Kölner Athletinnen und Athleten sind Weltklasse im Schachboxen. Um was für einen Sport handelt es sich?
Großer Erfolg in kurioser SportartKölner Schachboxer feiern sechsfachen WM-Triumph
Auf den ersten Blick stehen die beiden Sportarten in einem krassen Gegensatz zueinander. Auf der einen Seite Schach, das „Spiel der Könige“, der rund 1500 Jahre alte und wohl berühmteste Wettstreit des Intellekts. Daneben das Boxen, die Urform des menschlichen Zweikampfs. Wo das Ziel der Kopf des Gegners ist – beim Schach das wichtigste Werkzeug des Spiels. Wahrscheinlich ist es genau dieser Gegensatz, der das Schachboxen, die Kombination beider Disziplinen, für Athleten wie Denno Probst so attraktiv macht.
Unter Anleitung des 37-Jährigen haben vom 28. Oktober bis 2. November sechs Kölner Sportler von „Chessboxing Cologne“ Goldmedaillen bei den Weltmeisterschaften im italienischen Riccione erkämpft und damit fast ein Viertel der zu vergebenen Titel geholt. Teilgenommen hatten 120 Kämpferinnen und Kämpfer verschiedenster Gewichtsklassen aus 16 Nationen und fünf Kontinenten.
Zuerst wird Schach gespielt, dann wird geboxt
Die Regeln des kuriosen Sports sind einfach: Los geht es mit drei Minuten Schach, ehe der Tisch aus dem Ring geräumt und die Boxhandschuhe angezogen werden. Es folgen drei Minuten Faustkampf. So geht es maximal elf Runden lang im Wechsel weiter – bis Schachmatt oder K.o. über den Sieg entscheiden. Je nachdem, ob König oder Kämpfer zuerst fällt.
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Probst ist muskelbepackt, 1,84 Meter groß und 92 Kilo schwer, hat eine Glatze und einen Vollbart. Er selbst hätte sicher auch gute Aussichten auf einen WM-Titel gehabt, doch er leitet lieber das Training und setzt sich als Mitglied des Weltverbandes für die Zukunft seines Nischensports ein.
Probst kommt, völlig unzweifelhaft, vom Boxen. Dazu ist er Marathonläufer, ein Vollblutsportler und eine beeindruckende Erscheinung. Doch auch das Schachspielen hatte es ihm angetan. Nach der Corona-Pandemie, die Probst in Thailand aussaß, kehrte er 2021 nach Köln zurück und traf sich regelmäßig mit Gleichgesinnten im Grüngürtel – zum Schachspielen und Open-Air-Boxtraining.
Schachboxen wurde 2003 vom Niederländer Iepe Rubingh ins Leben gerufen
Durch Zufall wurde der Tross darauf aufmerksam, dass es die Kombination beider Sportarten bereits gab. „Bis dahin hatte ich noch nie davon gehört“, sagt Probst. Der niederländische Aktionskünstler Iepe Rubingh hatte das Schachboxen 2003 auf Basis eines dystopischen französischen Comics ins Leben gerufen – und wurde gleich erster Weltmeister seiner neuen Disziplin, ehe er 2020 im Alter von nur 45 Jahren in Berlin starb.
Doch sein Erbe verbreitete sich über Berlin nach Amsterdam, Paris und in die ganze Welt. Über „Chessboxing Cologne“ kehrte das Schachboxen nach Köln zurück, nachdem bereits 2008 im Gloria ein offizieller Kampfabend stattgefunden hatte. 2021/22 schmiedeten Probst und seine Gleichgesinnten den Plan, an Weltmeisterschaften teilzunehmen.
Ihr „Chessboxing Cologne“ ist kein Sportverein, „nur ein lockerer Zusammenschluss“, wie Probst berichtet. „Wir wollen keine Beitragszahler, sondern Leute, die wirklich in den Ring steigen und Weltmeister werden möchten. Wir haben alle Ressourcen auf die Leute gebündelt, die bei der WM etwas reißen konnten – und das hat auch geklappt“, sagt Probst mit Blick auf die goldene Ausbeute.
Er selbst ist für das Boxtraining verantwortlich. Schach-Youtuber „OrcaChess“ sorgte während der WM für die Taktik am Brett. Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Schachbox-Kampf ist, dass man die Runde seiner schwächeren Disziplin mit möglichst wenig Schaden übersteht. Ein Boxer nutzt in der Regel eine defensive Schachtaktik, zieht seine Züge in die Länge und hofft, das Match mit Hieben im Ring zu gewinnen. Ein Schachspieler muss auf der Matte vor allem auf seine Deckung achten und auf dem Brett die Flucht nach vorne antreten.
Spannend wird es, so berichtet Probst, oft in den späteren Runden, wenn Müdigkeit und erlittene Kopftreffer zu Fehlern am Brett führen. Kurios: Bei den Titelkämpfen in Riccione gewannen alle Kölner Weltmeister ihre Finalspiele beim Schach. Für Probst ist es die kompliziertere Teildisziplin. „Schnellere Lernerfolge gibt es beim Boxen. Von null auf erster Kampf – das funktioniert in vier bis sechs Monaten“, sagt der Coach. „Wenn man überhaupt kein Schach kann, dann muss man sich über Monate hinweg jeden Tag stundenlang hinsetzen, um vernünftig spielen zu können.“
Denno Probst plant ein Schachbox-Event in Köln
Mit dem Rückenwind der erfolgreichen WM hofft Probst zeitnah auf ein größeres Event in Deutschland. „Am liebsten natürlich in Köln“, wie er sagt. Derzeit befindet er sich in Gesprächen mit möglichen Locations. Langfristig träumt Probst von einer deutschen Liga mit regelmäßigen Titelkämpfen – sollten sich noch mehr Athleten vom Sport der Gegensätze faszinieren lassen.