„Mama, hilf mir!“Kölnerin wurde Opfer eines Schockanrufs – Betrüger nutzen Angst aus

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Senff und Barlen

Karin Barlen (r.) mit ihrer Tochter Anja Senff 

Köln – „Mama, Mama, hilf mir! Es war die Stimme meiner Tochter Anja, die um Hilfe schrie. Das schwöre ich“, erzählt Karin Barlen. Aber es war nicht Anja. Beinahe wäre die 83-jährige Seniorin Opfer eines telefonischen Trickbetrugs geworden und hätte ihr Erspartes, rund 15.000 Euro, einem Betrüger übergeben. Noch heute versagt ihr die Stimme, wenn sie an den 6. April zurückdenkt, als um halb zwölf das Telefon klingelte.

Die Polizei spricht bei dieser Betrugsmasche von „Straftaten zum Nachteil älterer Menschen“, in diesem Fall wäre Barlen fast Opfer eines so genannten Schockanrufs geworden. Die Betrüger sitzen gut organisiert in meist ausländischen Callcentern in der Türkei und in Polen, in denen sie systematisch deutsche Telefonbücher abtelefonieren. Die Masche hat Erfolg.

Brühler übergibt falschen Gerichtsmitarbeiterin 10.000 Euro

2021 verzeichneten die Kölner Ermittler stadtweit 1467 Taten mit einem Gesamtschaden von über 1,5 Millionen Euro. In den ersten vier Monaten in diesem Jahr wurde bereits 547 Anzeigen erstattet. Am 9. Mai erst haben Betrüger einen 66-jährigen Mann aus Brühl dazu gebracht, einer falschen Gerichtsmitarbeiterin über 10.000 Euro Bargeld in Sülz zu übergeben. Auch hier hatte der vermeintliche Sohn weinend bei seinen Eltern angerufen.

Barlen hatte Glück. Die Geldübergabe wurde von einem Sparkassenmitarbeiter vereitelt, der ohne triftigen Grund weder ihr Girokonto noch das Sparkassenkonto auflösen wollte. Tatsächlich handeln die Telefonopfer nicht mehr rational, weil über das Telefon ein enormer Druck aufgebaut wird. Eine Ausnahmesituation, die bei Frau Barlen mit dem Schreien ihrer Tochter begann.

„Wie schrecklich, einen Menschen tot zu fahren“

Es meldete sich dann eine vermeintliche Polizistin, angeblich von einem Unfallort. Tochter Anja hätte im Auto mit dem Handy telefoniert und einen Fahrradfahrer angefahren. „Sie hat mich dann nach dem Geburtsdatum meiner Tochter gefragt und sagte, etwas Schreckliches sei passiert“. Den Rest musste die schockierte Mutter erfragen. Das gehört zum Trick. Das Opfer wird in eine Bittsteller-Rolle gebracht. Die vermeintliche Polizistin erklärte, dass der Radfahrer noch am Unfallort verstorben sei. „Da war mir klar, warum meine Tochter so geweint hat. Wie schrecklich, einen Menschen tot zu fahren", ging es Barlen durch den Kopf. Heute wundert sie sich, dass sie gar nicht darauf gekommen ist, dass ihre Tochter immer mit Headset telefoniert.

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Die vermeintliche Polizistin spricht nun von Kaution, Haftrichter und Staatsanwalt. Mit wiederholten Anrufen bauen die Betrüger dabei immensen Druck auf und bestehen auf Verschwiegenheit gegenüber Dritten. Während des Telefonats suchte Barlen schon ihre Bankunterlagen zusammen. 60.000 Euro war die Forderung. „Ich habe nur 15.000 Euro“, gab Barlen preis - auch dies Teil der betrügerischen Masche, wie die Polizei bestätigt. So erfahren die Täter, über wie viel Geld das Opfer verfügt, und schicken es zur Bank mit dem Hinweis, das Geld nur zur persönlichen Verfügung abzuholen und mit niemandem zu sprechen. „Sie sagten mir, mit meiner Tochter kann ich erst nach dem Verhör telefonieren. Die Frau klang wie eine Juristin, ich habe ihr geglaubt“. Barlen ist nicht gut zu Fuß, aber im Kopf topfit, was ihr vielleicht bei der Bank geholfen hat.

Neue KVB-Bahn warnt vor „falschen Polizisten“

KVB Bahn Polizei

Karin Barlen vor der neuen KVB-Bahn

Im Streifenwagendesign präsentiert sich die neue Straßenbahn, die heute durch die Kölner Verkehrs-Betriebe und die Polizei Köln am Rheinenergie-Stadion vorgestellt wurde. Die Bahn wird auf den Linien 1, 7, 9, 12 und 15 eingesetzt und soll vor den „falschen Polizisten“ und Betrügern vor der Haustüre warnen.

Neben dem hier geschilderten Schockanruf und falschen Polizisten geben sich die Verbrecher als Enkel aus, denen man Geld übergeben soll, oder falschen Handwerkern oder Mitarbeitern von Stadtwerken etc. Im letzteren Fall ist das Ziel, in die Wohnung der Opfer zu gelangen.

Die Polizei rät: Immer Namen geben lassen und auf Rückruf bestehen. Bei Anrufern, die zu Verschwiegenheit aufrufen und nach Geld und Wertsachen fragen, sofort auflegen und die Polizei verständigen.  

Dort bat sie den Angestellten, er solle bei ihrer Tochter anrufen - unter dem Vorwand, sich für eine Immobilie zu interessieren. Ihre Tochter hat schließlich ein Immobilienbüro. So erfuhren die Beteiligten dann, dass die Tochter nicht auf dem Weg ins Gefängnis war. „Noch Tage später rief mich meine Mutter an und vergewisserte sich, dass es mir gut geht“, sagt Senff. „Ich war einfach nur fix und fertig und froh, dass Anja niemanden tot gefahren hat“, sagt Barlen.

An das Geld, das sie fast verloren hätte, dachte sie dabei nicht. In 90 Prozent der Fälle sind die Täter nicht erfolgreich. „Auf die Anzahl der Auslandsanrufe haben wir kaum Einfluss“, sagt Kripo-Chef Klaus-Stephan Becker. Es wird hauptsächlich präventiv gearbeitet. Die Anrufer im Ausland sind kaum zu fassen. 

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