Neben Ex-Berater Jakobs klagt auch der frühere Vizepräsident Sieger den FC-Vorstand an. Team „Adenauer“ und Finanzchef Türoff äußern sich ebenfalls.
Machtwechsel am GeißbockheimDoppelter Rundumschlag vor FC-Wahl

Da war die Welt noch in Ordnung: FC-Vize Eckhard Sauren (v.l.), Präsident Werner Wolf und Jürgen Sieger nach ihrer Wahl am 8. September 2019. Nur 97 Tage später trat Sieger als Vizepräsident bereits zurück.
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Nach Wochen eines teilweise erbittert geführten Wahlkampfes entscheiden am Samstag die Mitglieder des 1. FC Köln über die Macht beim Bundesliga-Aufsteiger. Rund 8000 haben sich im Vorfeld für die mit Spannung erwartete Mitliederversammlung (allerdings unverbindlich) angemeldet, dieser Rekord-Besuch würde dokumentieren, dass es um viel geht.
Doch die Mitglieder werden im Rhein-Energie-Stadion Zeit und Geduld aufbringen müssen: Die Wahl des neuen Vorstands steht an Tagespunkt sieben von acht. Erst nach mehreren Stunden steht fest, wer den bis dato amtierenden Vorstand um Präsident Werner Wolf nach sechs Jahren im Amt ablösen wird. Bekanntlich kandidieren drei Teams, die sich seit Wochen in Stellung bringen: das vom Mitgliederrat vorgeschlagene Trio um Präsidentschaftskandidat Jörn Stobbe, das Team um Wilke Stroman und das um Sven-Georg Adenauer.
Hinter und vor den Kulissen wird mit harten Bandagen gekämpft. Kurz vor der Wahl schlagen zwei Interviews mit ehemaligen Verantwortlichen des Klubs besonders hohe Wellen, die über übliches „Wahlkampf-Geplänkel“ hinausgehen und zudem tief blicken lassen: das vom langjährigen Vorstandsberater Jörg Jakobs im „Kölner Stadt-Anzeiger“. Und das nahezu zeitgleich veröffentlichte im „Geissblog“ vom ehemaligen Vizepräsidenten Jürgen Sieger, der dem Vorstand um Wolf und Eckhard Sauren angehört hatte, der dann aber Ende 2019 nach nur 97 Tagen im Amt bereits zurücktrat. Carsten Wettich rückte im Januar 2020 für Sieger ins Präsidium, erst interimistisch, später dann gewählt. Mit Stroman und Tuga Tekkal kandidiert der 46-jährige Anwalt nun erneut. Was viele sehr kritisch sehen.
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Jakobs hatte im Gespräch mit dieser Zeitung mit dem scheidenden Vorstand und vor allem mit dem im Mai beurlaubten Sport-Geschäftsführer Christian Keller abgerechnet. „Ich wurde wiederholt durch Christian Keller systematisch beim Vorstand diskreditiert“, klagte Jakobs an, der nach der Blitz-Trennung von Horst Heldt von Mai 2021 bis April 2022 und damit unmittelbar vor der Amtsaufnahme von Keller Übergangs-Sportchef war. Seine beratende Funktion sei quasi ausgehebelt worden, seine Expertise nicht mehr gefragt gewesen. Der Vorstand, habe sich Keller regelrecht „ausgeliefert“.
Team „Adenauer“ schließt sich Kritik von Jörg Jakobs an
Auch die Strategie der Verantwortlichen beim Thema Fifa-Transfersperre/Cas-Urteil kritisierte Jakobs scharf, von dem sich der Vorstand im Februar 2024 als Konsequenz aus der Transfersperre getrennt hatte. Der 55-Jährige fühlte sich danach als „Bauernopfer“. Auch wegen der Personalie Wettich („Es überrascht mich doch sehr, dass er sich nochmal zur Wahl stellt“, „aus meiner Sicht spricht wenig für eine Fortführung des Amtes“) sprach Jakobs eine Wahlempfehlung für Team um Stobbe aus.
Auf das Votum der Mitglieder hofft auch das „Team Adenauer“. Es äußerte sich am Mittwoch in einem verbreiteten Statement zur harten Kritik des Ex-Beraters. „Die jüngsten Äußerungen von Dr. Jörg Jakobs machen einmal mehr deutlich, dass es beim 1. FC Köln in den vergangenen Jahren gravierende Defizite im Umgang miteinander gegeben hat. Wenn ein erfahrener Fachmann von ,systematischer Diskreditierung' spricht, zeigt das ein Klima, das mit den Werten unseres Vereins nicht vereinbar ist.“ Man trete zur Wahl an, um auch hier eine andere Kultur vorzuleben, „persönliche Angriffe oder Diskreditierungen“ dürften nie ein Mittel der Vereinsführung sein. Der FC könne es sich nicht leisten, erfahrene Experten zu verlieren, kleinzumachen oder durch interne Machtkämpfe auszubremsen, so das „Team Adenauer“.
Zu meiner Überraschung stellte sich heraus, dass wir als Vorstand doch recht unterschiedliche Auffassungen in der Sache, in der Art der Zusammenarbeit untereinander und mit den übrigen Gremien sowie im Arbeitsethos hatten.
Jakobs Abrechnung blieb allerdings nicht die einzige. Auch der einstige FC-Vizepräsident Jürgen Sieger meldete sich nach langem Schweigen unmittelbar vor dem Machtwechsel zu Wort und ließ am Vorstand kein gutes Haar. Sieger sprach erstmals über die Gründe, die zu seinem unerwartet schnellen Rücktritt geführt hatten und über seinen Bruch mit Werner Wolf und Eckhard Sauren: „Ich bin zurückgetreten, weil mir dies im Interesse des 1. FC Köln geboten erschien. Zu meiner Überraschung stellte sich nach der Wahl heraus, dass wir als Vorstand doch recht unterschiedliche Auffassungen in der Sache, in der Art der Zusammenarbeit untereinander und mit den übrigen Gremien sowie im Arbeitsethos hatten.“ Der Vorstand habe nach seinem Eindruck anfangs zwar für eine Politik der personellen Kontinuität stehen wollen, die dann aber überhaupt nicht so umgesetzt: „Tatsächlich aber wurden zahlreiche Geschäftsführer, Führungskräfte, Trainer und Mitarbeiter diverser Abteilungen ausgetauscht.“
Die Transfersperre war von einer derartigen Bedeutung, dass ich deshalb – unabhängig von Rechtsfragen – einen Rücktritt des Vorstandes erwartet hätte.
Sieger, der bis 2016 auch Aufsichtsratsvorsitzender beim FC war, sieht ebenfalls den Umgang der Vereinsspitze mit der Transfersperre kritisch und hätte danach sogar einen Rücktritt des Vorstands erwartet: „Nach meinem Eindruck hat man die enormen juristischen Risiken für den 1. FC Köln zu lange nicht gesehen. Die Transfersperre war von einer derartigen Bedeutung, dass ich deshalb – unabhängig von Rechtsfragen – einen Rücktritt des Vorstandes erwartet hätte.“
Am Samstag wird FC-Geschäftsführer Philipp Türoff den Mitgliedern erneut auch die Zahlen für das zurückliegende Geschäftsjahr präsentieren. Es dürften erfreuliche und Applaus wohl die Folge sein. Sieger kritisiert allerdings, dass der FC die aktuellen Zahlen nicht bereits vor der Mitgliederversammlung veröffentlicht hat, die Mitglieder hätten folglich keine „detaillierten Informationen“, ob sich die finanzielle Situation des FC tatsächlich verbessert habe.
FC-Geschäftsführer Türoff kann einige Kritik nicht nachvollziehen
Diese Kritik kann Türoff nicht nachvollziehen, wie er dieser Zeitung mitteilte: „Zahlen zum Jahresabschluss werden zur Mitgliederversammlung fertiggestellt und dort veröffentlicht. Die Zahlen der KGaA sind zum Zeitpunkt der Mitgliederversammlung, wie auch in vergangenen Jahren, noch vorläufig und vor dem Prüfungstestat. Gremien werden im Rahmen von Prognosen regelmäßig auch unterjährig informiert und kennen die positive wirtschaftliche Entwicklung nicht nur des letzten Berichtsjahres, sondern der letzten Jahre.“
Sieger sprach zudem davon, dass beim FC im Vergleich 2019 zu 2024 das Eigenkapital fast ein Drittel geringer, die Verbindlichkeiten aber rund zehn Prozent höher lägen, dies allerdings nicht nur mit der Corona-Krise, sondern auch mit der Arbeit des Klubs zu tun habe. „Finanziell hat der Vorstand aus meiner Sicht eine durchwachsene Bilanz“, befand der 72-Jährige. Türoff entgegnete, dass die Schlussfolgerung Siegers mit Blick auf 2019 zwar eine nachvollziehbare Beobachtung sei, Sieger dabei aber selbst auf die Pandemie verweise: „Ich würde jedoch ergänzen, dass man damals strukturell defizitär operiert hat, als man schon mit hohen Plandefiziten in die Saisons gegangen ist. Das wurde durch die aktuellen Vorstände verändert“, so Türoff.