„Strukturwandel wird sichtbar“Wie Corona den Wandel der Kölner Innenstadt beeinflusst

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Die leere Schildergasse in Köln, aufgenommen am 18. März 2020

Die leere Schildergasse in Köln, aufgenommen am 18. März 2020

Köln – Es sind harte Zeiten für Deutschlands Innenstädte. Schon vor Bekanntgabe der Lockdown-Verlängerung klangen die Zahlen alarmierend: In einer Umfrage des Handelsverbands Deutschland unter 700 Innenstadthändlern gaben Anfang Januar knapp zwei Drittel von ihnen an, sich derzeit in ihrer Existenz bedroht zu sehen. Im Gastgewerbe waren es im September und damit vor dem zweiten Lockdown 60 Prozent.

Die Umsatzeinbußen gehen bereits in die Milliarden – und seit der Lockdown-Verlängerung am Montag ist klar, dass wohl viele weitere Milliarden dazukommen. „Das ist für viele noch einmal eine Verschärfung der existenzbedrohenden Situation“, sagt Annett Polster, Geschäftsführerin des Stadtmarketing Köln. Vor allem die inhabergeführten Geschäfte seien hart getroffen.

Und es sei nicht absehbar, wie sich die Situation weiter entwickeln werde: Wird der Lockdown Ende Januar erneut verlängert? Gibt es andere Beschränkungen? Werden Messen und Feste, die Besucher in die Innenstädte treiben, im Sommer wieder möglich sein? Im vergangenen Jahr zeigte der Zeitraum, in dem Geschäfte geöffnet und Restaurants geschlossen waren, bereits eindrücklich, wie eng Freizeit und Einkaufen in der Innenstadt verknüpft sind. Bricht eines weg, leiden die anderen mit.

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Effektivere Hilfen gefordert

Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Textil, Rolf Pangels, findet noch drastischere Worte: „Der beschlossene Lockdown bis mindestens Ende Januar wird zahlreiche Modegeschäfte, Schuhläden und Kaufhäuser in den Ruin treiben“, sagt er am Mittwoch. Wie auch der Dachverband HDE und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) fordert der BTE effektivere Hilfen für die Branche.

HDE und Dehoga warnen seit Wochen, Hilfsgelder würden oft noch nicht bei den Unternehmen ankommen. „Es zeichnet sich eine Pleitewelle ab, wie wir sie noch nicht erlebt haben“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth kürzlich. Sowohl Handel als auch Gastgewerbe blicken deutlich pessimistischer in die Zukunft als beispielsweise die Agentur für Arbeit, die bislang keine Anzeichen für eine Pleitewelle sieht.

Folgen für die Innenstadt

Was bedeutet die derzeitige Entwicklung nun aber für die Innenstädte an sich – die ohnehin vor einem tiefgreifenden Wandel stehen? Manfred Janssen, Geschäftsführer der Köln-Business Wirtschaftsförderung, sieht Köln gut gerüstet. Die hiesige Innenstadt stehe „im Vergleich zu anderen Metropolen weiterhin gut da“: „Die Leerstände bei Ladenlokalen in der Innenstadt sind 2020 nicht signifikant gestiegen. Zudem sind Gewerbeflächen – auch für Einzelhandel und Gastronomie - in Köln anhaltend stark nachgefragt“.

Man blicke „insgesamt optimistisch“ nach vorn. „Was aktuell jedoch deutlich sichtbarer wird als vor der Pandemie, ist der Strukturwandel im Handel aufgrund des veränderten Konsumverhaltens.“ Die Besucher-Frequenzen sinken schon seit Jahren, immer mehr Menschen kaufen lieber im Netz ein.

Schlaglicht auf Probleme geworfen

Annett Polster sieht das ähnlich: Das abgelaufene Jahr habe ein Schlaglicht auf Probleme der Innenstadt geworfen, die zuvor wenig Beachtung gefunden hätten. Es sei schon lange klar, dass Leerstände ein Problem darstellen – und dass die Steigerung der Aufenthaltsqualität sowie eine Mischnutzung von Gebäuden zentral sei, um sie zu bekämpfen.

Für Polster bietet die Pandemie daher sogar eine Chance: „Für diese Veränderungen gibt es jetzt eine deutlich höhere Akzeptanz.“ In der Corona-Krise haben Insolvenzverfahren und Filialschließungen großer Häuser wie Galeria die Politik aufgeschreckt, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier plant derzeit weitere spezifische Hilfen für die Innenstädte.

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Stadtplaner und Handelsforscher schlagen zum Beispiel die Ansiedelung von Wohnraum und Büroflächen vor. Ladengeschäfte, die entgegen der heutigen Einkaufsgewohnheiten gehen, würden dabei verkleinert. Außerdem sollten Freizeitangebote geschaffen werden, die ein neues Publikum anziehen – zum Beispiel E-Sport-Veranstaltungen.

Janssen sieht den Schlüssel in einem „einzigartigen Einkaufs-, Gastronomie- und Freizeiterlebnis“. Dafür müsse das bisherige Stadtzentrum weiterentwickelt werden, was eine gemeinsame Aufgabe für die Akteure aus Wirtschaft und Stadt sei. Dazu hat Köln-Business zum Beispiel ein stadtweites Netzwerk initiiert und ein Kompetenzteam für Einzelhandel und Gastronomie aufgebaut.

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