Jungstar Florian Wirtz„Habe meinen Schritt vom FC zu Bayer nicht bereut"

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Florian Wirtz beim Training in Zell am See

Zell am See/Kaprun – Entspannt sitzt Florian Wirtz in der Lobby des Teamhotels in Kaprun und spricht über seine Erwartungen an die Zukunft. Er hat das noch nicht oft getan, denn Bayer 04 Leverkusen hat sein Juwel seit dem Wechsel vom 1. FC Köln im Januar 2020 medial unter Verschluss gehalten. Aber wer ein großer Fußballer werden will, der muss halt die eine oder andere Frage beantworten. Wirtz fällt das nicht schwer, denn seine Erwartungen an die Zukunft sind klar umrissen: Ein großer Fußballer werden.

Dass er sich seit Mai U-21-Europameister nennen darf, ist  nur ein kleiner Zwischenschritt. „Natürlich gibt einem der EM-Titel Selbstvertrauen“, sagt er am letzten Tag des Bayer-04-Trainingslagers im Salzburger Land, „aber das ist nichts, weshalb ich hier die Nase oben haben muss. Ich glaube, da gibt es noch größere Titel, die man erreichen kann.“ Florian Wirtz scheut sich nicht, sie auch zu benennen: „Ich will Titel mit der A-Nationalmannschaft gewinnen.“ Da die Nationalmannschaft nicht bei Bundesjugendspielen antritt, auch nicht in Liga-Serien oder im Europapokal, gibt es dafür nur einen Weg: Weltmeister werden oder Europameister.

Titel mit Deutschland gewinnen

Trainer Gerardo Seoane arbeitet seit knapp drei Wochen täglich mit Florian Wirtz. Ihn hat besonders die Energie und Kraft beeindruckt, die der 18-Jährige im permanenten Vergleich mit den gestandenen Profis auf dem Trainingsplatz entfaltet. „Seine physischen Fortschritte in den letzten sechs Monaten sind enorm“, sagt der Schweizer über Wirtz, der das neue Fußball-Konzept bei Bayer 04 gut findet. „Mit dem neuen Trainer haben wir einen anderen Typ Trainer als vorher. Das Training ist sehr anspruchsvoll, aber alle Spieler freuen sich darüber, wie er es gestaltet“, sagt Wirtz über Seoane, „er erwartet halt von mir, dass ich vorangehe, meine Leistung bringe und andere Spieler mitziehe. Ich glaube, das wird eine gute Saison.“

Es liegt eine unbeschwerte Selbstverständlichkeit darin, wie der 18-Jährige aus Pulheim-Brauweiler über seine dominante Rolle in einem Team von gestandenen Top-Profis spricht. „Ich habe nicht jeden Tag in meinem Kopf, dass ich so jung bin“, erklärt er, „durch meine letzte Saison bin ich gut in eine Führungsrolle reingekommen. Ich verstehe mich mit den Jungs sehr gut, deshalb nehmen die auch gern an, was ich ihnen mit auf den Weg gebe. Andererseits bin ich noch jung und kriege viele Tipps von den anderen. Ich kann vorangehen, aber ich weiß auch, dass ich nicht der Kapitän der Mannschaft bin.“ Dennoch kam die Aufforderung, sportlich Verantwortung zu übernehmen, für ihn nicht aus heiterem Himmel. „Es hat mich eigentlich nicht überrascht, dass der Trainer mit Führungsaufgaben anvertraut“, sagt Florian Wirtz, „es war von mir aus sowieso mein Ziel, dass ich vorangehe.“

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Seit seinem spektakulären Wechsel von Köln nach Leverkusen, der den FC im Januar 2020 schwer erschüttert hat, hat sich Wirtz in Rekordzeit von einem Talent zu einem europäischen Jung-Star entwickelt, dessen Marktwert jetzt schon bei 50 Millionen Euro liegt und täglich weiter steigen wird. Mit seiner Vertragsunterschrift bis 2026 machte er die Leverkusener ziemlich glücklich. Er denkt aber nur an die unmittelbar vor ihm liegenden Herausforderungen. In jedem Spiel seinem Maximum nahe zu kommen, wenige Spiele fernab der Top-Form zu haben, für die A-Nationalmannschaft berufen zu werden, das seien seine Ziele, erklärt er. „Und ich will mehr Tore machen und mehr Vorlagen geben. Daran kann man die Leistung am einfachsten messen.“

„Jetzt liegt alles in meiner Hand"

Inzwischen, so glaubt Wirtz, ist in seiner Karriere ein Punkt der Selbstbestimmung erreicht, den es zuvor noch nicht gab: „Ich habe bei Bayer 04 die Möglichkeit gesehen, den ersten Schritt als Profi zu machen. Aber ich glaube, jetzt liegt es nicht mehr am Trainer oder an irgendwem, jetzt liegt alles in meiner Hand, meine Ziele zu erreichen.“

Seine schwerste Herausforderung hatte der jüngste Torschütze der Leverkusener Klubgeschichte neben dem Platz zu bestehen. Er hat im Frühjahr im Pulheimer Abtei-Gymnasium das Abitur gemacht, neben dem Liga-Alltag eines Vollprofis. „Das war für mich ein sehr anstrengender Job, eine andere Belastung als im Fußball. Das ist eine ganz andere Anstrengung als Fußball zu spielen, insgesamt war es ein sehr hartes Jahr, aber ich bin froh, dass ich es am Ende geschafft habe.“

Das Kapitel 1. FC Köln, für den er immerhin von 2010 bis 2020 spielte, ist für Florian Wirtz endgültig abgeschlossen. Berührungsängste mit der großen Stadt hat der Junge aus Brauweiler nicht entwickelt. „Ich gehe immer noch gern nach Köln und habe noch Kontakt zu alten Mitspielern, auch zu welchen aus der ersten Mannschaft des FC. Manchmal ist es nur schade, wenn ich in Köln bin, dass ich irgendetwas zugerufen bekomme. Es ist jetzt nicht wirklich schlimm, ich werde nicht wirklich beleidigt. Ich verstehe das auch ein bisschen. Ich habe meinen Schritt nicht bereut, deshalb ist auch alles gut.“

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