Am 28. Oktober werden in Köln zehn Trainer-Persönlichkeiten für ihre Leistungen gewürdigt – sie stehen auch für den Einsatz unzähliger Ehrenamtler.
DOSB-„Hall of Fame“ in KölnOhne Tränen, Druck und dumme Sprüche – was gute Trainer heute ausmacht

Jugendsport ist wichtig wie nie – gute Trainerinnen und Trainer arbeiten heute anders als noch vor Jahrzehnten.
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564.000 Menschen - das ist eine stolze Zahl. In Einwohnern ergäbe das eine Stadt von der Größe Dresdens, in Fußballstadien eine elfmal ausverkaufte Rhein-Energie-Arena. Sie entspricht auch in etwa der Zahl aller ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Und sie gibt ziemlich exakt den Personenkreis mit einer offiziellen Lizenz zum Trainieren an.
Das ist die Auskunft des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Der muss es wissen. Schätzungen gehen davon aus, dass weitere gut 400.000 Menschen ohne abgelegte Prüfung in Vereinen und im Breitensport anleitend tätig sind. Die Gruppe aller Trainerinnen und Trainer im weitesten Sinn wird seit längerer Zeit auf etwa eine Million Menschen geschätzt. Ohne sie wäre diese Gesellschaft nicht dieselbe. Und ganz sicher keine bessere.
Zehn Trainerinnen und Trainer werden in Köln geehrt
Ich empfand es deshalb als große Ehre, dass mich die Leitung der Trainerakademie Köln, seit mehr als 50 Jahren oberste Lehranstalt ihrer Art unter dem Dach des DOSB, gefragt hat, ob ich Teil der Jury für die Auswahl der Kandidaten für eine Ruhmeshalle sein wollte: einer „Hall of Fame“ für Trainerinnen und Trainer des olympischen Sports in Deutschland. Am 28. Oktober werden die ersten zehn Ausgewählten im Kölner Sport- und Olympiamuseum vorgestellt.
Angesichts aktueller Ereignisse wäre es einfach, zu zweifeln. Stehen Trainer und Trainerinnen nicht in beachtlicher Zahl unter Verdacht, Kinder, Jugendliche und Schutzbefohlene physisch und psychisch missbraucht, sie für eigenen Ruhm manipuliert und ausgenutzt zu haben? Und haben wir bei all den Ruhmeshallen, in denen sich Sportarten, Verbände und Organisationen selbst die Kränze flechten und umhängen, einen weiteren Altar der Eitelkeit nötig?
Viele Ehrenamtliche sind im Jugendsport aktiv
Meine Meinung als Experte, der mehr als vier Jahrzehnte lang beruflich einer großen Zahl von Trainern und Trainerinnen begegnet ist, nachdem er als junger Sportler Dutzende Trainer in einem Abhängigkeitsverhältnis kennengelernt hatte, ist eindeutig: Ja, eine solche Ehrung braucht es. Als Anerkennung für die Hunderttausenden Menschen, die ihre Freizeit, ihre Energie und ihr Wissen dafür hergeben, in bester Absicht und mit klarer Haltung vor allem jungen Menschen Formen der sportlichen Betätigung beizubringen, von denen diese für ihr weiteres Leben profitieren können.
Der Wert des Sports - medizinisch wie sozial - steht nicht infrage. Wer Sport treibt, hat gute Aussichten, länger und glücklicher und vor allem außerhalb der digitalen Welt zu leben. Dass der Sport politisch durch unsere Schulsysteme so gering geschätzt wird, macht die Arbeit in den Vereinen und Sport-Organisationen umso wichtiger. Sie tragen die Last der Verantwortung, aus der sich unser Staat durch Kurzsichtigkeit, Ignoranz und falsches Lehrverständnis davongestohlen hat.
Gemeinsames Duschen und dumme Trainer-Sprüche waren normal
Allen sollte jedoch bewusst sein, dass vor allem der Hochleistungssport mit ernsten Herausforderungen und Problemen zu kämpfen hat, die vermutlich so alt sind wie die Sache selbst. Als ich um 1970 damit begann, in Vereinen regelmäßig Sport zu treiben, wurden Dinge toleriert, die heute nicht mehr denkbar sein dürfen. Eltern haben ihre Kinder in der Regel bedenkenlos Übungsleitern anvertraut, ohne nachzufragen, was da mit ihnen genau geschieht.
So war es in unserem Fußballverein sozusagen Pflicht, dass die Jungs im Alter von zehn bis 15 Jahren – solange spielte ich da – nach dem Training gemeinsam nackt duschten. Wer sich dem entziehen wollte, wurde zur Zielscheibe von Spott und Häme. Nicht sehr angenehm für einen Jungen, der mitansehen musste, in welchem Stadium der Pubertät er sich befand und in welchem die anderen. Dass der Trainer gelegentlich dazukam, nackt mit duschte und fröhlich kommentierte, was er sah, war noch unangenehmer. Als Junge dieser Zeit war ich dieses Gefühl gewohnt und einfach heilfroh, wenn es vorbei war. Kein Grund, so etwas zu Hause zu erzählen. Man wäre nur ausgelacht worden.
Hartes Training, Druck und Tränen
In der Leichtathletik, meiner großen Liebe, war es kaum besser. Auch nicht bei diesem großen Verein mit glorreicher Vergangenheit, für den ich startete. Das Training war so hart wie die Hierarchie. Du warst bei vielen Trainern genau so viel wert wie deine Bestleistung. Es konnte passieren, dass während eines Trainingslagers im Ausland eines Morgens die kaum 18 Jahre alte Diskuswerferin weinend aus dem Zimmer des 40-jährigen Trainers kam. Und niemand war da, dem wir das hätten erzählen können.
Doch es gab auch die anderen Trainer, die immer einen guten Plan und Respekt für jeden hatten. Die es nicht für ihr Ego, sondern für den Sport taten. Und für uns. Die jungen Menschen niemals böse Pillen für falsche Siege in die Hand gedrückt hätten und die auch nach einem letzten Platz im Vorlauf Trost spendeten. Ich habe diese anderen geliebt. Auch ihretwegen sind viele der glücklichen Momente meiner Kindheit und Jugend mit dem Sport verknüpft.
Schlechte Trainerinnen und Trainer müssen sanktioniert werden
Ich bin der festen Überzeugung, dass jetzt, in diesem Moment, die allermeisten Lehrkräfte des deutschen Sports zu den Guten gehören, denn was, außer Idealismus und Freude an Spiel und Bewegung, sollte sie antreiben? Geld ist es nicht. In allen Disziplinen außer dem bizarr privilegierten Männerfußball kann von angemessener Bezahlung keine Rede sein. Selbst hocherfolgreiche Trainerinnen und Trainer, deren Arbeit diesem Land den Stolz von Olympiasiegen und Weltmeisterschaften beschert hat, verdienen viel, viel weniger als normale Führungskräfte in der freien Wirtschaft.
Gleichzeitig stehen sie, weil der Spitzensport in seinem Erfolgshunger zu systemischem Versagen beim Erkennen von Übergriffen und bei ihrer Aufarbeitung neigt, unter einer Art Generalverdacht. Es ist die Aufgabe der Verbände und Vereine, hier besser zu werden, genauer hinzuschauen und Fehlverhalten gerechter zu sanktionieren, um ihre guten Trainerinnen und Trainer von diesem Schatten zu befreien.
Alle Erstberufenen in die neue Hall of Fame haben außergewöhnliche Erfolge mit ihren Athleten und Mannschaften errungen oder in der Trainerdidaktik herausragende Leistungen erbracht, und sie stehen für Haltung, Respekt und Anstand. Aber ohne die Basisarbeit der vielen Unbekannten, die aus Kindern Top-Talente gemacht haben, die unter prominenter Anleitung Weltklasse werden konnten, wären auch jeder und jede von ihnen als Trainer und Trainerin ein Niemand geblieben. Deshalb trifft die Ehrung in der Kölner Ruhmeshalle nur scheinbar zehn Personen. In Wahrheit sind es 564.000.

