KohleausstiegGrüne kritisieren Intransparenz bei Milliarden-Entschädigungen

Lesezeit 3 Minuten
Kraftwerk Niederaußem

Das Braunkohle-Kraftwerk und Windräder in Niederaußem (Rhein-Erft-Kreis)

Köln/Berlin – Mit 4,35 Milliarden Euro will die Bundesregierung die Unternehmen RWE und Leag für den vorzeitigen Kohleausstieg bis 2038 entschädigen. So steht es im Gesetz vom Juni 2020. Auf Antrag der Grünen muss sich der Bundestag jetzt mit der Frage befassen, ob die Zahlungen viel zu hoch ausfallen. Geplant ist, dass RWE im Rheinland 2,6 Milliarden, die ostdeutsche Leag 1,75 Milliarden Euro erhalten soll.

Die Grünen werfen der Bundesregierung vor, die Berechnung dieser Entschädigungen „vor der Öffentlichkeit geheim gehalten“ zu haben, sagt die parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann. Jüngste Veröffentlichungen zeigten, dass „dank einer fragwürdigen formelbasierten Entschädigungslogik offenbar deutlich zu viel für die Abschaltung“ aus Steuermitteln bezahlt werden müsse. Auch die EU-Kommission ermittelt wegen möglicher unerlaubter Beihilfe.

Entschädigungsformel unter Verschluss

Wie die Milliardensumme zustande kam, die im Bundeswirtschaftsministerium berechnet und im Sommer 2020 in das Kohleausstiegsgesetz aufgenommen wurde, war der Öffentlichkeit bislang nicht bekannt. Auch die Entschädigungsformel blieb zunächst unter Verschluss. Die Umweltorganisation Greenpeace hat sie erst durch eine Anfrage nach dem Umweltinformationsgesetz an das Ministerium erhalten und von der Ember-Denkfabrik für Klima und Energie analysieren lassen.

Alles zum Thema RWE

Das könnte Sie auch interessieren:

„Die Ausgleichszahlungen wurden hinter verschlossenen Türen vereinbart und die Annahmen scheinen zugunsten der Energieversorger verzerrt zu sein“, stellt Ember fest. „Wir hoffen, dass diese Analyse der EU-Kommission weitere Beweise dafür liefern kann, dass die derzeitigen festen Zahlungen die Braunkohleblöcke für die vorzeitige Stilllegung überkompensieren.“ Das Recherche-Netzwerk „Correctiv“ und der „Spiegel“ hatten zuerst berichtet.

Danach hat sich das Bundeswirtschaftsministerium bei der Frage, welche Gewinne den Unternehmen Leag und RWE durch das vorzeitige Abschalten von Kraftwerken entgehen, in mehreren Punkten verkalkuliert. Die Kalkulation der Strom- und CO2-Preise ist laut Ember „willkürlich“ erfolgt. Die Berechnung basiere auf den durchschnittlichen Preisen für Ökostrom und CO2 vom Januar 2017 bis Dezember 2019. Pro Tonne Kohle müssen die Energiekonzerne Zertifikate kaufen, um die Emissionen zu kompensieren. Das Wirtschaftsministerium ging von 17 Euro pro Tonne aus, dabei hatte der Preis schon Ende 2020 bei 22 Euro gelegen. Inzwischen liegt er bei mehr als 50 Euro. Je höher der Preis, desto unwirtschaftlicher wird die Braunkohle.

Emissionszertifikate unterbewertet

Die Preise für Ökostrom sind laut Ember-Analyse seit 2017 „nahezu kontinuierlich“ gefallen. Hätte das Ministerium die Terminpreise für Strom und CO2-Zertifikate des Jahres 2020 zugrunde gelegt, verringerten sich die Ausgleichszahlungen von 4,35 auf 2,6 Milliarden Euro. Überdies habe man angenommen, dass die Fixkosten für die Unternehmen gleich blieben, selbst wenn Kraftwerke und Tagebaue geschlossen werden. Kritisch bewerten müsse man auch die Kompensationen von bis zu fünf Jahren für das vorzeitige Abschalten von Kraftwerken. Drei Jahre seien genug.

Das Bundeswirtschaftsministerium betont laut „Correctiv“, die umstrittene Entschädigungsformel sei ein Entwurf gewesen und nie zur Anwendung gekommen. Später seien neben entgangenen Gewinnen weitere Faktoren wie Tagebaufolgekosten und Sozialkosten eingeflossen. Ist es also Zufall, dass trotz der Einbeziehung völlig anderer Faktoren am Ende die gleiche Summe von 4,35 Milliarden steht?

An solche Zufälle mag Oliver Krischer nicht glauben. „Diese Formel bringt übertriebene finanzielle Vorteile für RWE und die Leag. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die EU Kommission das als erlaubte Beihilfe deklariert“, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete. „Peter Altmaier hat sich bewusst oder unbewusst über den Tisch hat ziehen lassen. Wir reden hier nicht über Millionen, sondern Milliarden.“

KStA abonnieren