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Dörte GatermannDiese Architektin prägte die Kölner Skyline – Jetzt widmet sie sich dem Neumarkt

7 min
Architektin Dörte Gatermann steht am Pegel Köln, im Hintergrund ist das Köln-Triangle-Hochhaus zu sehen.

Architektin Dörte Gatermann ist die zweite deutsche Frau, die ein Hochhaus gebaut hat: das Köln-Triangle in Deutz.

Mit ihrem Entwurf für das Köln-Triangle prägte die Architektin Dörte Gatermann das Kölner Stadtbild. Nach mehr als 40 Jahren gibt sie ihr Architekturbüro ab und widmet sich stattdessen dem Neumarkt. 

Dörte Gatermann ist eine Pionierin, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie war die zweite Frau, die in Deutschland ein Hochhaus gebaut hat - und dann direkt eins, das bei Kölnern wie Touristen gleichermaßen beliebt ist: das Köln-Triangle. Die Architektin blickt über das graue Wasser des Rheins auf den 103 Meter hohen Glasturm, der am Deutzer Rheinufer in den Himmel ragt. Mit ihrem Entwurf für das Hochhaus prägte Gatermann nicht nur die Kölner Skyline, sondern eine ganze Branche.

Es sei ihr „wichtigstes Projekt“, sagt sie. Vielleicht, weil der Weg dahin so lang war und sie hart dafür kämpfen musste – besonders als ihr Entwurf die Unesco 2004 dazu veranlasst, den Kölner Dom für zwei Jahre auf die Liste der bedrohten Weltkulturerbe zu setzen. Die Organisation fürchtet, das Hochhaus würde den Blick auf den Dom verändern.

Das Hochhaus wäre fast nicht gebaut worden

Erst sollte das Köln-Triangle gar nicht gebaut werden. Mit ihrem Entwurf für den Turm gewinnt Gatermann zwar den Architektur-Wettbewerb zum Neubau des Bürogebäudes, doch die Auftraggeberin – die Rheinische Versorgungskasse – möchte nur ein niedrigeres Gebäude ohne Turm bauen. Gatermann gibt nicht auf. Als der Leiter der Kasse vorsichtiges Interesse zeigt, fangen sie und ihr Team an, den Turm zu planen – ohne offiziellen Auftrag, mit niedrigem Budget. „Das hat mir auch die eine oder andere schlaflose Nacht bereitet“, sagt sie. Sie fragte sich, ob sie ihre 20 Mitarbeitenden wohl langfristig würde bezahlen können.

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Das Fundament des Köln-Triangles wird gebaut, ausgelegt für einen 120 Meter hohen Turm. Doch die Einschätzung der Unesco, das Köln-Triangle und weitere geplante Hochhäuser auf der Deutzer Seite könnten die dominante Position des Doms stören, heizt Diskussionen an. In der Kölner Politik streitet man über jeden Meter. Am Ende werden es 103,20 Meter - und Gatermann damit zur zweiten Architektin in der deutschen Geschichte, die ein Hochhaus über 100 Metern baute.

Sigrid Kressmann-Zschach hatte in den 1970er Jahren den 120 Meter hohen „Steglitzer Kreisel“ in Berlin entworfen. Auch Gatermann habe beweisen wollen, dass Frauen genau wie Männer Hochhäuser bauen können, sagt sie. Doch der wichtigere Teil sei, dass die Schäl Sick ein Zeichen brauchte, dass dort Potenzial für die Zukunft Kölns liege. Das Köln-Triangle sollte das zeigen. „Ich finde, dass Köln oft zu klein denkt“, sagt sie. „Manchmal muss man ein bisschen Mut haben.“

„Keiner der Bauherren wusste, dass ich noch kein Diplom hatte“

Wie sie sich heute fühlt, wenn sie am Rhein steht und ihren Turm sieht? „Ach, gut“, sagt sie. Ist sie stolz? „Stolz ist ein zweischneidiges Schwert. Zu viel würde mich hemmen, etwas Neues anzugehen. Man muss seine Kinder auch ziehen lassen können.“ Von Beginn an ist es immer das neue Projekt, die nächste Idee, die sie antreiben.

Das zeigt sich schon während des Studiums an der RWTH Aachen. Dort lernt sie beim bekannten Architekten Gottfried Böhm, der die Studentin in sein Architekturbüro holt. Gatermann bestreitet erste Wettbewerbe und bekommt so die Leitung für ein 50-Millionen-Projekt anvertraut, das Verwaltungsgebäude „Züblin-Haus“ in Stuttgart. „Keiner der Bauherren wusste, dass ich noch kein Diplom hatte.“ Gatermann lacht. Ein riesiger Karriereschritt, den sie in dem Moment gar nicht als solchen empfindet. Es ist das Projekt, das Gatermann begeistert. „Nur das war mir wichtig.“

1983 hält Gatermann ihr Diplom in den Händen und gründet kurz darauf ein eigenes Architekturbüro mit ihrem späteren Ehemann Elmar Schossig und einem weiteren Partner. Ihre ersten Entwürfe entstehen in einer Fabriketage in Köln-Zollstock, die sie sich mit Musikern teilen. Die jungen Architekten zeichnen auf Türblättern, die auf Böcken liegen. Freitags müssen sie die zur Seite stellen, denn am Wochenende proben die Musiker. Um Geld geht es ihnen nicht. „Wir hatten immer nur das neue Projekt im Blick.“

Im selben Jahr wird Gatermann schwanger. Als das Züblin-Haus 1985 eingeweiht wird, hat die damals 29-jährige Architektin ihren drei Wochen alten Sohn auf dem Arm und ein laufendes Architekturbüro.

Die Fabrik von Rimowa sah aus wie der ikonische Koffer

Gatermann und Schossig wollen ihre Ideen verwirklichen. Allerdings habe man einem so jungen Architekturbüro große Projekte häufig nicht zugetraut, erinnert sich Gatermann – einer Frau noch weniger. Architektur-Wettbewerbe aber sind anonym: Die Jury bewertet unabhängig von Alter und Geschlecht. Für die jungen Architekten sind sie ein Türöffner, um Aufträge zu bekommen und sich einen Namen zu machen.

1987 schafft das Architekten-Paar den Sprung. Für die Rimowa-Kofferfabrik in Köln wird das Büro beim Deutschen Architekturpreis ausgezeichnet. Die aluminiumverkleideten Hallen sehen aus wie größere Versionen der ikonischen Aluminiumkoffer, die dort vom Band rollen. Die Umsetzung der „Corporate Identity“ in der Architektur ist damals noch neu. Es folgen mehr als 700 weitere Projekte, für die das Büro mehr als 100 Preise gewinnt.

Ihr Erfolgsfaktor: harte Kritik. Gatermann und Schossig arbeiten jeweils an eigenen Projekte, lassen sich vom anderen Feedback geben. Kritisiert ihr Mann ihr Projekt, weiß Gatermann, dass sie nochmal daran arbeiten sollte. Auch als Eltern sind Gatermann und Schossig ein Team. In einer „Mama-Woche“ ist Gatermann verantwortlich, weiß, ob ein Elternsprechtag in der Schule oder im Kindergarten ansteht. Wird das Kind in der „Papa-Woche“ krank, kümmert sich Schossig und holt es aus der Schule ab.

Fischermuseum und feministisches Archiv aus der Feder Gatermanns

Das Köln-Triangle ist ein 100-Millionen-Euro-Projekt, doch Gatermann sucht sich ihre Projekte nicht nach Honorarsumme aus, wie sie sagt. Einmal gewinnt sie einen Wettbewerb in Cuxhaven: Zwei historische Fischhallen sollen zu einem Museum verbunden werden. Das Projekt rechnet sich nicht. Ihr Büro würde wahrscheinlich minus schreiben, das weiß sie sofort. Und doch fasziniert sie das Projekt. Als gebürtige Hamburgerin spüre sie einen starken Bezug zum Meer, sagt sie. „Früher fuhren die Fischer bei Windstärke 10 aufs Meer. Sie haben mit dem Meer gelebt und sind im Meer gestorben.“ Sie verliert sich für einen kurzen Moment in der Vergangenheit. „Ich musste das einfach machen.“

Es sind Projekte wie dieses, die für Gatermann wirklich wertvoll sind, von denen sie auch nach Jahren noch schwärmt: das Fischermuseum, das feministische Archiv von Alice Schwarzer im Kölner Bayenturm, das Römermuseum in Xanten.

Doch 2005 fordert das Leben sie heraus, ihr Mann hat Krebs. „Unser Leben, das aus Architektur und den Kindern bestand, brach plötzlich zusammen.“ Es sei die größte Herausforderung ihres Lebens gewesen. Sie versucht, alles zu schaffen, „aber dann habe ich 2007 meinen Lehrstuhl an der TU Darmstadt aufgeben müssen. 2009 ist mein Mann gestorben. Für mich hat sich dadurch extrem viel verändert.“ 

Gatermann hat sich inzwischen der Stadtentwicklung verschrieben

Zehn Jahre lang führt Gatermann das Büro allein, gewinnt weitere Wettbewerbe und setzt neue Projekte um. Zwei ihrer Mitarbeiter werden in dieser Zeit ihre Partner, seit 2020 heißt das Büro deshalb „Supergelb Architekten“.

Heute ist Gatermann 69 Jahre alt. Sie bewirbt sich nicht mehr auf Wettbewerbe für Bauprojekte. Noch hat sie einen Anteil von 40 Prozent am Architekturbüro, doch am Ende des Jahres wird sie ihn abgeben. Sie hat jetzt andere Ideen, neue Projekte, die sie verwirklichen möchte, mehr Zeit für ihre Herzensthemen: Stadtentwicklung und der öffentliche Raum in Köln.

Schon als das Büro noch „Gatermann+Schossig“ heißt, liegt der Architektin das Thema Mehrfachnutzung am Herzen, also Flächen möglichst effizient und sozial nutzbar zu gestalten. 1991 initiiert sie das „Kölner Stadtmodell“ gemeinsam mit Kaspar Kraemer, ein Miniaturmodell der Stadt. Der Stadt Köln zufolge soll es dazu dienen, Besuchern die Geschichte und Kultur der Stadtentwicklung zu vermitteln, aber auch Raum für neue Visionen schaffen.

Auch beim Bau des Köln-Triangle setzt sich Gatermann jahrelang für die öffentliche Aussichtsplattform auf dem Dach des Gebäudes ein – sonst könne „wieder nur“ die Führungsetage die gute Aussicht genießen. Als Anerkennung für ihr Engagement darf sie 2019 gemeinsam mit ihrem Aachener Professor Gottfried Böhm und Kaspar Kraemer ihren Namen ins goldene Buch der Stadt Köln eintragen.

Am Rhein dreht Gatermann dem Köln-Triangle den Rücken zu und macht sich auf den Weg zum Neumarkt, möchte dort bei den 100 roten Stühlen und der gelben Tribüne vorbeischauen. „1000 Stühle 1000 Bäume“ heißt ihr neuestes Projekt, gemeinsam mit dem Haus der Architektur Köln. Seit 2024 ist Gatermann Vorsitzende des Baukulturzentrums. Die Architektin will am Neumarkt und anderen Plätzen in Köln Begegnungen schaffen und Bäume pflanzen. Am Neumarkt ist die Atmosphäre entspannt: Menschen sitzen in kleinen Gruppen um den Brunnen herum oder rücken sich den roten Stuhl in den Schatten eines Baumes. An diesem Nachmittag ist fast jeder Stuhl besetzt.