Strukturwandel im Rheinischen RevierEin Kohlekraftwerk wird zur Denkfabrik

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Eine Reihe von Turbinen stehen in der 500 Meter langen Turbinenhalle des ehemaligen Braunkohlekraftwerks Frimmersdorf. Der zentrale Kraftwerksbau soll zu einem Innovationscampus mit IT-Infrastruktur umgebaut werden.

Eine Reihe von Turbinen stehen in der 500 Meter langen Turbinenhalle des ehemaligen Braunkohlekraftwerks Frimmersdorf. Der zentrale Kraftwerksbau soll zu einem Innovationscampus mit IT-Infrastruktur umgebaut werden.

65 Millionen Euro Strukturhilfen sollen in das alte Kraftwerk Frimmersdorf fließen, um es zu einem IT-Innovationszentrum zu verwandeln.

Die alte Maschinenhalle des Braunkohlekraftwerks Frimmersdorf im Rheinischen Revier hat wohl noch jeden begeistert, der sich für Industrie-Architektur interessiert. 550 Meter lang, mehr als 110.000 Quadratmetern Fläche, schmeckt und riecht die Halle mit ihren schweren Turbinen noch immer nach harter Maloche eines Kraftwerks, das in den 1960er Jahren das größte in Europa war. Mehr als 2000 Menschen fanden hier Arbeit.

Ein Rohdiamant mit Strahlkraft für die gesamte Region
Ina Scharrenbach (CDU), NRW-Kommunalministerin

In diesem Ambiente muss man ins Schwärmen geraten. Das geht selbst der sonst eher nüchternen Ina Scharrenbach (CDU) so. Die Kommunalministerin von NRW spricht an dem Tag, an dem Frimmersdorf in eine neu, von fossilen Brennstoffen befreite Zukunft gehen soll, von einem „Rohdiamanten mit Strahlkraft für die gesamte Region“, Grevenbroichs Bürgermeister Klaus Krützen (SPD) von einem „Leuchtturm der Transformation“.

In einem Werkstattverfahren, das 25 Monate in Anspruch nahm, haben sich Vertreter aus der Politik, des RWE-Konzerns und Denkmalschützer mit der Frage beschäftigt, wie man den ehemaligen Kraftwerksstandort mit neuem Arbeitsleben füllen kann, ohne zuvor das gesamte Gelände mit rund 70 Hektar Bauland plattzumachen.

Jetzt liegen die Pläne auf dem Tisch. „Aus der Maschinenhalle wird eine Denkfabrik“, sagt die Ministerin und klingt dabei so überzeugend, als sei das alles schon in trockenen Tüchern. Ist es nicht, aber den ersten Schritt wird das Land NRW selbst gehen.

Landesbetrieb IT.NRW plant neues Rechenzentrum

Der Landesbetrieb IT.NRW wird auf immerhin 20.000 Quadratmetern ein neues Rechenzentrum errichten. Das soll, so hofft die Landesregierung die Initialzündung sein, aus Frimmersdorf den Digital- und Innovationsstandort im Rheinischen Revier zu machen. Darüber hinaus soll auf dem Gelände ein Innovations- und Bildungscampus für IT-Sicherheit der öffentlichen Verwaltung entstehen.

Auf Frimmersdorf sei die Wahl auch deshalb gefallen, weil „es der einzige IT-Standort in NRW ist, der höchsten Sicherheitsstandards genügt“, so Scharrenbach. Die massive Bauweise der Turbinenhalle erfülle alle Anforderungen an kritische Infrastruktur in Krisen, vor allem bei Naturgefahren, wie Erdbeben, Starkregen oder Sturm.

Der Standort eigne sich für IT-Rechenzentren auch deshalb besonders, weil die Betriebsanlagen des alten Kraftwerks und die Nähe zum Hochspannungsnetz gute Voraussetzungen für eine sichere Versorgung mit großen Strommengen bieten.

Industrie-Denkmalpfad und Raum für Kulturveranstaltungen

Die Chancen, dass das Vorhaben gelingt, sind groß. Weil die Maschinenhalle all das bietet, was von IT‘lern geschätzt wird. Ein außergewöhnliches Arbeitsumfeld, das viele Entfaltungsmöglichkeiten bietet und jede Menge Platz.

Die Halle soll durch ein Haus-in-Haus-Konzept mit Leben gefüllt werden und dabei auch Raum für Kulturveranstaltungen bieten. Um den besonderen architektonischen Wert des Kraftwerks zu unterstreichen, will der Landschaftsverband Rheinland (LVR) einen Denkmalpfad einrichten, der künftigen Generationen an einem Ort, der einst zentral für die Energieversorgung der alten Bundesrepublik war, den Weg von der Kohle zum Strom verständlich macht.

Ein Gruppenbild in der großen Halle des ehemaligen Kraftwerks zeigt beteiligte aus Politik und Wirtschaft.

Sie stellten die Pläne für das Kraftwerk Frimmersdorf vor (v.l.): Klaus Krützen, Bürgermeister von Grevenbroich, Corinna Franz, Kulturdezernentin beim LVR, Kommunalministerin Ina Scharrenbach, Hans-Jürgen Petrauschke, Landrat des Rhein-Kreis Neuss und RWE-Vorstand Lars Kulik.

Ein kleines Fragezeichen aber bleibt. Für das Projekt stellt der Bund aus den Fördermitteln für den Strukturwandel bis zu 65 Millionen Euro zur Verfügung, die das Land Ende 2024 beantragen will. Das klingt viel, wird aber bei weitem nicht reichen, wenn es keine weiteren Investoren gibt. „Das glauben wir aber nicht. Das ganze Projekt muss wirtschaftlich sein“, sagt die Ministerin voller Zuversicht. „Wenn wir keine Investoren finden, ist verabredet, dass die Maschinenhalle nicht erhalten werden kann.“ Es gebe schon erste Anfragen und Interessenten, bestätigt Grevenbroichs Bürgermeister auf Nachfrage.

Unabhängig von der neuen Nutzung der Maschinenhalle haben sich der RWE-Konzern und die Stadt Grevenbroich im Herbst 2023 auf eine Entwicklung der Nordfläche verständigt, auf der die alten Kraftwerksblöcke P und Q stehen.

Mit dem Rückbau von technischen Anlagen auf der übrigen Fläche soll frühzeitig begonnen werden. Für die Erschließung und Vermarktung der Hauptfläche des Standortes, dazu gehören die westlichen Flächen neben dem zentralen Kraftwerksbau, soll eine öffentlich-rechtliche Gesellschaft gegründet werden. Die Vorbereitung und Suche nach einem Investor für die Herrichtung des zentralen Kraftwerksbaus wird voraussichtlich Ende 2024 starten.

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