Kommt das „9 für 90-Ticket"?VRS fordert nach Millionenverlusten schnelle Einführung

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Alle Verkehrsmittel der KVB konnten am Samstag kostenlos genutzt werden.

Köln – Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) könnte das „9 für 90-Ticket“ für den öffentlichen Nahverkehr innerhalb von vier Wochen einführen, wenn die Rahmenbedingungen feststehen. Die Bundesregierung hatte das Ticket als Bestandteil des Entlastungpakets für die steigenden Energiekosten am 23. März angekündigt. Es soll drei Monate lang für neun Euro monatlich das Fahren mit Bussen und Bahnen im Regionalverkehr ermöglichen.

Sobald Fragen wie die Finanzierung, die Kundengruppen und die zeitliche und räumliche Gültigkeit geklärt seien, könne man ein Tarifangebot erarbeiten, sagte VRS-Geschäftsführer Michael Vogel bei der Vorstellung der Bilanzzahlen für das Jahr 2021 in Köln.

VRS will Kunden zurückgewinnen

Die Taskforce der Verkehrsverbünde in NRW stehe in den Startlöchern. „Wir begrüßen, dass der Bund sich über die Corona-Rettungsschirme hinaus für den öffentlichen Nahverkehr engagieren will“, sagte Vogel. „Wir wollen die Chance nutzen, Kunden zurückzugewinnen, die uns durch die Pandemie verlorengegangen sind.“ Ein Sonderarbeitskreis Nahverkehr soll am heutigen Dienstag die Arbeit aufnehmen.

Der VRS fordert, dass das „9 für 90-Ticket“ zumindest in ganz Nordrhein-Westfalen gelten und parallel zur ebenfalls geplanten dreimonatigen Senkung der Preise für Benzin und Diesel eingeführt werden muss.

„Auch unsere Stammkunden müssen davon profitieren können“, sagte Vogel. Auch müsse geklärt werden, dass es nach den drei Monaten attraktive Anschlussangebote für Pendler gebe, die langfristig auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen wollen.

Das ist aus Sicht der VRS-Geschäftsführung auch bitter nötig. Im zweiten Jahr der Corona-Pandemie haben die 25 im Verbund zusammengeschlossenen Verkehrsunternehmen im Vergleich zu 2020 noch einmal 20 Millionen Euro an Einnahmen verloren.

280 Millionen Euro Verlust in zwei Corona-Jahren

Im Vergleich zu 2019 summieren sich die Verluste auf insgesamt 280 Millionen Euro. Sie werden durch den Rettungsschirm des Bundes ausgeglichen, der auch 2022  aufgespannt werden soll. Ob das auch 2023 noch der Fall sein wird, sei zweifelhaft.

Die Bilanz 2021 sei „desaströs“, so VRS-Geschäftsführer Vogel. Im Gegensatz zum ersten Pandemie-Jahr, „als die Stammkunden uns noch die Treue gehalten haben“, sei das Geschäft mit den Zeitkarten um 10,4 Prozent oder knapp 30 Millionen Euro regelrecht eingebrochen.

Mehr als zehn Prozent Rückgang bei Abo-Kunden

„Die Zeitkarten sichern unsere langfristigen Einnahmen“, sagte Vogel. „Es ist zu befürchten, dass wir weitere Rückgänge erleiden und wir dadurch krisenanfälliger werden.“ Das sei ein „deutliches Alarmsignal“. Ehemalige Abo-Kunden würden zu „Gelegenheitsfahrern“.

Das erkläre auch die steigende Nachfrage nach Einzeltickets um 8,3 Prozent (plus 8,4 Millionen Euro). Bei Menschen, die Bus und Bahn nur von Fall zu Fall nutzen, werde das Handy-Ticket immer beliebter. „Dort werden wir in diesem Jahr wohl schon wieder das Niveau von 2019 erreichen“, so Vogel.

Der VRS versucht, dem anhaltenden Homeoffice-Trend mit neuen Abo-Angeboten wie dem Zehn-Tage-Flex-Ticket und dem Job-Ticket light zu begegnen. Eine Umfrage habe ergeben, dass sich für 58 Prozent der Arbeitnehmer, die zumindest teilweise von zu Hause arbeiten, in den kommenden sechs Monaten daran nichts ändern wird.

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15 Prozent gehen davon aus, dass sich ihre Homeoffice-Arbeitszeit verringern wird, 5 Prozent meinen, dass sie künftig noch häufiger von zu Hause arbeiten werden. „Homeoffice wird auch künftig eine deutliche größere Rolle spielen als vor der Pandemie“, stellt VRS-Geschäftsführer Michael Vogel fest. „Daraus ergeben sich dauerhafte Veränderungen im Mobilitätsverhalten, die gerade auch die ÖPNV-Branche betreffen.“

Nahverkehr muss laut VRS anders finanziert werden

Der öffentliche Nahverkehr brauche „auch ohne Blick auf die Pandemie“ dauerhaft eine neuen Finanzierungsstruktur, so Vogel. Das derzeitige Modell, nach dem die Nutzer von Bahn und Bus für rund 75 Prozent der Kosten aufkommen müssen, stoße an seine Grenzen.

Der VRS lässt gerade in einer Studie untersuchen, welche Alternativen es gibt. „Aus unserer Sicht gehört dazu zwingend eine größere Beteiligung von Bund und Land.“ Die Ergebnisse der Studie sollen im Herbst vorliegen.

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