„Das Viertel braucht uns“

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"Köln-Porz Deadline": Jonathan, Patrick, Adnan und Achref (v.l.n.r.).

"Köln-Porz Deadline": Jonathan, Patrick, Adnan und Achref (v.l.n.r.).

Die Diskussion über benachteiligte Viertel und Jugendgangs hält an. Mittendrin gibt es Jungs, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Als „Köln-Porz Deadline“ rappen sieben Jugendliche mit Migrationshintergrund über ihr Viertel.

Hochhäuser, Wohnsiedlungen, Plattenbauten, Beton - das ist Alltag für sieben Jugendliche aus Köln-Porz. „Wir sind Vorstadtkids, wir atmen Beton“, singt der 17-jährige Dihad. „Sozialhilfe ist das, wovon die meisten leben“, rappt Janni (17).

Die sieben Jungs aus Falkenhorst und Finkenberg bilden die Band „Deadline“. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Verhältnisse in ihrem Viertel zu verbessern. „Alltag heißt für uns leere Straßen, kein Spaß, Langeweile, Gewalt“, singen sie in ihren Songs. Alle sieben Jungs sind Ausländer, jeweils aus einem anderen Land. Mexiko, Albanien, Griechenland, Indien, Dominikanische Republik, Tunesien und Kolumbien sind ihre Heimatländer.

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Vor zwei Jahren schließen sich die ersten zu einer Gruppe zusammen. Der Rest der Jugendlichen kommt später dazu. Sie kennen sich von der Schule, von Partys, von der Straße und haben denselben Wohnort. Zum Zeitvertreib fangen sie an, Musik zu machen. Die Melodie, oder „Beats“, wie die Jugendlichen erklären, nehmen sie von ihren Vorbildern. Die Texte schreibt jeder selber, entweder auf Deutsch oder in seiner Muttersprache. Seit einiger Zeit hilft ihnen der Cousin von Achref, Künstlername A.C.H., mit der Musik. Murrat Faisel ist sozusagen der Manager beziehungsweise der DJ der Gruppe.

In Köln-Porz fühlen sich die Jungs isoliert. „Abgetrennt von der Großstadt, wir leben in der Vorstadt“, ist der Refrain eines ihrer Lieder. In ihrem Viertel geht es für die meisten jeden Tag ums Überleben, erzählen sie: Männer schlagen ihre Frauen, viele sind ungebildet und hätten keine Ziele für die Zukunft. Und die Meinung der Jugendlichen werde nicht ernst genommen. „Niemand spricht die Wahrheit aus. Unser Oberbürgermeister Fritz Schramma sollte sich unsere Texte mal anhören“, sagt der 17-jährige Patrick, der unter dem Künstlernamen Joe Vegaz rappt, „oder vielleicht sollte er zu uns nach Hause in die Treppenhäuser kommen. Dann würde er sehen, was dort für Zustände herrschen.“

Mit ihren Songs wollen sie bekannt und endlich ernst genommen werden. Obwohl sie fast alle in Deutschland geboren sind, prägt sie ihre Herkunft und ihre Kultur. Diese wollen sie vermitteln. Sie fordern Unterstützung für Migranten. „Die meisten können kein Deutsch, haben nichts zu tun. Hier gibt es keine Freizeitmöglichkeiten“, erklärt Patrick. Der Siebzehnjährige ist in Köln geboren. Sein Vater ist Deutscher, seine Mutter Mexikanerin. Nach dem Realschulabschluss an einer Schule in Eil besucht er nun die höhere Handelsschule in Deutz. Später möchte er gerne Journalist werden. Ein Medienberuf, zum Beispiel beim Fernsehen, wäre sein Wunsch. In seiner Freizeit macht er Musik und Kampfsport mit einem seiner Kumpels. „Das ist besser, als auf der Straße rumzuhängen.“

Die Band will der Außenwelt ihr Viertel zeigen. „Viele wissen nicht, was hier abgeht“, sagt Patrick. Anstatt Autos anzuzünden, machen sie Musik. „Wir haben uns verändert. Schlägerei ist nicht das Einzige. Es geht nicht darum, Macht zu haben“, sagt A.K.O. (18). Ihre Musik ist für alle da, hauptsächlich aber für Immigranten. In ihren Texten rappen sie über das Ausländerleben in Deutschland. Sie sind keine Superhelden, aber wollen sich Gehör verschaffen, denn sie sind der Meinung, dass die Bevölkerung und die Politik etwas an den Verhältnissen ändern können. „Es soll endlich sauber werden hier“, fordert Patrick, „Wir wollen mehr Jugendzentren, und die Fußballplätze sollten erneuert werden.“

Auch in den Schulen müsse einiges geändert werden. „Dort findet der größte Teil der Entwicklung statt“, so Patrick. Die Jugendlichen fühlen sich im Stich gelassen, und deshalb rappen sie. Sie stellen fest, dass Deutsche in Einfamilienhäusern wohnen und die meisten Ausländer in Hochhaussiedlungen, wie sie. „Woran liegt das?“ fragen sie. Ihre Vorbilder sind Rapper aus Frankreich, die, wie sie, in Wohnsiedlungen leben, in denen Gewalt zum Alltag gehört.

Ihre Texte schreiben die Jungs nur nebenher. „Als Rapper hat man keine Zukunft“, meinen sie. Sie gehen fast alle auf die höhere Handelsschule in Deutz. Was sie danach erwartet, wissen sie nicht. Erst einmal wollen sie weiter Musik machen. Sie wollen mehr Menschen ansprechen und weiter für ihr Viertel kämpfen. Gerade haben sie das zweite Mixtape abgeschlossen.

Auftritte hatte die Band bisher noch keine. In Köln werden sie aber schon auf der Straße erkannt. „Natürlich gibt es auch Nachmacher. Aber wir wollen keinen provozieren und fangen deshalb auch keine Konflikte mit anderen Gruppen an“, sagt A.C.H. „Wir werden weitermachen wie bisher, denn das Viertel braucht uns.“

Zu hören ist die Band normalerweise im Internet auf  www.KPDeadline.tk Die Seite befindet sich aber derzeit im Aufbau. Dort werden die Videoclips und die zwei Mixtapes „Deadline Mixtape #1 - Live aus der Vorstadt“ und das „Ja2Ni & Diahd - 51iger Mixtape“ zu finden sein.

Wer die Musik jetzt schon hören will, braucht nur „Köln Porz Deadline“ zu googeln. Als ersten Hit bekommt man die Seite  www.kanalb.de über die man das erste Video der Jungs runterladen kann.

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