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50 Jahre „Lachende Kölnarena“Als 7000 Jecke Marika Rökk gnadenlos auspfiffen

Lesezeit 6 Minuten

Das hat Tradition: In der „Lachen Sporthalle“ wie in der „lachenden Kölnarena“ wird im Kostüm ausgelassen gefeiert.

Köln – Goldenes Jubiläum für das größte Karnevals-Event des Rheinlandes: Die „Lachende Kölnarena“ (früher: „Lachende Sporthalle“) geht in ihre 50. Session. Dabei hat dieses jecke Erfolgsprojekt nicht einmal in Köln angefangen. Denn der 1996 verstorbene „Erfinder“ Otto Hofner, der 1950 als Schauspieler, Sänger und Konzertmanager von München nach Köln gezogen war, hatte sich zuvor vor allem durch Tourneen und Konzerte mit Marika Rökk, Peter Alexander, Johannes Heesters und dem Don-Kosaken-Chor oder auch Schlager-Shows wie „Zehn Kanonen vom Funk“ einen Namen gemacht.

Als Hofner gefragt wurde, etwas mit Karneval zu machen, wollte er dies „anders und ganz groß“ aufziehen. Er verpflichtete zwei komplette Orchester, um Pausen zu vermeiden. Er testete sein Konzept einer neuen kölschen Volkstümlichkeit – keine Ehrengäste, keine Orden, keine Spenden – mit den Kölner Künstlern zunächst in der Dortmunder Westfalenhalle, ehe die „Lachende Sporthalle“ am 27. Februar 1965 in Deutz Premiere feierte. Auf dem Plakat noch ausgewiesen als „die große Kölner und Dortmunder Prunksitzung“.

Star im Programm war Willy Millowitsch, mit dem Hofner eng befreundet war. Der kölsche Willy war bis zu seinem Tod bei fast allen Veranstaltungen dabei: „Schnaps, das war sein letztes Wort“ im weißen Dinner-Jacket. Dabei brauchte er stets nur das erste Wort anzusingen, das Publikum sang den Rest des Programms. Wollte Millowitsch vorm Auftritt schon mal einen Blick in die Halle werfen und wurde dabei entdeckt, setzten ungeachtet davon, wer gerade auf der Bühne stand, ohrenbetäubende „Willy“-Sprechchöre ein. Hofner musste den Liebling der Kölner stets regelrecht abschirmen.

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Zum Jubiläum gibt es erstmals eine öffentliche Pressekonferenz im großen Rahmen: Rund 200 Künstler sind bei der Zwei-Stunden-Show am 28. November (12 bis 14 Uhr) in der Lanxess-Arena dabei. Dazu wird das Jubiläums-Lied und der Orden vorgestellt. Der Eintritt ist frei und für jeden Erwachsenen gibt es ein Freibier. (NR)

Ebenfalls von den Kölnern geliebt und gefeiert war Trude Herr. Obwohl sie mit Karneval eigentlich nichts mehr zu tun haben wollte, sang sie für ihren ehemaligen Theaterproduzenten Hofner „Ich will keine Schokolade“. Dabei wälzte sie sich auf der Bühne und schoss nicht selten in hohem Bogen ihre Pumps von derselben. „Die Ordner mussten aufpassen, dass das Publikum die Schuhe wieder rausrückte“, heißt es. Von den mehr als 300 Mitwirkenden der ersten Kölner Show leben nur noch wenige. Von den Künstlern nur noch Günther Eilemann, der mit seinem Trio für Stimmung sorgte, und Jutta Gersten.

„Ich hatte damals schon 15 Jahre Bühnenerfahrung und war neben Trude Herr die einzige Frau im Programm“ erinnert sich die heute 83-Jährige Gersten. Aufgewachsen in Wuppertal, hatte sie ihren Berufswunsch Kinderärztin mangels Schulgeld aufgegeben und zunächst in Lokalen und Caféhäuser zum Akkordeon Schlager und Chansons gesungen. „Ich habe darauf geachtet, dass ich Röcke mit Taschen anhatte – wegen des Trinkgelds für Musikwünsche.“ Nach und nach legte sie sich auf die „humoristische Masche“ fest und bewarb sich für Auftritte in Köln. Lieder wie „So was schönes machst du nicht mit mir“ und „Ich finde mich schön“, die sich immer um die Männer drehten, habe sie „gut verkauft. Die Leute haben gelacht.“ Die Karnevalsvereinigung Muuzemändelchen, der sie heute noch angehört, nahm sie sogleich auf. „Da machten auch Lotti Krekel und Schauspielern Barbara Schöne mit.“

„Meine Gagen waren nie überdimensional. Ich war immer eine schlechte Geschäftsfrau. Den Karneval machte ich nebenher. In Köln und im Ruhrgebiet – fürs Taschengeld.“ Auf Empfehlung des damaligen Sporthallen-Chefs Hans Grün kam sie in die Show. „Wenn sie über Männer herzog, nahm sie oft Grün, der in der ersten Reihe saß, auf’s Korn. Der machte gute Miene zum bösen Spiel“, erinnert sich Franz Wendland (81), damals Aufsichtsratsvorsitzender der Sportstätten GmbH und von 1977 bis 1999 selbst Sporthallen-Chef.

Zur ersten Garde in den Anfangsjahren zählten auch Jupp Schmitz, das Steingass-Terzett und die Vier Botze. Im Gegensatz zum heutigen Programm waren inmmer mehrere Büttenredner dabei. Damals war das Publikum noch gewohnt, zuzuhören. So den Pointen von Kurt Lauterbach und Hans Hachenberg (Doof Noss), von Karl Schmitz-Grön oder von Horst Muys. Ursprünglich Bassist im Eilemann-Trio, dann Büttenredner und Sänger („Ene Besoch em Zoo“) wurde Muys zwar mehrfach aufgrund derber Witze und Zoten vom Festkomitee aus den großen Karnevalssälen der Stadt verbannt, in der Sporthalle durfte er aber immer wieder auftreten. „Der war in der Halle ein Kracher“, sagt Wendtland. „Schmuddelwitze gingen immer irgendwie gut.“ Muys wurde wie alle Künstler von Hofner persönlich und in bar bezahlt. „Es gab stets Cash en de Täsch, Direkt nach jeden Auftritt“, weiß der heutige Veranstalter Eberhard Bauer-Hofner (71), der seit rund 40 Jahren hinter den Kulissen mitmischt. Dafür saß Otto Hofner hinter der Bühne in einer Art Beichtstuhl. Und wenn Geldscheine gegen Quittung wechselten, wurden zuvor die Vorhänge zugezogen. Bauer-Hofner: „Drumherum waren immer länge Hälse und Rabarber-Ohren. Die Höhe der Gagen war ja ein Geschäftsgeheimnis.“ Karl Schmitz-Grön und Karl Berbuer hätten oft davor gesessen und gelästert, und ein Kollege habe mal eine höheren Betrag auf seine Quittung geschrieben und diese extra in der Garderobe liegen lassen, um die Kollegen neidisch zu machen. Das war Horst Muys.

Marika Rökks erster und letzter Auftritt

Außer den kölschen Akteuren hatte Hofner bekannte Stimmen aus anderen Regionen in der Show. „Lupenreines Kölsch war nie Bedingung“, erinnert sich Bauer-Hofner. „Mitentscheidend war, wer beim Publikum ankommt.“ So stand jahrelang Camillo Felgen mit auf der Bühne. Der war in den 60er Jahren ein beliebter Rundfunksprecher beim damals viel gehörten Sender Radio Luxemburg. Doch der Versuch, auch Marika Rökk dem Karnevalspublikum unterzujubeln, scheiterte. Als der Revuefilm-Star auf einen Charleston noch einen Stepptanz folgen ließ und zudem das Mikrofon ausfiel, wurde „die Rökk“ von 7000 Jecken gnadenlos ausgepfiffen. „So etwas hatte die noch nicht gekannt“, erinnert sich Eberhard Bauer-Hofner an das Jahr 1978, in dem die damals 64-jährige Show-Größe zum ersten und letzten Mal in der „Lachenden Sporthalle“ auftrat. Die hohe Zeit der Solo-Künstler ging langsam zu Ende. 1983 läuteten die Bläck Fööss die neue Ära der Musikgruppen auf Karnevalsbühnen ein. Als Nachwuchsband hatten sie bei einer karnevalistischen Hitparade als ersten Preis einen Auftritt in der „Lachenden“ gewonnen. Damals kamen sie noch barfuß.

Auch 1999 nach dem Umzug in die Kölnarena ist das Konzept weitgehend unverändert geblieben. Eines ließen sich die Kölner auch nach dem Wechsel 1999 in „ihrer Halle“ nicht nehmen: Die Selbstversorgung mit Kölsch aus dem Pittermännchen sowie Frikadellen und Käsehäppchen aus der Kühlbox. Das war schon immer so; wenngleich es anfangs lediglich geduldet wurde. Heute ist es Kult. „Ich bin nur mal eingeschritten, als es stark nach frischen Bratwürsten vom Grill roch“, erinnert sich Wendtland. „Da hatten einige Jecke den Camping-Grill aufgebaut. Das ging gar nicht. Ansonsten war doch alles erlaubt.“

„Zum goldenen Jubiläum 2015 sind sämtliche kölschen Top-Gruppen dabei“, verspricht Stefan Löcher, der Geschäftsführer der Lanxess-Arena. Jutta Gersten allerdings, der Star aus dem ersten Jahr, möchte nicht mehr mitmachen. „Das ist mir alles eine Nummer zu groß geworden. Das Publikum hat sich verändert. Und auch die Lautstärke.“