15 Minuten am Tag reichenKölner Mutter und Sohn starten Sport-Programm für Best Ager

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Lia-11-Russian Twist Startposition

Der Russian Twist in der leichten Version: Beine auf der Matte und den Oberkörper nach rechts und links drehen. Dabei die Bauchmuskulatur anspannen.

Köln – „So, Mutter, jetzt machst du dein eigenes Programm. Nicht zu anstrengend und auch nicht zu leicht. Eben das, was zu dir passt und was die Leute schaffen können.“ Die „Mutter“, das ist Lia Greskowiak, 67 Jahre alt. Ihr Sohn Arne und sein Geschäftspartner Sebastian Lange starteten im ersten Lockdown mit Sport@Home das kostenlose Online-Sport-Programm für jedermann von Fit.Köln. Es folgten eine Kids-Variante und seit März dieses Jahres gemeinsam mit seiner Mutter Lia Greskowiak, einer ehemaligen Pharmazeutisch Technische Assistentin (PTA), die zudem eine Fitnesstrainer-Lizenz hat, das Angebot für Best Ager. Hier gibt es Inspiration und Anleitung, wie sich Menschen ab 60 im Lockdown fit halten können.

„Meine Mutter ist klein, fit, grauhaarig und offensichtlich keine 20 mehr“, beschreibt Arne Greskowiak . Deshalb sei das, was sie anderen ihrer Altersklasse in den 15 bis 20 Minuten dauernden Einheiten an Bewegung „verordnet“, glaubhaft und für jeden machbar – ohne dass man schnaubt und am nächsten Tag von Muskelkater geplagt wird.

Arne Greskowiak-Foto-Tobias-Trosse

Arne Greskowiak ist Athletik- und Personaltrainer.

„Das schreckt doch ab, wenn man sich drei Tage lang nicht mehr richtig bewegen kann“, sagt Sohn Arne. Solche Erfahrungen endeten oft damit, dass man sich sagt: Nie wieder. „Nur das, was uns gut tut, das wiederholen wir. Was weh tut, nicht.“

Aus Disziplin wird Motivation

Idealerweise fühle man sich nach dem ersten Training schon besser, weil sich das Gefühl einstelle, etwas für sich getan zu haben ohne erschöpft zu sein. Die Devise von Lia und Arne: „ Es reicht, wenn du es 15 Minuten lang machst, aber mach es regelmäßig.“ Beide wissen, was hinter dem Wort „regelmäßig“ steckt: Erst muss man Disziplin zeigen, und wenn man es ein paar Mal gemacht hat, wird aus der Disziplin Motivation.

Für die, die sich schon immer gern bewegt haben, sind kleine oder größere Sporteinlagen am Tag auch in Corona-Zeiten kein Problem. Für alle anderen schon. „Wer wenig oder noch nie Sport gemacht hat, der schnappt sich nicht die Laufschuhe und rennt los. Er wird erst mal in den eigenen vier Wänden anfangen, wo er allein ist und keiner ihn sieht.“

Lia-10- Liegestütz auf Knien

Ein Klassiker in der leichteren Ausführung: Liegestütz auf den Knien.

Und genau da will Lia Greskowiak Gleichaltrige abholen. „Man muss die erste Hürde schaffen.“ Stellt man fest, dass es erstaunlicherweise ganz gut funktioniert, dann paart sich mit diesem Gefühl Selbstbewusstsein und die Lust auf mehr.

Die eigenen vier Wände sind im Lockdown ohnehin die einzige Alternative zu den Wald- und Wiesenwegen, die vornehmlich von denen bevölkert werden, die schon immer gejoggt oder gewalkt sind. „Die Kluft zwischen denen, die wenig und jetzt noch weniger machen als vorher und denen, die schon immer was gemacht haben, wird noch größer – auch und vor allem bei den Best Agern.“

Perfektes Sport-Programm für den Lockdown

Die Zielgruppe ab 60 ist in der Pandemie-Zwickmühle: Man habe wenige oder keine Verpflichtungen mehr, mit anderen treffen dürfe man sich nicht, weil soziale Kontakte mit Blick auf die Infektionsgefahr zu unterlassen sind, maximal zum Einkaufen gehe man vor die Tür, ansonsten sitze man zu Hause. Einen Schrittzähler muss man bei diesem Tagesablauf gar nicht erst aktivieren, denn es gibt eh nix zu zählen. Auch Lia und ihr Mann müssen sich motivieren und aufraffen, mal eine Tour in der Eifel zu machen und um die Maare zu wandern oder mal zwei Stündchen im nahen Umfeld spazieren zu gehen, egal wie schlecht das Wetter ist.

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Für die PTA im Ruhestand war ihr neuer Job als Fitness-Trainerin aufregend. Mutterseelenallein stand die 67-Jährige auf dem Rasen des Rhein-Energie-Stadions in Köln-Müngersdorf und machte dort ihre Übungen mit Ansage vor laufender Kamera: Liegestütz ganz normal, Liegestütz in der leichten Version. Kniebeuge mit Stuhl, Kniebeuge ohne Stuhl, Russian Twist mit Füßen auf der Matte oder mit angehobenen Beinen. Dabei hat sie sich gelegentlich schon gefragt: Kann ich das, bin ich gut genug, werden die Leute das annehmen? Sohn Arne: „Oft haben Ältere Scheu, was Neues anzufangen. Ich habe gesagt: Mutter, du machst das. Das wird dir gut tun. Das ist eine tolle neue Erfahrung.“ An den Anleitungen haben beide gefeilt. Arne Greskowiak: „Zuerst war das wie bei der Bundeswehr. Da habe ich gesagt: Mutter, die Leute sollen keine Angst vor dir haben, die sollen mitmachen.“ Anlauf Nummer zwei klappte problemlos.

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Best Ager-Trainerin Lia Greskowiak 

Der Athletik- und Personal-Trainer Greskowiak hat mit Gratis-Sportkursen online, konzipiert für Jedermann, beste „Einschaltquoten“ erzielt, sowohl im ersten als auch aktuell im zweiten Lockdown. Im März 2020 legte er los. Als alles dicht machte, ging er „auf Sendung“, 20 Minuten täglich. Mit dabei als Organisatoren die Stadt Köln, ihr Sportamt sowie viele Promis. Mal schaute Frühstücksfernseh-Moderatorin Marlene Lufen vorbei, mal der Schauspieler, Sänger und Moderator Oli P., mit dabei waren auch schon der Kapitän der Kölner Haie Moritz Müller, Mark Uth von Schalke 04, die Schauspielerin Liz Baffoe oder der Kasalla-Frontmann Basti Campmann und viele andere. Alle kamen, natürlich ohne Honorar, machten mit, schwitzten, keuchten, strampelten sich ab und zeigten denen, die zu Hause mitturnten, dass auch Promis ihre liebe Not haben, die eine oder andere Übung formschön zu schaffen.

Im ersten Lockdown war jeden Abend „Sport@Home“ angesagt. „Wir hatten super Zahlen. 100 000 haben sich auf Youtube, Instagram, Facebook zugeschaltet.“ Arne Greskowiak: „Wir hatten verschiedene Schwierigkeitsgrade, daher konnten komplette Familien mitmachen: Papa, Mama und zwei Kinder haben vor dem Bildschirm geturnt, nur mit dem eigenen Körpergewicht, denn die meisten haben ja kein Material zu Hause, höchstens eine Matte.“

Lia-2-Armstuetz-Stuhl

Starke Arme durch Training am Stuhl: Langsam mit dem Gesäß rauf und runter gehen.

Positive Rückmeldungen kamen reichlich. „Als wir das Projekt nach dem ersten Lockdown beendeten, wurden wir gefragt: Warum hört ihr auf? Macht doch weiter! Beim zweiten Lockdown hieß es: Na, was ist jetzt, wo seid ihr?“ Das war die Initialzündung für die Fortsetzung des Programms und dessen Erweiterung für Kinder und die 60-Plus-Generation.

Fitness-Angebot für Kinder

Das Kinder-Programm wurde allen Schulen mit Hilfe des städtischen Schulamts angeboten. „Jede Schule, jede Klasse, jeder Lehrer erhielt morgens von uns eine Mail, wo man das Programm runterladen und wie man es in den Unterricht einbauen kann.“ Das Kinderthema lag Arne Greskowiak und seinem Geschäftspartner am Herzen. Einen geeigneten Trainer hatten sie in ihren eigenen Reihen, „denn Kinder muss man anders ansprechen“. Zum Beispiel mit „Training im Zoo“, wozu nun mal gehört, dass man geht wie die Affen, kriecht wie eine Schlange, rumwuselt wie ein Erdmännchen oder auf einem Bein steht wie die Flamingos.

Das könnten Best Ager sich ja auch mal an solchen Tagen vornehmen, an denen nix so richtig klappen will. In den eigenen vier Wänden den Gorilla laufen lassen oder im Einbeinstand als Flamingo Kaffee zu kochen... Das wäre vielleicht ja mal einen Versuch wert – sieht ja keiner, in den eigenen vier Wänden.

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