Unbefristeter Streik bei der Post?So geht es im Tarifstreit mit Verdi weiter

Lesezeit 4 Minuten
Ein Lastwagen fährt auf das Gelände einer Deutsche-Post-DHL-Niederlassung.

Ein Lastwagen fährt auf das Gelände einer Deutsche-Post-DHL-Niederlassung.

Bei der Deutschen Post drohen unbefristete Streiks – sollten die anstehenden Verhandlungen mit Verdi erfolglos bleiben. Ein Überblick.

Für seine letzte Bilanzpressekonferenz hätte der scheidende Post-Chef Frank Appel sich wohl einen anderen nachrichtlichen Schwerpunkt gewünscht. Just an dem Tag, an dem der 61-Jährige zum letzten Mal einen Rekordgewinn für die Deutsche Post DHL verkündete, gab die Gewerkschaft Verdi bekannt, dass ihre Mitglieder in einer Urabstimmung für einen unbefristeten Streik bei der Post gestimmt haben. Zunächst soll aber weiter verhandelt werden. Wie geht es im Tarifstreit weiter? Worauf müssen sich Kunden einstellen? Wieso argumentiert die Post trotz eines Rekordgewinns, die Lohnforderungen nicht erfüllen zu können? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Worüber streiten Verdi und die Deutsche Post?

Die Gewerkschaft Verdi fordert für die Beschäftigten des Konzernbereichs Post& Paket Deutschland, also unter anderem Briefträger und Paketboten, 15 Prozent mehr Lohn. Insgesamt geht es um 160.000 Tarifbeschäftigte. Die Deutsche Post hat bereits ein Angebot vorgelegt, durch das die Löhne nach eigenen Angaben in zwei Schritten um durchschnittlich 11,5 Prozent steigen würden. Dieses Angebot lehnten die Verdi-Mitglieder nun ab und stimmten stattdessen mit 85,9 Prozent für einen unbefristeten Streik.

Das der tatsächlich kommt, steht aber noch nicht fest. Post und Verdi werden die Tarifverhandlungen am Freitag zunächst fortsetzen. „Die Deutsche Post AG steht jetzt in der Verantwortung, durch eine deutliche materielle Verbesserung des abgelehnten Angebots einen unbefristeten Streik abzuwenden“, sagte Verhandlungsführerin Andrea Kocsis.

Alles zum Thema Corona

Was sagt die Deutsche Post?

„Wir sind auch heute noch überzeugt davon, dass wir mit dem finanziell umfangreichsten Tarifangebot in der Geschichte unseres Unternehmens eine annahmefähige Grundlage für eine Einigung vorgelegt haben“, teilte Personalvorstand Thomas Ogilvie am Donnerstag mit. Bereits im Vorfeld hatte er in einem Interview geäußert, das Angebot sei das „Maximum dessen, was wir vertreten können, wenn wir auch morgen noch die Post für Deutschland sein wollen, wie wir sie heute kennen.“ Ähnlich markig äußerte sich Frank Appel, der sagte, die Lohnforderung von 15 Prozent in zwölf Monaten würde „unser Post- und Paketgeschäft in Deutschland aufs Spiel setzen“.

Rekordzahlen, aber kein Geld für die Tarifforderungen – wie passt das zusammen?

Die Deutsche Post DHL hat im Jahr 2022 einen Rekordumsatz und -gewinn erwirtschaftet. Der Umsatz stieg um 15,5 Prozent auf 94,4 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis legte auf 8,4 Milliarden Euro zu. Die Post betont allerdings, dass dieses Wachstum auf das Auslandsgeschäft zurückgeht: So waren es vor allem das internationale Frachtgeschäft (plus 77,4 Prozent) und das Geschäft mit Lieferkettenlösungen (plus 26,7 Prozent), die das operative Ergebnis in die Höhe trieben. Die Konzernsparte Post& Pakete Deutschland verzeichnete dagegen ein Ergebnisminus von 27,2 Prozent. Machte die Sparte bei der Deutschen Post 2007 noch 53 Prozent des Konzernergebnisses aus, sind es heutzutage nur noch 14 Prozent. Post-Chef Frank Appel betonte bei der Vorstellung der Bilanz, dass beispielsweise die Dividende, die leicht auf 1,85 Euro je Aktie steigen soll, „ausschließlich aus dem internationalen Geschäft“ gezahlt werde.

Mit welchen Auswirkungen müssten Kundinnen und Kunden im Falle eines Streiks rechnen? 

Bei den Warnstreiks in den vergangenen Monaten blieb zuletzt etwa jedes fünfte Paket und jeder elfte Brief liegen, diese wurden dann mit einigen Tagen Verzögerung zugestellt. Rund ein Drittel der Beschäftigten hatte damals die Arbeit niedergelegt. Die genauen Auswirkungen eines unbefristeten Streiks sind im Vorfeld noch nicht zu beziffern, diese dürften sich je nach Streikbeteiligung von Region zu Region unterscheiden. „Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet“, sagte die Vorständin des Post- und Paketgeschäfts in Deutschland, Nikola Hagleitner. Leiharbeiter wolle man nicht einsetzen. Stattdessen sollen Verwaltungsangestellte aushelfen. 

So oder so wäre ein Streik für die Deutsche Post teuer: Beim letzten unbefristeten Streik im Jahr 2015 beliefen sich die Kosten für den Konzern nach eigenen Angaben auf 100 Millionen Euro.

Wie blickt die Post in die Zukunft?

In den vergangenen Jahren hatte die Post in Ihrer Jahresbilanz stets Rekordergebnisse zu vermelden, vor allem, weil die Corona-Pandemie dem Onlinehandel einen riesigen Schub gab. Auch 2022 gab es einen Rekordgewinn – doch bereits das vierte Quartal zeigte, dass das Geschäft abflaut. So sanken die Volumina im umsatztreibenden Fracht- und Express-Geschäft spürbar. Als Reaktion hat die Post bereits die Flugkapazitäten im Express-Geschäft reduziert und einen punktuellen Einstellungsstopp verhängt. Auch die Investitionen werden zurückgefahren.

Für das laufende Jahr erwartet der Logistikkonzern dann auch nur noch ein operatives Ergebnis von zwischen sechs und sieben Milliarden Euro – also deutlich weniger als 2022. Die „nachlassende globale Wachstumsdynamik“ mache sich im Ergebnisausblick bemerkbar, sagte Finanzvorstand Melanie Kreis.

Dennoch sagte sie zum Abschied von Frank Appel, der Ende April nach 15 Jahren aus dem Amt ausscheidet: „Das Haus ist sehr, sehr gut aufgeräumt“. Auch Appel sieht den Konzern „trotz der Herausforderungen am kurzen Ende sehr gut aufgestellt“. Sein Nachfolger wird der ehemalige Post&Pakete Deutschland-Vorstand Tobias Meyer.

KStA abonnieren