Analyse vier rheinischer UnternehmenStrategien für eine klimafreundliche Wirtschaft

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Braunkohle Tagebau

Im Tagebau Hambach arbeiten Bergbaumaschinen.

  • Energiewirtschaft, Industrie und Verkehr sind die größten Verursacher von Treibhausgasen in Deutschland.
  • Die Unternehmen aus diesen Sektoren spielen damit eine bedeutende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel.
  • Wir haben die Nachhaltigkeitsstrategien von vier Unternehmen aus dem Rheinland unter die Lupe genommen – mit Deutscher Post, Shell, Lanxess und RWE.

Köln – Unternehmen, die sich ökologisch nachhaltig verhalten, gehören zu den wichtigsten Akteuren im Kampf gegen den globalen Klimawandel. Wie groß ihre gemeinsame Macht dabei ist, zeigen eindrückliche Statistiken über den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen.

Im Jahr 2019 stammte der größte Anteil der Treibhausgasemissionen in Deutschland aus der Energiewirtschaft. Vor allem durch die Verbrennung fossiler Energieträger wie Braun- und Steinkohle trug sie zu fast 32 Prozent aller Emissionen hierzulande bei.

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Den unrühmlichen zweiten Platz mit einem Anteil von 23 Prozent aller Treibhausgasemissionen erlangte der Industriesektor. Die in NRW stark vertretenen Branchen Stahl und Chemie gehören dabei zu den größten Verursachern.

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Wie verhalten sich Unternehmen?

Auf Platz drei ist der Verkehrssektor mit gut einem Fünftel der ausgestoßenen klimaschädlichen Emissionen. Vor allem Pkw und Lkw mit einem Anteil von 94 Prozent sorgen für diesen negativen Beitrag. Wie groß dabei der Anteil von Logistikunternehmen ist, lässt sich nur schwer ausmachen. Gerade in Innenstädten und auf Autobahnen sorgen Lieferverkehr und Warentransport jedoch für einen erhebliches Maß an Kohlenstoffdioxid.

Was also tun Unternehmen dafür, ihren negativen Einfluss auf die Natur zu verringern? Das sind die Strategien für ein umweltverträglicheres Wirtschaften von vier Unternehmen aus dem Rheinland: 

Deutsche Post DHL

Die Deutsche Post DHL ist mit einem Umsatz von mehr als 63 Milliarden Euro (2019) der größte Logistikkonzern der Welt. Dabei ist die Branche naturgemäß eine, die besonders viel CO2 in die Luft bläst. Nach Angaben des Unternehmens verursacht der Transportsektor weltweit rund 7,5 Gigatonnen und damit 14 Prozent der jährlich anfallenden Treibhausgase. Der Anteil der Post daran betrage 0,4 Prozent. Geht es nach den Bonnern, soll das künftig ganz anders aussehen: Bis 2050 wollen sie alle ihre logistikbezogenen Emissionen netto auf null reduzieren. Dabei soll zum einen der Ressourcenverbrauch als solcher reduziert, zum anderen auf umweltfreundlichere Energiequellen und Antriebe umgestiegen werden. Was dadurch nicht eingespart werden kann, soll durch Kompensationsprojekte ausgeglichen werden.

Konkret will die Deutsche Post beispielsweise schon bis 2025 Briefe und Pakete zu 70 Prozent mit „emissionsfreien Konzepten“ zustellen, also zum Beispiel per Fahrrad oder Elektrotransporter. Auch die Entscheidung, den Bau des eigenen Elektrotransporters Streetscooter einzustellen, soll daran nichts ändern. Man werde künftig die Angebote anderer Anbieter nutzen, sagte Konzernchef Frank Appel kürzlich auf der digitalen Hauptversammlung des Unternehmens.

Darüber hinaus kündigte der Konzern erst Ende September an, bestimmte Sendungen in der Seefracht zu dekarbonisieren: Alle sogenannten Containerteilladungen – also Sendungen, die keinen ganzen Container ausfüllen – sollen ab Januar 2021 durch den Einsatz von maritimen Biokraftstoffen CO2-neutral verschifft werden. Zusätzliche Kosten fallen für die Kunden nicht an. Bei den Flugzeugen – die zuletzt immerhin 65 Prozent des unternehmenseigenen Co2-Ausstoßes ausmachten – werden derweil alte Maschinen durch die klimaeffizientere Boeing 777 ersetzt. 

Lanxess

Als der Kölner Spezialchemiekonzern im November 2019 seine Nachhaltigkeitsstrategie vorstellt, bleibt eine Ansage des Vorstandschefs Matthias Zachert hängen: Lanxess wolle „weg von schmutziger Chemie“, Geschäften, die der angestrebten Klimaneutralität der Kölner im Weg stehen.

2018 verursachte der Konzern in seiner Produktion noch 3,2 Millionen Tonnen CO2. Bis 2030 soll dieser Wert halbiert werden. Laut Plan werden ein weiteres Jahrzehnt später die verbleibenden 300.000 Tonnen CO2, die auch dann noch verursacht werden, kompensiert – beispielsweise durch Zahlungen für Aufforstungsprojekte.

Eine Reduktion der Emissionen um 800.000 Tonnen gegenüber 2018 soll bis 2025 erreicht werden: So brachte der Verkauf des Geschäfts mit Chromchemikalien bereits ein Minus von 200.000 Tonnen. Ein weiterer Schritt ist der zweistufige Bau einer Anlage zur Reduktion von Lachgas in Antwerpen, das bei der Produktion eines Vorprodukts für Automobil-Kunststoffe entsteht. Ersparnis ab 2023: 450.000 Tonnen Treibhausgase. Zudem soll die Produktion an zwei indischen Standorten komplett mit regenerativen Energien betrieben werden – hier liegt die Ersparnis bei jährlich 150.000 Tonnen.

Zur Klimastrategie gehört, dass der CO2-Abdruck von Übernahmekandidaten bei künftigen Akquisitionsentscheidungen stärker gewichtet werden soll. Und Bonus-Zahlungen an das Top-Management sollen an die Erreichung der Ziele zur CO2-Reduktion gekoppelt sein. Erste Schritte zeigen Erfolg: 2019 stieß Lanxess noch rund 3,06 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus – minus 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Vorstandsmitglied Hubert Fink verspricht: „An unseren ambitionierten Zielen halten wir auch in den Zeiten der Corona-Pandemie fest.“

Shell

Nicht nur der Klimawandel, auch Corona wirbelt die Energiebranche durcheinander. So auch Shell und dessen Rheinland-Raffinerie nahe Köln. In Deutschland will der Noch-Öl-Multi zu einem führenden Hersteller von grünem Wasserstoff werden. Fachleute der renommierten norwegischen Beratungsfirma DNV GL sind fest davon überzeugt, dass es beim Öl-Bedarf nur noch abwärts geht.

Künftig spielten blauer und grüner Wasserstoff eine zunehmend wichtige Rolle, so Liv Hovem, Chefin von DNV GL. Sie geht davon aus, dass bis 2035 vor allem blauer Wasserstoff gewonnen wird. Nach 2035 werde die Elektrolyse an Bedeutung gewinnen, mit der grüner Wasserstoff erzeugt wird. Dazu werden Wasser und Öko-Strom benötigt. Mit Letzterem will sich Shell Deutschland künftig intensiv befassen. Dafür soll unter anderem die Elektrolyse-Kapazität in der Rheinland-Raffinerie verzehnfacht werden.

Zudem will Shell in die Produktion von Windstrom im Meer einsteigen, diese elektrische Energie soll ebenfalls für den grünen Wasserstoff eingesetzt werden. Außerdem plant das Unternehmen, bis 2030 rund 1000 Schnellladesäulen an seinen Tankstellen zu errichten. Ziel ist, die eigenen Treibhausgasemissionen und jene, die durch Shell-Produkte entstehen, in einem Jahrzehnt um ein Drittel zu reduzieren.

RWE

Wer am Aussichtspunkt Terra Nova am Nordrand des Braunkohlentagebaus Hambach steht, mag sich so recht nicht vorstellen, dass RWE in absehbarer Zeit zum Ökokonzern wird. Bis zum Horizont sieht man nur ein gigantisches Loch. In mehreren Hundert Metern Tiefe stehen die größten Bagger der Welt, und lassen eine komplette Landschaft in atemberaubenden Tempo verschwinden, um Braunkohle zu schürfen. Und doch scheint der Essener Versorger es ernst zu nehmen mit seiner Wandlung vom Klima-Saulus zum -Paulus.

Von 2012 bis 2019 hat RWE nach eigenen Angaben seinen CO2-Ausstoß bereits um 90 Millionen Tonnen reduziert – das soll ein Rückgang von 51 Prozent sein. Dazu wagt sich das Unternehmen in neue Geschäftsfelder vor. Bis 2040 will RWE klimaneutral sein. Vom Braunkohle-Verstromer wird das Unternehmen schrittweise zum Ökostrom-Anbieter. RWE will bis 2022 rund fünf Milliarden Euro in Europa, Nordamerika und der Region Asien/Pazifik investieren, um das Portfolio an Erneuerbaren Energien auf über 13 Gigawatt zu erweitern.

Davon ist allein eine Milliarde Euro für Projekte in Deutschland vorgesehen. Zwei Offshore-Windparks und acht an Land sind laut RWE im Bau. Acht weitere Offshore-Parks und 24 Windparks im Binnenland sind in Planung.

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