Ab August 2026 erhalten 17 Kölner soziale Vereine keine Gelder mehr für diese Angebote, die sich an rund 700 benachteiligte Kinder richten.
Außerschulische HausaufgabenhilfeStadt Köln streicht Förderung

Im Bürgerzentrum Ehrenfeld gibt es kostenlose Hausaufgabenbetreuung beim Kölner Appell gegen Rassismus e.V.
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Jetzt ist es amtlich: 17 Kölner soziale Vereine, die benachteiligten jungen Menschen außerschulische Hausaufgabenhilfe anbieten, erhalten dafür keine Zuschüsse mehr von der Stadt. Seit 2011 hatte die Kommune dafür im Rahmen des Förderprogramms „Hausaufgabenhilfe für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche“ pro Jahr insgesamt rund 450.000 Euro vergeben.
Ziel des Programms war es, junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und dazu beizutragen, Benachteiligungen abzubauen. Im aktuellen Haushalt ist die Förderung um 200.000 Euro gekürzt, ab August 2026 fällt sie ganz weg. „Weil die angespannte Haushaltslage erfordert, freiwillige Maßnahmen auf den Prüfstand zu nehmen. Hausaufgabenhilfe ist keine originäre Aufgabe der Jugendhilfe“, heißt es aus dem Rathaus.
Doppelt benachteiligte Kinder und Jugendliche
Die meisten der rund 700 Kinder und Jugendlichen, die die niederschwelligen Angebote, etwa von den Vereinen Kinderschutzbund Köln, Kindernöte oder Kölner Appell gegen Rassismus, nutzen, stammen aus Familien, in denen die Eltern sie in schulischen Belangen nicht ausreichend unterstützen können. Weil ihnen Deutschkenntnisse fehlen, sie das deutsche Schulsystem kaum kennen oder ihnen das Geld für herkömmliche Nachhilfe fehlt.
Gemessen an anderen Ausgaben handelt es sich bei dieser kommunalen Förderung um eine sehr kleine Summe und die Streichung trifft wieder einmal diejenigen, die sich zusätzliche Hilfen für ihre Kinder nicht kaufen können
Es ist hinlänglich erwiesen, dass der Schulerfolg in Deutschland stark abhängig ist von dem Einkommen, den Sprachkenntnissen und der Bildung der Eltern. Da junge Menschen mit Migrationshintergrund – mittlerweile sind es hierzulande 42,5 Prozent – überproportional häufig in einkommensschwachen Familien leben, sind sie mehrfach benachteiligt.
Soziale Kölner Vereine gleichen strukturelle Ungleichheiten aus
Diese strukturellen Ungleichheiten beginnen schon in der frühen Bildung mit unterschiedlichen Betreuungsquoten in der Kita (in NRW besucht jedes dritte Kind mit Migrationshintergrund keine Kita) und setzen sich über die gesamte Bildungsbiografie fort. So ist etwa der Anteil der Kinder aus bildungs- und einkommensschwachen Familien an Schulabbrechern dreimal so hoch wie bei anderen Jugendlichen.
Dabei ist Bildung ein Menschenrecht, das für alle in Deutschland lebenden Menschen gilt - unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Bildung ist nicht zuletzt von großer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung. Wer hierzulande einen (höheren) Abschluss hat, ist seltener arbeitslos, verdient mehr, ist daher weniger auf Sozialleistungen angewiesen und trägt zu einem höheren Steueraufkommen bei.
Kaum Zeit für individuelle Förderung in den Schulen
„Indirekt verweist die Stadt mit ihrer Entscheidung, diese, für benachteiligte junge Menschen so wichtigen Angebote nicht mehr zu unterstützen, auf die Verantwortlichkeit des Schulsystems. Doch das ist für diese individuellen Hilfestellungen nicht ausreichend aufgestellt“, sagt Ulrich Bergmann, Geschäftsführer „Der Paritätische Köln“. Auch Björn Eberhardt vom „Kölner Appell“, der wöchentlich für rund 40 Kinder und Jugendliche Hausaufgabenhilfen anbietet, bestätigt: „Für sie reicht der Schul-Unterricht meist nicht aus, da dort aufgrund von Personalmangel und überfüllten Klassen kaum Zeit bleibt für individuelle, pädagogische Förderung. Nicht selten werden die Kinder dort aufgrund ihrer Herkunft auch gemobbt oder anderweitig ausgegrenzt.“
Indirekt verweist die Stadt mit ihrer Entscheidung, diese wichtigen Angebote nicht mehr zu unterstützen, auf die Verantwortlichkeit des Schulsystems. Doch das ist für diese individuellen Hilfestellungen nicht ausreichend aufgestellt
In den geschützten Räumen der sozialen Vereine wie dem „Kölner Appell“ dagegen erhalten die jungen Besucherinnen und Besucher neben Hausaufgabenhilfe weitere Bildungs-, Beratungs- und Freizeitangebote – womit die strukturellen Ungleichheiten kompensiert werden können. „Wir bieten in unserer Spaß-Schule und in anderen Projekten rund 50 Kindern die notwendige, an ihre individuellen Bedarfe ausgerichtete schul- und familienunabhängige Unterstützung, und damit die Chance, statt Schulfrust Schullust zu entwickeln. Unsere Angebote sind wichtig für die Kinder, für die Schulen, für die wir viele Aufgaben übernehmen, und für die Gesellschaft, die auf jede Fachkraft angewiesen ist“, sagt die Geschäftsführerin des Vereins „Kindernöte e.V.“
Hausaufgabenhilfe ist mehr als nur Lernbetreuung
Ein weiteren, wichtigen Pluspunkt bringt Moana Schneider vom „Kölner Appell“ auf den Punkt: „Hausaufgabenhilfe ist mehr als nur Lernbetreuung – sie ist oft der erste Zugang zu weiterführender Unterstützung, Beratung und Teilhabe für die gesamte Familie. Über die Hausaufgabenhilfe haben wir die Möglichkeit, mit den Kindern und Jugendlichen und mit ihren Eltern, über ihre alltäglichen Probleme ins Gespräch zu kommen, die im Schulalltag oft nicht zur Sprache kommen können.“
Ein gerade erschienenes Positionspapier des unabhängigen Sachverständigenrats für Migration und Integration (SVR) hat wieder einmal aufgezeigt, wie sehr sich frühe und außerschulische Förderung gerade bei Kindern aus Familien mit geringem Einkommen auszahlt. Und wie schwer bis unmöglich es später ist, Startnachteile aufzufangen, wenn diese Unterstützung ausbleibt.
„Gemessen an anderen Ausgaben handelt es sich bei dieser kommunalen Förderung um eine sehr kleine Summe und die Streichung trifft wieder einmal diejenigen, die sich zusätzliche Hilfen für ihre Kinder nicht kaufen können. Die gesellschaftlichen Herausforderungen erfordern aber Investitionen in genau diese Zielgruppe. Es ist kurzsichtig, hier zu sparen“, mahnt der Geschäftsführer des Kinderschutzbunds Köln Lars Hüttler.

