IW-Studie zu InflationsfolgenWarum manche Haushalte durch Entlastungen mehr im Geldbeutel haben

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A woman chooses products from the fruit and vegetable counter at a store of the Penny supermarket chain in Berlin, Germany, on August 1, 2023.

Obst und Gemüse sind deutlich teurer geworden

Mit mehreren Entlastungspaketen hat die Bundesregierung auf die starke Teuerung reagiert. In manchen Fällen stehen Haushalte in der Folge sogar finanziell besser da, so eine IW-Studie.

Selten war die Stimmung in diesem Land so mies wie derzeit. Nach den Jahren der Corona-Pandemie folgte der russische Angriffskrieg mit all seinen Verwerfungen und geopolitischen Unsicherheiten. Wirtschaftlich schlägt dabei den Verbrauchern und Verbraucherinnen vor allem die vergleichsweise hohe Inflation aufs Gemüt. Die Folgen sind für jeden deutlich spürbar - beim Einkaufen, beim Tanken, bei Heizen.

Dabei galt die Geldwertstabilität in Deutschland jahrzehntelang als hohes Gut und niedrige, einstellige Teuerungsraten als Normalmaß. Noch nie hat der Staat so viel Geld zur Bewältigung einer Krise ausgegeben wie in den vergangenen zwei Jahren. Die Bundesregierung hat sich mit einer Vielzahl von Maßnahmen Mühe gegeben, ihre Bürger von hohen Preissteigerungen zu entlasten.

Bundesregierung verabschiedete 28 Maßnahmen

Eine Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt nun, wer in welchem Umfang profitiert hat. Das Ergebnis schon mal zusammengefasst: Insgesamt hat der Staat sein Ziel erreicht und einen Großteil der Mehrbelastungen ausgeglichen – allerdings erhielten auch diejenigen Hilfe, die keine gebraucht hätten. In manchen Fällen stehen Haushalte in der Folge sogar finanziell besser da, so die Studie.

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Insgesamt 28 Maßnahmen hat die Bundesregierung auf den Weg gebracht – darunter Preisbremsen für Strom und Gas, das 9-Euro-Ticket und die Senkung der Energiesteuer auf Benzin und Diesel. Unterm Strich haben die Pakete rund 240 Milliarden Euro gekostet, zudem gab es für viele eine arbeitgeberfinanzierte steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von bis zu 3.000 Euro. Diese Prämie dürfen Arbeitgeber ihren Beschäftigten bis Ende 2024 auszahlen. Aber nicht jeder Arbeitgeber macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Wenig Hilfe für kinderlose Normalverdiener

Insgesamt haben sich die Maßnahmenpakete laut IW-Studie gelohnt: Die Politik hat es geschafft, einen großen Teil der Belastungen abzufedern. Besonders Menschen mit geringem Einkommen haben von den staatlichen Entlastungen profitiert. Konkret heißt das: Eine vierköpfige Familie mit einem Jahresbrutto von 40.000 Euro muss dieses und vergangenes Jahr durch die Preisanstiege 5.388 Euro mehr zahlen. Relativ zum Nettoeinkommen liegen die Belastungen bei 7,6 Prozent im Jahr 2022 und 6,8 Prozent im Jahr 2023. Der Staat entlastet hier mit 8.543 Euro, was ein Plus von 3.155 Euro ergibt. Hauptgrund sind hierbei die Erhöhungen des Wohngelds und des Kinderzuschlags, die insbesondere Familien mit geringen (Erwerbs-)Einkommen unterstützen.

Weniger staatliche Hilfe erhalten kinderlose Normalverdiener: Ein Single mit einem Einkommen von 45.000 Euro zahlte durch die Preisanstiege 2022 und 2023 insgesamt 3.360 Euro. Die Belastungen liegen relativ zum Nettoeinkommen bei 6,2 Prozent und 5,4 Prozent in den beiden Jahren. Vom Staat gibt es 808 Euro Entlastungen, es bleibt eine Lücke von 2.552 Euro. Bekommt der Single die volle steuerfreie Einmalzahlung vom Arbeitgeber, wurde er um 448 Euro überkompensiert.

Größte Lücke bei Gutverdienern

Die größte Lücke bleibt bei Gutverdienern: Bei Singles mit einem Einkommen von 75.000 Euro bleibt nach staatlicher Entlastung eine Lücke von 2.861 Euro – sofern es vom Arbeitgeber keine Inflationsausgleichsprämie gibt. Bei Familien mit 120.000 Euro Jahreseinkommen bleibt eine Lücke von rund 6.000 Euro.

Die Berechnungen zeigen, dass der Staat sein Ziel durchaus erreicht hat, sagt IW-Steuerexperte Martin Beznoska: „Wer nur ein kleines Einkommen zur Verfügung hat, wurde durch die Preissteigerung besonders getroffen. Der Staat hat hier vor allem durch das Wohngeld für umfangreiche Entlastung gesorgt.“ Allerdings seien nicht alle Maßnahmen zielgenau: Teilweise profitierten auch diejenigen, die eigentlich keine staatliche Hilfe gebraucht hätten, etwa ein Single mit einem überdurchschnittlichen Jahreseinkommen von 75.000 Euro. „Hier wäre künftig mehr Augenmaß sinnvoll“, sagt Beznoska. „Schließlich kommen die Steuerzahler für die hohen Ausgaben auf.“ Entlastungspakete nach dem Gießkannen-Prinzip verengten den fiskalischen Spielraum in anderen Politikfeldern oder verschöben Lasten in die Zukunft.

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