC Köln.

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