Pro und ContraFaire Geste oder Inszenierung – sollten Fußball-Rivalen einander gratulieren?

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Während Bayer 04 mit Meistertrainer Xabi Alonso den Titel feiert, muss der 1. FC Köln um den Klassenerhalt bangen. Sind in dieser Lage Glückwünsche angemessen?

Während Bayer 04 mit Meistertrainer Xabi Alonso den Titel feiert, muss der 1. FC Köln um den Klassenerhalt bangen. Sind in dieser Lage Glückwünsche angemessen?

Nach einer starken Leverkusener Saison gibt es zum Titel auch Glückwünsche von Konkurrenten. Passt das mit Rivalitäten zusammen?

Als Bayer 04 Leverkusen erstmals in der Teamgeschichte die Deutsche Meisterschaft gewonnen hatte, ließen die Gratulationen anderer Vereine nicht lange auf sich warten: Vom FC Bayern über den HSV sogar bis zum Lokalrivalen 1. FC Köln, wenn auch nur versteckt, gab es Glückwünsche. Doch sollten sich Rivalen überhaupt öffentlich gratulieren? Zwei Meinungen im Pro und Contra.

Pro: Eine Sache des Anstands – und der Deeskalation

Große Sportler und Sportlerinnen zeichnen sich dadurch aus, dass sie auch in Momenten der Niederlage Größe zeigen. Statt zu verschwinden, wird häufig zuerst dem Gewinner gratuliert. Egal ob bei Olympischen Spielen, dem Super Bowl oder eben in der Bundesliga.

Nur weil Vereine traditionell Rivalen sind, bricht sich niemand wegen einer Gratulation einen Zacken aus der Krone. Die Rivalität gibt es nach wie vor – und ein paar Sätze der Anerkennung sollten auch trotz aller alltäglichen Feindseligkeiten drin sein. Das bedeutet ja nicht, dass beide Vereine auf einmal beste Freunde sind.

Viel wichtiger: Gratuliert selbst der Erzrivale 1. FC Köln dem neuen Meister Bayer Leverkusen, kann das auch deeskalierend wirken. In den Kommentarspalten der Meistermeldungen sammelten sich Minuten nach Abpfiff Hass und Häme, die niemals, aber vor allem in solchen Momenten, nicht sein müssen.

Wenn der eigene Verein dem vermeintlichen „Feind“ gratuliert, dann nimmt das den anonymen Hasskommentatoren auch ein Stück weit den Wind aus den Segeln. Dass einige FC-Fans trotzdem empört über die Glückwünsche nach Leverkusen waren, ist engstirnig. Zumal der 1. FC Köln gerade andere Probleme hat.

Der Sport lebt von Höhen und Tiefen. Dazu gehört, dass man einem Rivalen bei dessen Erfolg gratuliert, genau wie es andersherum der Fall sein sollte. Und dass bei Misserfolg von beiden Seiten nicht noch einmal nachgetreten wird.

Dass der 1. FC Köln nur in einem Kommentar gratuliert, ist immer noch anständiger als die Glückwünsche des FC Bayern München. Der Rekordmeister gratulierte Bayer Leverkusen zwar zum Titel – aber nicht ohne voranzustellen, dass man selbst die vergangenen elf Titel in Serie eingefahren hatte.

Sebastian Hahn, Redakteur Newsteam

Contra: Plötzlich Friede-Freude-Eierkuchen? Überflüssig!

Was für ein wunderschöner Fußball, den die Werkself spielt! Endlich ein anderer Meister nach der Bayern-Dominanz – das gefällt mir als Dortmunder natürlich auch. Und trotzdem werde ich nicht in Jubel ausbrechen. Stattdessen schaue ich kopfschüttelnd auf den Social-Media-Ringelpiez, den die anderen Vereine mit dem Bayer-Team veranstalten.

Offizielle Glückwünsche über vereinseigene Kanäle zu verbreiten, das hat für mich immer etwas von Anbiedern, von inszeniertem Kuschelkurs. Ich gönne wirklich jedem Leverkusen-Fan die erste Meisterschaft, Stadion-Party und Autokorso, aber müssen die anderen Teams in diesen Jubel einsteigen?

Über Monate peitschen Fans ihren Verein voran, schwören ihm ewige Liebe und Treue und dass es nur diesen einen für sie gibt. Wenn die Vereine aber dann plötzlich alles im großen Gratulations-Reigen verschmelzen lassen, wo bleiben da Wettstreit und Rivalität? Ich jubele ja auch nicht, wenn die Bayern in der Champions League weit kommen.

„Gratulieren gehört doch zum fairen Wettstreit dazu“, höre ich Sie schon sagen. Ja, aber in Maßen. Zum fairen Wettstreit gehört für mich auch, dass man sich Woche für Woche sportlich fair und mit Ehrgeiz begegnet, dem Gegner auf dem Platz Tribut zollt und sich auch Rivalitäten bewusst ist. Wenn am Ende aber Glückwunsch-Wischiwaschi steht, sind die Wochen zuvor für mich wenig wert.

Das Konzern-gestützte Leverkusen hat eine fantastische Saison gespielt, aber das wissen alle – auch ohne Glückwunsch-Post. Der Sport lebt für Fans von Wettstreit, Rivalität und Emotionen, das sollten sich auch die Vereine bewusst machen. Ich werde jedenfalls im Stadion rufen: „Nur der BVB!“. Naja, und ein bisschen FC vielleicht.

Martin Böhmer, Redakteur Newsteam

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