FlutDiese Mängel im Vorfeld der Katastrophe listet Kölner Versicherung auf

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Ahrtal Juli 2021 100722

Altenahr am 19. Juli 2021 

Köln – Die Kölner Zurich-Versicherung hat vor wenigen Wochen eine umfangreiche Analyse der Flutkatastrophe vom 14. und 15. Juli 2021 vorgelegt. Es ist nach ihren Angaben die komplexeste von mehr als 25 Hochwasserstudien weltweit in den vergangenen zehn Jahren. Die Wissenschaftler versuchen dabei viele Fragen zu beantworten.

Warum hat das Extremwetter „Bernd“ so viele Schäden anrichten können?

Man kann die Katastrophe nicht darauf reduzieren, dass sie durch ein unvorhersehbares Extremwetter als Folge des Klimawandels ausgelöst wurde, sagen die Forscher. Die Studie zeige, dass ein unzureichendes Hochwasserverständnis, problematische Strukturen beim Wiederaufbau und ungenügende Maßnahmen der Verringerung des Risikos im Vorfeld einen entscheidenden Anteil daran haben, dass die Folgen derart schlimm waren.

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Was heißt das konkret?

Während das Extremwetterereignis in seiner Intensität gut vorhergesagt wurde, gab es in Bezug auf das zu erwartende Hochwasser nur für die größeren Flüsse wie Rhein und Mosel treffende Aussagen. Die Situation an den kleineren Flüssen konnte auch nicht annähernd exakt vorhergesagt werden.

Warum?

Die Gründe sind vielfältig. Das beginnt bei der ungenügenden Zusammenarbeit zwischen zwischen den meteorologischen und hydrologischen Vorhersagediensten sowie lokalem Katastrophenschutz. Hinzu kommt, dass es viel zu wenig Pegelstationen gibt, die zu einer Hochwasserprognose beitragen. Auch die Genauigkeit der Hochwassermodelle ist aus Sicht der Experten bei weitem nicht ausreichend.

Es wird immer behauptet, dass Hochwasser von 2021, bei dem an der Ahr und in der Eifel 194 Menschen ihr Leben verloren, ein unvorstellbares Ereignis war. Stimmt das?

Nein, sagen die Wissenschaftler. Die Menschen haben frühere Hochwasserereignisse, die eine vergleichbare Dimension erreicht haben, einfach nur vergessen. „Wir können uns diese selektive Erinnerung nicht mehr erlauben und müssen aus den Ereignissen, zum Beispiel von den Fluten 1804 und 1910 im Ahrtal, lernen“, heißt es wörtlich. Beim Hochwasser sei oft von Jahrhundertflut die Rede. Dabei werde gern vergessen, dass es sich bei einem 100-jährlichen Ereignis um ein mathematisch berechnetes, statistisches Konstrukt handelt, das oft auf einer kurzen Datenreihe basiert, oft deutlich kürzer als 100 Jahre.

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Welche Probleme liegen im Risikomanagement beim Hochwasser?

Die Forscher konzentrieren sich auf zwei Bereiche. Erstens sei die Herausforderung, eine dynamische Sommerwetterlage so exakt wie möglich vorherzusagen, sehr groß. Zweitens gebe es im Frühwarnsystem Lücken. Das führe zu dazu, dass kein konkretes Handeln weder bei Verwaltungen auf lokaler Ebene noch bei den betroffenen Menschen ausgelöst werden könne. Das Risikobewusstsein in der Bevölkerung“ sei auch nicht sonderlich hoch. „Ein Sinneswandel und die Fähigkeit, auf Extremereignisse reagieren zu können, sind nötig“, heißt es wörtlich.

Aber wie?

Zunächst müssten solche Extremereignisse besser in den Köpfen der Menschen verankert sein. Zum Beispiel durch eine modifizierte Hochwasser-Zonierung, die zeige, dass es Katastrophen geben kann, die jenseits der menschlichen Vorstellungskraft liegen. „Wir stellen fest, dass ein tieferes Verständnis für Resilienz und integriertes Katastrophenrisikomanagement fehlen. Ein Sinneswandel und die Fähigkeit, auf Extremereignisse reagieren zu können, sind nötig“, heißt es wörtlich. „Nach einer Katastrophe ist selten Zeit, um zu lernen, was passiert ist, und welche Dinge man in Zukunft verbessern könnte. Die Wiederaufbauphase ist aber auch eine wichtige Gelegenheit, um zukünftige Risiken zu minimieren.“

Wie kann das gehen?

Nach Ansicht der Forscher müssen die Menschen lernen, ihr Leben an die „neue Realität eines geänderten Klimas anzupassen“. In der Eifel und an der Ahr sehe man jetzt, „dass eine vorwärts gerichtete Planung mit einer hohen Zukunftsfähigkeit unmöglich ist, wenn die Bevölkerung ihr normales Leben zurückhaben möchte. Darum werden günstige Gelegenheiten oft verpasst, um sich zu verbessern und sich vorwärtszuentwickeln – auch das muss sich ändern.“

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