Nach einer Auswertung des Gesundheitsministeriums gibt es in Köln die meisten Spielhallen in NRW. Die Stadt profitiert mit rund 15 Millionen Euro an Einnahmen aus der Vergnügungssteuer. Sie wurde im April 2023 von 13,08 auf 20 Prozent erhöht.
136 Spielhallen registriertKölner verspielen pro Gerät mehr als 30.000 Euro im Jahr
Die Stadt Köln gehört zu den Zockerhochburgen in Nordrhein-Westfalen. Das geht aus einer Auswertung des NRW-Gesundheitsministeriums hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ exklusiv vorliegt. Danach sind in der Rhein-Metropole 136 legale Spielhallen registriert, es folgen Dortmund (99 Spielhallen) und Duisburg (96) auf den Plätzen zwei und drei.
Landesweit gibt es dem Bericht zufolge 2474 Spielhallen. Nach Schätzungen des Wissenschaftsforums Glücksspielsucht werden die Menschen im Jahr 2024 mehr als 1,17 Milliarden Euro an Geldspielautomaten verlieren. „Eine besorgniserregende Entwicklung“, sagt Rodion Bakum, Gesundheitsexperte der SPD im Landtag. „Experten schätzen, dass bis zu 80 Prozent dieser Verluste von Personen mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten verursacht werden.“
Zum 1. Juli 2021 war der Glücksspielstaatsvertrag in Deutschland in Kraft getreten. In einem Ausführungsgesetz hatte der Landtag einen Mindestabstand von 350 Metern bei Spielhallen beschlossen. Allerdings ist in Ausnahmefällen auch eine Unterschreitung möglich. „Die Regelung ist viel zu großzügig“, sagt Bakum. „Dem Staat sind die Einnahmen aus dem Glücksspiel näher als die Gesundheit seiner Bürger“, so der Landtagsabgeordnete.
Alles zum Thema Karl-Josef Laumann
- Ausbau in Merheim Land NRW fördert Kölner Gesundheitscampus mit 250 Millionen Euro
- Bisher keine Verdachtsfälle RKI weist Erreger der Kinderlähmung im Abwasser in Köln und Bonn nach
- Job-Abbau bei Ford in Köln „Eklatanter Fehler, den die Mitarbeiter ausbaden müssen“
- „Katastrophe und unverantwortlich“ 32.000 Menschen protestieren gegen Sozialkürzungen in NRW
- 12000 Ehrenamtliche Dritte Hospiz- und Palliativtage in NRW stehen im Zeichen der Freiwilligenarbeit
- Übergangsfrist Laumann verschiebt NRW-Krankenhausreform – Kliniken erleichtert
- Kampf gegen Adipositas Lässt Laumann die Übergewichtigen im Stich? – Streit um Versorgung in NRW
Mehr als 110 Millionen Euro Steuereinnahmen durch Glücksspiel in NRW
Auch der Suchtpsychologe Ulrich Frischknecht von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Köln warnt vor den Folgen der vielen Spielhallen in Köln: „Die Omnipräsenz von Spielhallen im Stadtbild ist für Menschen mit Suchterkrankungen sehr problematisch, weil sie natürlich stärker auf solche Reize ansprechen und zum Glücksspiel animiert werden“. Glücksspielsucht habe massive finanzielle und psychische Folgen: „Betroffene verschulden sich zum Teil hoch, rutschen in prekäre Lebenssituationen, die bis hin zur Suizidalität führen können“. Menschen, die ohnehin nicht viel Geld haben, seien zudem schneller und stärker von den Folgen der Spielsucht betroffen.
Vom klassischen Automatenspiel in den 136 Spielhallen profitiert auch die Stadt Köln. Rund 15 Millionen Euro sollen nach der Erhöhung auf 20 Prozent im April vergangenen Jahres aus der Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte jährlich in den Haushalt fließen. Pro Gerät verspielen die Kölner mehr als 30.000 Euro jährlich.
„Auswüchse in Hochburgen wie Köln und Dortmund kaum zu übersehen“
Auch das Land kassiert beim Glücksspiel ab. Laut NRW-Finanzministerium hat das Land im Jahr 2019 rund 92,3 Millionen an Steuereinnahmen aus Sportwetten, virtuellem Automatenspiel und Online-Poker erzielt. Im vergangenen Jahr stieg der Betrag auf 110,5 Millionen Euro an.
Gleichzeitig setzte Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) bei den Präventionsausgaben den Rotstift an. 2024 wurden 1,5 Millionen Euro weniger eingesetzt. Im Etat für 2025 sollen die Ausgaben für die psychiatrische Präventionsarbeit halbiert werden. „Dabei sind die Auswüchse in Hochburgen wie Köln und Dortmund kaum zu übersehen“, so Bakum.
Suchtpsychologe Frischknecht meint, dass bei der Suchtprävention auch in die falsche Richtung investiert wird: „Neben mehr niederschwelligen Hilfsangeboten braucht es Maßnahmen, die die Profiteure des Glücksspiels zur Kasse bitten und die Verfügbarkeit von Glücksspielangeboten reduzieren.“
Immer wieder Razzien in Spielhallen in Köln
In Deutschland nehmen laut Glücksspielatlas Deutschland 2023 rund 30 Prozent der Bevölkerung an Glücksspielen teil. Demnach leiden etwa 1,3 Millionen Menschen an einer glücksspielbezogenen Störung, weitere drei Millionen Menschen weisen ein problematisches Glücksspielverhalten auf. Etwa jeder 13. Glücksspieler entwickelt dadurch gesundheitliche, finanzielle oder auch soziale Probleme, heißt es in dem Bericht.
Innerhalb der schwarz-grünen Landesregierung gibt es zum Umgang mit den Spielhallen unterschiedliche Ansichten. Während einerseits großzügige Abstandsregelungen erlaubt wurden, spricht sich NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann für eine Begrenzung der Zulassungen aus. „Durch eine Verfügbarkeitsreduktion werden gefährdete Bevölkerungsgruppen besser von den schädlichen Auswirkungen des Glücksspiels geschützt“, erklärte der CDU-Politiker. Eine Angebotsverknappung führe „tatsächlich dazu, dass weniger Glücksspiel betrieben“ werde. Zu einer Verlagerung auf andere Bereiche komme es kaum.
Auch in den Blickpunkt von Ordnungsamt, Zoll und Polizei geraten Spielhallen in Köln immer wieder: Vor allem in Kalk, zuletzt aber auch in der Innenstadt kam es in den vergangenen Jahren zu Razzien, die neben Cafés und Wettbüros auch Spielhallen trafen. Einige davon gelten als Rückzugsort von Tätern nach Einbruchs- und Diebstahlsdelikten, aber auch als Hotspot der Drogenkriminalität und des illegalen Glücksspiels.
In NRW gibt es derzeit insgesamt 2548 Konzessionen für Spielhallen. Das sind elf Prozent weniger als noch vor zwei Jahren. Rund 35.800 Endgeräte sind in Spielhallen und Gastronomiebetrieben zugelassen. 78 Kommunen in NRW gaben 2023 an, spielhallenfrei zu sein – das entspricht einem Zuwachs von zehn Prozent. Im Rheinisch-Bergischen-Kreis gibt es in Odenthal keine Zockerhallen. Im Kreis Euskirchen gilt das für Schleiden, Dahlem und Hellenthal. Insgesamt ist die Zahl der Spielhallenstandorte seit Anfang 2022 im Vergleich zu Anfang 2024 um acht Prozent zurückgegangen.