Schmähung Dietmar HoppsWie der Fan-Protest so eskalieren konnte

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Zeichen der Solidarität: Karl-Heinz Rummenigge und Spieler des FC Bayern mit Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp

Zeichen der Solidarität: Karl-Heinz Rummenigge und Spieler des FC Bayern mit Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp

  • An diesem Wochenende wurden vier Bundesligaspiele wegen Schmähungen gestoppt.
  • Seit Jahren ist Dietmar Hopp, Hoffenheims Mäzen, eine Reizfigur. Nun entlud sich erneut in drastischer Form der Ärger der Ultras.
  • Doch auch der DFB hat in seiner Wertung Fehler gemacht. Eine Analyse der Eskalation.

Köln – Am Samstagabend richteten sich die Blicke vieler Zuschauer während des Kölner Heimspiels gegen Schalke 04 immer wieder sorgenvoll gen Süden, wo die Tribüne steht, auf der die Mitglieder der so genannten Aktiven Fanszene ihre Heimat haben. Eine Ahnung hing in der Luft, seit am Nachmittag Anhänger des FC Bayern während des Spiels in Hoffenheim Banner gezeigt hatten, auf denen sie Dietmar Hopp beleidigt hatten, den Mäzen der TSG Hoffenheim. Schiedsrichter Dingert hatte beide Mannschaften daraufhin in die Kabine geschickt, vor der Kurve hatten anschließend Münchner Profis versucht, auf die eigenen Fans einzuwirken. Nach fast 20-minütiger Pause waren die Teams auf den Rasen zurückgekehrt, doch Fußball gespielt hatten sie nicht mehr und sich stattdessen nur noch den Ball hin- und hergeschoben.

Kollektivstrafen sind auch juristisch ein Problem

In der vergangenen Woche hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) entschieden, dass Fans von Borussia Dortmund für die nächsten zwei Spiele von Reisen nach Hoffenheim ausgeschlossen sind. Die Fans sehen darin eine Kollektivstrafe, die juristisch tatsächlich problematisch ist. Doch geht es außerdem darum, dass der DFB angekündigt hatte, auf Kollektivstrafen grundsätzlich verzichten zu wollen. Wegen der Dortmunder Beleidigungen gegen Hopp war man allerdings davon abgerückt. Das war der Anlass zum Protest, der am Wochenende die verschiedensten Fanszenen einte.

In Köln schien es zunächst, als schließe man sich dem Protest nicht an. Die Fans entrollten ein Banner, auf dem sie die am Dienstag verstorbene „Motto-Queen“ des kölschen Karnevals, Marie-Luise Nikuta, ehrten. Später kritisierten sie, dass der Anwalt Ralf Höcker Gast auf der Karnevalssitzung des Vereins gewesen war. Dann aber präsentierten sie ein Spruchband, das Schiedsrichter Manuel Gräfe dazu brachte, den Anpfiff zur zweiten Halbzeit auszusetzen: „Wegen einem Hurensohn euer Versprechen gebrochen – gegen Kollektivstrafen“, stand da zu lesen. Gemeint war Dietmar Hopp, obwohl er nicht der erste Protagonist der Bundesliga ist, der auf diese Weise beleidigt wird. Timo Werner kann das bestätigen.

Schon jahrelange Auseinandersetzung zwischen Hopp und Fans

Hopp ist seit Jahren Ziel der Kritik vieler Fangruppen, auch Kölner haben bereits Strafen wegen beleidigender Banner zahlen müssen. Der 79 Jahre alte Milliardär und Mitbegründer des SAP-Konzerns hat aus einem Dorfverein mit seinem Privatvermögen einen Bundesligisten gemacht (siehe Artikel unten). Manchen gilt er deshalb als Symbolfigur der Kommerzialisierung.

Allerdings ging es am Samstag nicht gegen Hopp, sondern gegen das Urteil des DFB – doch auch dafür dient Dietmar Hopp mittlerweile als Chiffre. Die Münchner Szene teilte das am Samstagabend mit: „Wir haben heute in einem Spruchband das Wort »Hurensohn« verwendet. Das ist normalerweise nicht unser Sprachgebrauch“, hieß es da. Die Fans stellten es als Mittel zum Zweck dar: „Es gab für uns hierzu keine Alternative, da nur so das Thema die nötige Aufmerksamkeit erhält“.

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Womöglich sind die Schmähungen tatsächlich nicht persönlich gemeint, so schizophren das klingen mag. Hopps Vater war SA-Truppführer in Hoffenheim, unter seinem Kommando zerstörten im November 1938 die örtlichen Nazis die Hoffenheimer Synagoge. Es wäre einfach, Hopp als „Nazisohn“ zu schmähen. Doch wäre das eine Ebene, auf der man der Person Hopp gar nicht begegnen will. Hopp ist ein Philanthrop, niemand hat etwas gegen einen Mann, dessen soziales Engagement weit größer ist als das im Fußball. Hopp ist ein Symbol, und der Protest ist wirkmächtig.

Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef des FC Bayern, sprach hinterher davon, er habe in das „hässliche Gesicht des Fußballs“ gesehen. Selbstverständlich übertrieb Rummenigge, die beleidigenden Transparente waren keine neue Eskalationsstufe, der Fußball hat schon schlimmere Dinge gesehen.

Neu ist die Härte, mit der nun sanktioniert werden soll. Der Dreistufenplan sieht vor, die Zuschauer zunächst per Lautsprecherdurchsage aufzufordern, ihre Beleidigungen einzustellen. Im zweiten Schritt schickt der Schiedsrichter die Mannschaften in die Kabinen, bevor er im dritten Schritt das Spiel abbricht. Mehrere Partien standen am Wochenende vor dem Abbruch, womöglich war das nur der Anfang. Am kommenden Samstag spielt Hoffenheim auf Schalke.

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