„Karneval war verknöchert“Bläck Fööss spielen nach 27 Jahren wieder mit Tommy Engel

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Tommy Engel und Erry Stoklosa

  • Die Bläck Fööss, Mutter aller kölschen Bands, feiern ihren 50. Geburtstag mit zwei Jahren Verspätung.
  • Bei den drei Konzerten auf dem Roncalliplatz ist auch Wolfgang Niedecken dabei, Guido Cantz moderiert.
  • Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ traf Erry Stoklosa und Tommy Engel exklusiv zum Interview.
  • Ein Gespräch über musikalische Anfänge, kölsche Texte, falsche Legenden, alte Geschichten und neue Herausforderungen

Köln – Die Jubiläumskonzerte zu 50 Jahre Bläck Fööss finden vom 19.-21. August 2022 auf dem Roncalliplatz statt. Mit dabei ist Tommy Engel. Wie kommt’s? Erry Stoklosa: Der Herr Engel ist ja gut zur Hälfte an unserem Jubiläum beteiligt. Die ersten 25 Jahre, wage ich zu behaupten, waren die wichtigsten. In der Zeit haben wir rund 15 Alben veröffentlicht, teilweise Goldene Schallplatten dafür bekommen. Deswegen muss der Tommy einfach bei diesen Konzerten dabei sein. Tommy Engel: Es hat beim 30sten und 40sten nicht geklappt, jetzt klappt es halt zum 50sten. Oder besser zum 52sten. Der Wolfgang Niedecken ist ja auch dabei. Stoklosa: Auch die anderen Weggefährten werden mitmachen, Peter Schütten und Kafi Biermann, der ja für Tommy in die Band geholt worden war. Hartmut Priess fehlt leider, weil ihm das Ansteckungsrisiko mit Blick auf Corona einfach zu hoch ist. Guido Cantz wird moderieren. Das soll aber eine gewisse Dynamik haben, deshalb sind wir noch dabei, die Reihenfolge zu sortieren. Wir haben ja nur zweieinhalb Stunden, die Spielzeit ist begrenzt. Punkt zehn muss Schluss sein. Man darf nach 22 Uhr in Kölle alles machen, nur keinen Krach mehr.

Gibt es noch Karten?

Stoklosa: Es gibt noch Restkarten, weil die Baustelle am Dom-Hotel noch Platz abgegeben hat. Seit dem Loveparade-Unglück in Duisburg müssen wir das Kontingent begrenzen. Zum 40sten haben die Leute ja bis in die Hohe Straße gestanden, das ist heute nicht mehr erlaubt. Aber an drei Abenden werden mehr als 20.000 Besucher live dabei sein. Und die, die keine Karten bekommen, können dann zeitversetzt zumindest die Aufzeichnung im WDR angucken.

Bläck Fööss barfuß

Tommy Engel (v.l.), Erry Stoklosa, Peter Schütten

Was erwarten Sie, Herr Engel?

Engel: Ich denke mal, dass es schön wird, besonders weil die Leute zwei Jahre warten mussten. Die Band ist ja ein Kind dieser Stadt, und der Geburtstag  muss kräftig gefeiert werden. Ich freue mich auf den Abend, weil es schön ist, mal wieder mit den Jungs auf der Bühne zu stehen. Jürgen Fritz wird auch dabei sein und Andreas Wegener am Piano unterstützen. Wir hatten jetzt die ersten gemeinsamen Proben, und es wird definitiv einige Überraschungen geben. Ja, nach all den Jahren…

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Sind seit über 50 Jahren befreundet: Tommy Engel und Erry Stoklosa, Gründungsmitglieder der Bläck Fööss, beim Gespräch im Deutzer Parkcafé.

Worauf freut man sich besonders?

Engel: Wenn ich auf die Bühne komme, dann freue ich mich. Das ist so. Wenn die Ansage kommt, und die Leute pfeifen nicht direkt, sondern freuen sich, mich zu sehen, dann find ich das schon wunderbar. (lacht) Diese Auftritte im August haben was von der Trude-Herr-Revue 1996. Davor war ich zwei oder drei Jahre gar nicht aufgetreten und schon gespannt, was passiert. Hast du immer noch den Schwarzen Peter und bist raus? Der „Böse“, der die Bläck Fööss im Stich gelassen hat? Was ja eigentlich totaler Quatsch war, weil beide Seiten sich einig waren, dass wir uns trennen. Und ich kam raus damals, und es war gut. Ich denke, diesmal wird es ähnlich laufen.

Der Knatsch interessiert doch keinen mehr, die Leute wollen die Lieder hören.

Stoklosa: Die Menschen wollen die Fööss hören, alles andere sind Interna. Was war und wer wann welchen Furz gelassen hat, interessiert doch die Frau Schmitz nicht.

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Die Fööss-Bahn wird nun zwei Jahre lang durch Köln fahren.

Wie haben Sie sich kennen gelernt?

Engel: Wir spielten in Coverbands, aber noch nicht zusammen. Aber man hat sich getroffen. Wenn wir im Rheinhotel gespielt haben etwa. Oder beim Saturday Beat im Scala-Kino in Porz.

Stoklosa: Ich erzähle das, wenn wir den Song „Rheinhotel“ spielen. Das gleichnamige Album ist ja das letzte, bei dem Thomas dabei war: Wenn sonntagabends alle Bands im Umland mit der Spielerei fertig waren, sind viele noch auf ein Kölsch un‘ Klaaf ins Rheinhotel gekommen. Schwaade über was gerade so läuft, über neue Singles aus Holland, die waren uns immer drei Monate voraus mit Radio Veronica oder Radio Caroline.

Bläck Fööss mit Niedecken

Am 13. September 1989 im Tanzbrunnen: Die Fööss mit Wolfgang Niedecken und Major Heuser  

Da hat man sich ausgetauscht. Und irgendwann wurde bei uns – damals waren wir dann schon die Stowaways und Hartmut Priess, Bömmel Lückerath und Peter Schütten war auch schon dabei - ‘ne Stelle frei. (lacht) Damals gab es ja noch Wehrpflicht und alle Nase lang musstest du Gruppenmitglieder austauschen, weil wieder einer zum Bund musste. 

Engel: Die suchten dann einen Schlagzeuger, der auch singen konnte. Und ich habe damals schon viel gesungen. Und dann hat sich das ergeben. Ich hatte 1970 schon zwei Söhne, René und Ilja,  und brauchte auch das Geld. Kai kam dann 1971 nach. Für mich war das eine Chance, die hatten gut zu tun. Auch im Karneval, da haben wir auf Bällen gespielt.

Stoklosa: „Einmal am Rhein“ und „Kornblumenblau“…

Engel: … aber auch Beatmusik. Einmal haben wir im Gürzenich mit Can zusammen gespielt. Im Keller, zwei Bühnen über Eck. Can machte dann Musik für die Weihrauchabteilung (lacht) und und wir haben Karnevalspotpourris gespielt, Walzer, Marsch und Beatmusik.

Stoklosa: Wir haben uns die Kehle wundgeschrien, um die englischen Popsongs von den Hollies möglichst originalgetreu rüber zu kriegen, und spätestens um Zehn kam dann der Literat und sagte: „Is jot jetz mit ührem englische Krom, künnt er nit jet Karnevalsmusik spelle?“ Und dann Potpourri in G, „Einmal am Rhein“, „Du kannst nicht treu sein“, „Kornblumenblau“ „Schau nicht auf die Uhr“, „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“. So wor dat! Potpurri zu Ende. Walzer. Marsch-Potpourri! (lachen beide).

Das geht einem dann schon auf den Senkel, oder?

Engel: Wir wollten alle Musiker werden und bleiben. Wir wollten damit unseren Lebensunterhalt verdienen. Für das, was da noch kommt vielleicht.

Stoklosa: An so einem Abend muss dann Graham Bonney dabei gewesen sein. Dem hat trotz Humbatäterää und Walzer und Marsch gefallen, wie wir gespielt haben. Er hat dann gefragt, ob wir so was in der Art nicht selber machen könnten – „in eurer Sprache?“  Er würde sehen, dass etwas passiert mit den Leuten, wenn bei unseren Auftritten die Muttersprache ins Spiel käme.  So kam es zum „Rievkooche-Walzer“, unserer ersten kölschen Single, die er finanziert und produziert hat. 

Dann haben Sie also einfach mal so einen kölschen Text geschrieben?

Stoklosa: Wir kriegten einen Text geschenkt. Das waren Seilschaften von mir in Porz auf der Arbeitsstelle bei der Rezag. Da hatten wir Karneval schon mal gespielt. Der Herr Luckebach sang dann zur Melodie „Trink, Brüderlein, trink“ „Mam, Mam, schnapp d‘r de Pann“ – ein schöner Text. Dann haben wir den für einen Kasten Bier gekauft (lacht) – nein, im Ernst, ich habe ihm ein Gedicht zu seiner Silberhochzeit geschrieben, und dafür haben wir den Text gekriegt. Der Kasten Bier war zusätzlich. Wir haben dann eine eigene Melodie geschrieben und bei der EMI mehrere Versionen vorgetragen. Und die haben eine ausgesucht. Da war das Kind geboren. So ist meine Erinnerung an die Gründung der Fööss.

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Mit den Bläck Fööss wurde Anfang der 70er Jahre Kölsch zur Popkultur. 

Tommy Engel kommt ja aus einer Musikerfamilie. Wie war das bei Ihnen?

Stoklosa: Eher weniger. Mein Opa hat Mundharmonika gespielt, das war alles. Graham Bonney war ja als Schlagerkünstler eine große Nummer, sehr bekannt und beliebt. Er hatte einen Vertrag mit der EMI und bei Tommys Vorgänger Bubi gewohnt, in der Simrockstraße in Ehrenfeld. Der suchte für seine Tournee eine Begleitband, das haben wir dann gemacht.

Engel: „Wähle drei, drei, drei auf der Telefon“ oder „Supergirl, oh,oho,oh“, die ganzen Nummern haben wir gespielt.

Stoklosa: Das war sehr erfolgreich damals. Wir waren mit Graham in Berlin bei der Eröffnung von „Cheetah“, der größten Diskothek Deutschlands damals. Wir waren um Mitternacht der Haupt-Act, und vor uns spielten die Fortunes und die Small Faces. Ich hab mir das angeschaut und, ich weiß nicht mehr zu wem, gesagt: „Kumm loss mer heimfahre, ich mach kein Musik mieh.“ Da singt Rod Stewart und wir machen „Wähle drei, drei, drei…“ Hallo?!? Das war verkehrte Welt. Andererseits: Schlager deit et immer noch. So, lass uns Schluß machen, alles danach ist doch bekannt (lacht).

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Bömmel Lückerath betätigte sich als Köbes.

Also zurück zu den Bläck Fööss…

Engel: Es gibt so Momente: Wenn die Chemie passt, funktioniert es auch. Mir hat das Kölsche schon immer gelegen. Also haben sie gesagt, der Kleine spielt jetzt kein Schlagzeug mehr, der geht nach vorne.

Stoklosa: Ich wusste bis zu dem Zeitpunkt nicht, dass ich überhaupt fähig dazu war, Texte zu schreiben. Für die Single mit dem „Rievkooche“-Walzer fehlte der Song für die Rückseite.  Da habe ich das Gedicht ins Spiel gebracht, dass ich für die Silberhochzeit geschrieben hatte. Das haben wir vertont. Danach habe ich angefangen, regelmäßig Texte zu schreiben.

Die Stärken der Fööss waren mehrstimmiger Gesang, die Offenheit und der Wille, neue Musikstile einzubauen, und bei den Texten immer so ein Unterton. Mal mehrdeutig, mal ironisch, …

Engel: .. es gibt aber auch klare Statements. Wir wussten politisch, was wir da tun. Wir haben uns entwickelt. Das gab uns neue Facetten, weil man in gewisse Dinge tiefer reingeht und sie von verschiedenen Seiten beleuchtet.  Wir haben bei einem Festival, ich glaub, in Mainz, gespielt, Hannes Wader war da, Franz-Josef Degenhardt.

Zwei Jahre vor dem 50-jährigen Bestehen der Bläck Fööss steigt Gründungsmitglied Hartmut Priess aus

Zwei Jahre vor dem 50-jährigen Bestehen der Bläck Fööss steigt Gründungsmitglied Hartmut Priess aus

Und wir kommen dann als Mundart-Band und singen „De Mama kritt schon widder e Kind.“ Das musste man den Leuten erklären, zumal die ja der kölschen Sprache so nicht mächtig waren. In der Rolle habe ich mich anfangs unwohl gefühlt, ich musste da reinwachsen, das vorne an der Bühne rüber zu bringen. Ich hatte aber auch den Ehrgeiz, das gut zu machen. Das war ja irgendwie auch dreist, wie wir da aufgetreten sind. Den Unterton haben die Leute nicht verstanden. Die waren ja von Wader und Co ganz andere, direkte Texte gewohnt.

Stoklosa: Wenn wir dann eindeutig politisch wurden, sind wir meistens angeeckt. In der Zeitung hieß es dann „väterlich ermahnt vom Bürgermeister“. In einem Song wie „Top, ävver beklopp“ haben wir alles aufgezählt, was schief gelaufen ist in oder um Köln, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Das fanden nicht alle lustig.

Engel: Wir leben in einer gefühlten Kleinstadt, auch wenn es mittlerweile mehr als eine Million Einwohner sind. „Meyers Kättche“ versteht einer, der von außerhalb kommt, doch gar nicht. Wir haben es gemacht, weil es eine schöne Geschichte ist. Der Hans Knipp, der das geschrieben hat, hat ja ganz früh mit solchen Texten angefangen. „Mir schenke der Ahl e paar Blömcher“ ist ein hochpolitischer Text.

Mer losse der Dom in Kölle auch.

Stoklosa: Da ist ‘ne Falschmeldung unterwegs seit 50 Jahren. Ausgangspunkt war der Satz: Wir lassen die Kirche im Dorf. Wie können wir den ins Kölsche übertragen? Hartmut und Hans haben das gemacht. Der Rest ist Geschichte.

Welche Rolle spielte der Karneval?

Engel: Wir haben bei dem, was wir machten, zu viel an Karneval gedacht. Wir mussten immer eine Karnevals-kompatible Nummer haben. Das war schwer genug. Manchmal haben wir uns daran aufgerieben und uns gestritten. Bei einer Demokratie aus  sechs Leuten (lacht) musste man dann schon mal auf den Putz hauen, wenn es falsch läuft.  

Stoklosa: Der Karneval war Fluch und Segen zugleich. Jedes Jahr einen Song abzuliefern ist eine Wahnsinns-Bürde. Andererseits hatte man jede Session die Möglichkeit, sich und seine Lieder neu zu präsentieren. Aber es hat eben auch nicht alles funktioniert. „Indianer kriesche nit“ oder selbst „Schötzefest“ sind zwar heute Evergreens, haben es im Karneval aber nicht getan. Da haben wir in Nasenlöcher geguckt nach dem Motto: „Was singen die denn da?“.

Die Akzeptanz kam also erst später?

Stoklosa: Viel später. Die kam übers Volk. Wir konnten sehr früh übers Jahr tingeln, Sommerfeste, Schützenfeste, Hoteljobs. Da warst du nah am Volk, was du ja im Gürzenich bei der Proklamation nicht unbedingt bist (lacht).

Engel: Live übers Jahr ist das Richtige. Du stehst vor den Leuten und alles ist gut. Du hast was zu erzählen, die hören dir zu. Die kommen wegen dir. Im Karneval gehen sie auf die Sitzung und wollen unterhalten werden. Der Event steht im Vordergrund, wer da spielt, ist zweitrangig.

Die Bläck Fööss als Teil eines Kartenspiels.

Die Bläck Fööss als Teil eines Kartenspiels.

Der Karneval hat sich seit Anfang der 90er Jahre aber auch verändert.

Engel: Das war total verknöchert vorher, absolut richtig. 

Stoklosa: Die waren ja auch nicht verkleidet, die Leute, die kamen im Frack. Groß hat uns die Basis gemacht.  Auf den Pfarrsitzungen in den Veedeln, da hast du das Volk getroffen.

Engel: Die Leute nehmen dich, und das ist gut so. „Dat sin uns Bläck Fööss“. In den Sälen kam der Applaus anfangs immer von hinten. Vorne saßen eh immer dieselben, egal ob im Sartory oder im Gürzenich. Da vertat man sich schon mal mit den Mützen. Wir kamen barfuß mit Jeans und langen Haaren. Ich hatte so eine Art Frack an und sonst nackten Oberkörper. Abgeschnittene Jeans. Hörens, wat solle die denke? Wenn wir uns im Foyer die Schuhe auszogen, riefen die Gäste den Hausherrn Jochen Blatzheim, weil sie dachten, da wollen irgendwelche Spontis die Bühne stürmen. Was meinst du, was da los war?

Die Fööss waren auch oft im Fernsehen.

Stoklosa: Die Medienlandschaft damals war ja noch ganz anders. Der WDR hat jede Menge Videos mit uns produziert für den WWF-Club. In dem Jahr, als „Frankreich, Frankreich“ erschien, hatten wir 15 Auftritte in großen TV-Shows. Heute kriegst du ein kölsch gesungenes Lied doch nicht mal mehr ins Radio, vom Fernsehen ganz zu schweigen. Ich lehne mich jetzt weit aus dem Fenster, ich weiß, aber den Dialekt bundesweit salonfähig zu machen, ist uns nicht gelungen. Für viele Menschen in der Republik sind die meisten Lieder in kölscher Sprache reine Karnevalslieder und somit bist du auch eine Karnevals-Band. Also wer braucht die Lieder schon übers Jahr und Karneval ist eh nicht jedermanns Sache.

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