„Warten, hoffen und beten“Amerikaner in Köln sehnen Ergebnis der US-Wahl herbei

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Comedian John Doyle

Köln – Es ist ein bisschen wie ein Kater, dieses Gefühl am Morgen nach der Wahl. Comedian John Doyle, der die ganze Nacht wach war und beim Fernsehen mit Verwandten in den USA telefoniert hat, ist enttäuscht. Außerhalb der großen Städte sei Amerika eben doch eher ländlich und provinziell geprägt – und neige deshalb zu den Republikanern. „Wir sind in unserer Mentalität immer noch ein Land von Arbeitern und Angestellten“, sagt er. Er selbst kommt aus New Jersey – Biden-Land – und wohnt seit 28 Jahren in Köln.

Nun bleibe noch die Hoffnung auf die Briefwahl-Auszählung. An diesem Donnerstagabend wird der Comedian einen Auftritt per Zoom virtuell mit Gästen im Amerika-Haus haben. Dort soll er sich mit der Präsidentenwahl komödiantisch auseinandersetzen. Er sei jetzt ziemlich müde. Und leicht deprimiert.

Auch Benjamin Becker, Leiter des Kölner Amerika-Hauses, hat kaum geschlafen. „Nun ist eines der schlechtesten Szenarien eingetreten, weil es noch eine Weile dauern kann, bis das endgültige Ergebnis vorliegt, und weil eine rechtliche Auseinandersetzung hierzu zu befürchten ist“, sagt er.

In den vergangenen vier Jahren der Präsidentschaft von Donald Trump hätten er und sein Team viel erklären müssen über Amerika, mehr als zu Obama-Zeiten. Ob sich das zukünftige Programm danach ausrichte, ob Trump oder Biden gewinnt? „Allenfalls indirekt, aber wir verfolgen ja keine politische Agenda und setzen auf Austausch und Diskussion.“

„Biden wirkt wie ein Großvater“

Der Kölner Peter Jungen, überzeugter Transatlantiker, Mitglied in den Gremien der New Yorker Philharmoniker und des Metropolitan Museum in New York, sagt: „Überrascht wäre ich nicht, wenn Trump am Ende gewinnt. Die Prognosen haben Stimmungslagen widergespiegelt – viele Trump-Anhänger sagen aber nicht offen ihre Meinung.“ Die Grundlagen amerikanischer Außenpolitik würden sich auch mit einem Sieg Bidens nicht verändern, aber der Ton. „Ich habe ihn selbst mal auf einer Sicherheitskonferenz in München kennengelernt: Er war da schon ein freundlicher, älterer Herr, der wie ein Großvater wirkt.“

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Tracie Frank Mayer, die gebürtig aus Seattle stammt und seit vielen Jahren mit ihrem deutschen Mann in Köln wohnt, sagt: „Ich als Demokrat kann nur warten, hoffen und beten, dass sich Biden durchsetzen und sich auf den Weg machen wird, Amerika zu heilen. Geduld ist eine Tugend.“

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Tracie Frank Mayer

Kölner fiebert in den USA mit Biden mit

Der gebürtige Kölner Felix Kirchhof (27) ist seit zwei Monaten in den USA als Teacher-Assistant am Allegheny College in der konservativen Kleinstadt Meadville (Pennsylvania). Die Region ist überdurchschnittlich von Armut betroffen und im County haben die Republikaner die letzten fünf Wahlen gewonnen. „Wir haben abends im Auditorium des College gemeinsam die erste Hochrechnungen verfolgt und viel diskutiert. Für Biden konnte ich vor der Wahl wenig Begeisterung entwickeln, fiebere aber trotzdem mit, dass er Trump ablöst.“ Im Falle eines Sieges von Biden machten die vielen Konflikte und die zunehmende soziale Ungleichheit ein Zurück zur „Normalität“ vor Trump unmöglich. „Viele hier am College hoffen, dass es unter Biden weitreichende Reformen gibt. In Gesprächen zeigten sich viele skeptisch, dass Biden eine solche Veränderung von alleine bringt. Im Falle eines Sieges von Trump erwarte ich auch Proteste hier auf dem Campus."

Claudia Burger vom Vorstand des Fördervereins der Kölner Städtepartnerschaften, nahm am Mittwochnachmittag – die Zeitverschiebung beträgt sieben Stunden – Kontakt mit dem Partnerverein in Indianapolis auf. Die Stadt liegt in Indiana, einer Festung der Republikaner. „Die Unsicherheit des Wahlausgangs und die drohende Gefahr von Gewalt bringt viele Menschen an ihre Grenzen“, sagt Steven J. Schmidt. „Wir warten, beobachten und drücken die Daumen, dass alles gut geht.“

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