EnergiepreiseVerbraucherzentrale NRW warnt vor „dem großen Hammer“

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Stadtwerke wie die Rheinenergie kaufen langfristig ein – deshalb steigen ihre Preise auch erst später

Stadtwerke wie die Rheinenergie kaufen langfristig ein – deshalb steigen ihre Preise auch erst später

Köln/Düsseldorf – Die Verbraucherzentrale NRW warnt, dass die großen Mehrausgaben für Energie vielen Haushalten erst noch bevorstehen. „Die Signale stehen weiter auf steigende Preise“, sagte Vorstand Wolfgang Schuldzinski bei der Vorstellung der Jahresbilanz am Dienstag. Bei vielen Mieterinnen und Mietern seien aber selbst die bisherigen noch nicht angekommen – zum Beispiel, weil sie ihre Gasrechnung jährlich beim Vermieter beglichen. „Gerade bei den Miethaushalten wird es erst im nächsten Winter, vielleicht aber auch erst im darauffolgenden Jahr, den großen Hammer geben.“

Ein entscheidender Faktor ist hier auch die konservative Beschaffungsstrategie der Grundversorger, die den Preisanstieg für ihre Kundschaft bislang gedämpft hat: „Sie kaufen in der Regel über 36 Monate jeden Tag ein bisschen Energie ein. Das trägt natürlich auch zur Risikominimierung bei“, sagte Udo Sieverding, Bereichsleiter Energie bei der Verbraucherzentrale NRW. „Das bedeutet, die Strom- und Gaspreise, die wir jetzt sehen, enthalten noch Einkäufe aus 2019 und 2020 – als die Preise noch vergleichsweise niedrig waren.“ Im Verlauf der nächsten Monate würden diese niedrigen Werte aber zunehmend „rauswachsen“. Selbst wenn die Großhandelspreise jetzt konstant blieben, werde es für Verbraucherinnen und Verbraucher also immer teurer. „Falls wir sogar eine Gasmangellage bekommen, wird das noch einmal in eine ganz andere Größenordnung gehen.“ Insgesamt könnten sich die Preise im Schnitt sogar verdoppeln.

Große Unterschiede zwischen den Tarifen

Derzeit zeigt sich auf dem Markt eine auffällig große Preisspreizung: „Die Unterschiede zwischen dem günstigsten und teuersten Tarif sind viel, viel größer, als wir das früher gewohnt waren“, so Wolfgang Schuldzinski. So liegen in einem NRW-Vergleich der Verbraucherzentrale ganze 36,42 Cent pro Kilowattstunde zwischen dem günstigsten (6,57 Cent) und teuersten (42,99 Cent) Gastarif für Neukunden bei einem Grundversorger. Bei einem Musterverbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Jahr entspreche das einer Preisspanne von 1315 zu 8600 Euro. Auch beim Strom ist die Spanne mit 30,26 bis 76,40 Cent pro Kilowattstunde sehr groß.

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Die Kölner Rhein-Energie schneidet im Vergleich mit den Grundversorgern der zehn größten NRW-Städte recht gut ab: Sie bietet den dritt- beziehungsweise viertgünstigsten Gastarif an (8,73 Cent für Bestandskunden, 14,85 Cent für Neukunden). Deutlich billiger ist allerdings Düsseldorf mit 7,89 Cent für beide Kundengruppen.

Der Strompreis der Rhein-Energie ist für Neukunden mit 34,92 Cent der zweitgünstigste nach 31,57 Cent in Düsseldorf. Das liegt auch daran, dass der Kölner Grundversorger nach einer Klage des direkten Konkurrenten Lichtblick keine unterschiedlichen Stromtarife für Neu- und Bestandskunden mehr anbieten darf. Besonders günstige Strompreise ruft ansonsten auch die Stadt Brühl (33,71 Cent) auf. Mit Abstand am meisten müssen Neukunden in Bergkamen zahlen: 76,40 Cent.

Länder horten Lebensmittel

Für diese großen Spreizungen gibt es laut Verbraucherzentrale „keine plausible gesamtwirtschaftliche Erklärung“. Die Unternehmen seien vielmehr „immer noch überfordert“ oder hätten teils „schlecht gewirtschaftet“, sagte Schuldzinski. Außerdem gebe es wohl Mitnahmeeffekte.

Sehr genau blickt die Verbraucherzentrale derweil auch auf die Preissprünge bei Lebensmitteln – die spürbar über der Inflationsrate liegen. Wesentlicher Grund hierfür sind die steigenden Energiepreise in der Produktionskette, aber auch gestörte Lieferketten und Produktionsausfälle. „Wir beobachten mittlerweile sogar ein Horten von Nahrungsmitteln durch Unternehmen und ganze Länder“, sagte Bernhard Burdick, Gruppenleiter Markt und Konsum. Das wirke sich auf die Weltmarktpreise aus, „und hinzu kommen dann noch Börsenspekulationen“.

Tomaten zwischen 1,11 und 22,17 Euro

Besonders stark gestiegen sind dabei zuletzt zum Beispiel die Preise für Tomaten, Pflanzenöle oder Butter. Die Unterschiede innerhalb dieser Kategorien sind laut Verbraucherzentrale aber extrem groß: So kosteten Tomaten bei einer Stichprobe vier unterschiedlicher Einzelhandelsketten am 24. Mai zwischen 1,11 und 22,17 Euro das Kilo. Der Butterpreis lag zwischen 2,29 und 3,49 Euro, Sonnenblumenöle kosteten 3,99 bis 4,99 Euro je Liter. „Es ist nicht wirklich nachvollziehbar, wie solche Preise zustandekommen“, sagte Burdick. „Es gibt hier viel Intransparenz.“

Auch hier vermutet die Verbraucherzentrale Mitnahmeeffekte. Auffällig sei zum Beispiel der extrem starke Anstieg bei konventioneller Butter – der deutlich über dem Preisplus für Bio-Butter oder Milch liege. „Da sind an vielen Stellen Zukunftserwartungen schon eingepreist“, so Burdick. „Die Marmelade, die jetzt so viel teurer ist, wurde mit Sicherheit schon vor Monaten ins Glas gefüllt.“

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Die Verbraucherschützer fordern nun mehr Transparenz im Markt: zum Beispiel durch mehr Kompetenzen für die Kartellbehörden oder einen Preismonitor, über den Verbraucher die tatsächlichen Marktpreise nachvollziehen können. Burdick betont außerdem die Bedeutung eines sozialen Ausgleichs: Der Hartz-IV-Satz sehe täglich 5,20 Euro für Lebensmittel vor – „aber aktuell kostet schon eine Packung Tomaten so viel. Die Frage ist, wie man sich dabei vernünftig ernähren soll“. Die Politik müsse hier aktiv werden. Wer beim Einkaufen gerade genauer rechnen muss, dem empfiehlt Burdick bedarfsgerecht und saisonal einzukaufen und das Wegwerfen von Lebensmitteln zu vermeiden.

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