Anfänge in der FilmdoseSchauspieler Ralph Morgenstern besucht seine Herzensstadt Köln

Lesezeit 6 Minuten
Morgenstern

Ralph Morgenstern in der Filmdose

Köln – Wir treffen Ralph Morgenstern am Savoy-Hotel hinter dem Hauptbahnhof. Der Schauspieler, Moderator und Sänger gehörte über Jahrzehnte zum Kölner Prominentenstadl wie die Sahnetorte zum Kaffeeklatsch. Bei einer kleinen Stadtrundfahrt kommen wir ins Gespräch. Seit etwa acht Jahren lebt der 1956 in Mülheim an der Ruhr geborene Royal-Experte in Berlin am Kudamm und ist nur noch sporadisch am Rhein. „Zuletzt war ich zum »Buchstaben-Battle« eingeladen, das Ruth Moschner für Sat1 moderiert“, erzählt der Hüne, während wir Richtung Kwartier Latäng fahren.

„Mit Jenny Elvers, Natalia Avelon und Pierre M. Krause. Und diesen Freitag bin ich bei Bettina im »Kölner Treff«.“ Man kennt sich, man duzt sich. Morgenstern und Moderatorin Bettina Böttinger stehen seit vielen Jahren für den offenen Umgang mit ihrem schwul-lesbischen Leben. „Wenn ich in Köln bin, will ich natürlich meine Tochter Jadwiga treffen, was aber im Lockdown nicht immer einfach war. Normalerweise treffen wir uns im Café oder im Hotel, aber das ging ja nicht.“

„Don Karlos“ im Schauspielhaus

Vorbei geht es an der Baustelle von Oper und Schauspielhaus. „Hier hätte ich normalerweise gespielt dieses Jahr, Schillers »Don Karlos« unter der Regie von Jürgen Flimm. Ich habe den Großinquisitor gegeben. Schade, das ist eine sehr schöne Rolle, die ich gerne öfter gemacht hätte.“ Wegen Corona war die Inszenierung nur in einem Livestream des WDR zu sehen. Ob das Stück in der kommenden Spielzeit noch einmal aufgenommen wird, steht laut Schauspiel derzeit noch nicht fest. „Jürgen Flimm hat mich quasi aus Berlin mitgebracht“, erzählt Morgenstern. „Wir kennen uns noch aus Kölner Zeiten. Damals war ich noch bei Wally in der Filmdose und er Intendant am Schauspiel.“

doncarlos

Szenenfoto aus „Don Karlos": Ralph Morgenstern als Großinquisitor

Im Theater in der Filmdose an der Zülpicher Straße stoppen wir für einen Espresso und ein paar Fotos. Hier hatte Morgenstern mit „Geierwally“ und „Sissi – Beuteljahre einer Kaiserin“ in den 80er Jahren unter der Regie von Walter „Wally“ Bockmayer große Erfolge gefeiert und Kultstatus erreicht – in der „Dose“ musste man als Kölner damals gewesen sein. Erinnerungen kommen hoch angesichts der kleinen Bühne, auch an die Kollegen wie Samy Orfgen oder Dirk Bach. „Als Walter und ich uns überworfen hatten, bin ich direkt ans Schauspielhaus gekommen. Der »Express« titelte: »Rauswurf erster Klasse« (lacht). Wally hatte in einem Interview ausgeplaudert, dass er mich rausgeschmissen hat. Günther Krämer, damals Intendant, hat dann morgens direkt angerufen und gesagt: »Wie ich lese, bist du ja nicht mehr bei Bockmayer – willst du nicht zu uns kommen?« So bin ich nahtlos festes Ensemble-Mitglied im Schauspielhaus geworden.“ Von 1992 bis 1999 spielte er in verschiedenen Inszenierungen wie „Tankstelle der Verdammten“, „Mephisto“, „Faust“ oder „Die Banditen“.

Sänger bei Gina X Performance

Wir fahren wieder Richtung Zentrum. „Ich hatte die Schule abgebrochen in meiner Geburtsstadt Mülheim/Ruhr und bin durch meinen damaligen Freund nach Köln gekommen“, erzählt Morgenstern. „Hier, direkt vor dem Venuskeller am Zülpicher Platz, wurde ich beim Schwarzfahren erwischt. Ne Karte hatte ich, aber ich wusste nicht, dass man die abstempeln muss. Das gab es in Mülheim nicht.“ Das war 1976. Alles neu und aufregend.

Morgenstern wurde bald darauf als Sänger Teil der Elektro-Pop-Band Gina X Performance, einem Projekt von Zeus B. Held, dem Keyboarder von Birth Control, und seiner Freundin Gina Kikoine, die auch die Texte schrieb. Mit der Band veröffentlichte er drei LPs bei der Kölner EMI. „Die Band ist vor Kurzem im Gloria für ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden. Mit dem Ehrenpreis des Holger-Czukay-Preis für Popmusik der Stadt Köln“, erzählt Morgenstern. „Das Ganze war ursprünglich ein Studioprojekt. Vom Kopf her war das ein gespiegeltes Gegenstück zu Boney M. – Gina als bildhübsche Frontfrau und drei Backgroundsänger.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Musik kam auch international an, die Plattenverkäufe waren gut, „No GDM“ etwa war in Österreich ein Hit. Die Band wurde gar als Vorgruppe für die Deutschland-Tour von Queen angefragt. „Leider spielte die Frontfrau nicht mit. Sie hatte einfach Angst, auf die Bühne zu gehen.“ So blieben die Liveauftritte sehr selten. Morgenstern erinnert nur einen Kölner Auftritt: „Wir haben mal in der Altstadt im Piccionaia gespielt. Schade eigentlich, ein tolles Ding, aber Anfang der 80er wurden die Liveauftritte dann doch sehr wichtig.“ Er stieg aus. Zur Preisverleihung war er eingeladen, stand aber zeitgleich in Berlin vor der Kamera und konnte nicht kommen.

Über die Nord-Süd-Fahrt passieren wir den Ebertplatz und Morgenstern schwärmt von den ausgehenden 70ern, als Köln neben New York die Kunststadt schlechthin war. In dieser Zeit wirkte er auch bei einer Reihe von Experimentalfilmen von Hinrich Sickenberger mit und präsentierte sich bei Kunstmessen als Performancekünstler. „Leider hat die Stadt zu wenig dafür getan, die Leute hier zu halten. Hier gab es so viele Privattheater wie in keiner anderen Stadt Deutschlands. Und alle nicht subventioniert. Das Wir-Gefühl, der Zusammenhalt der Kreativen war einzigartig. Das hat mich sehr geprägt.“ Der weltstädtische Kölner Stern aber begann zu sinken.

Fernsehkarriere begann bei RTL

Von der Zoobrücke schweift der Blick über Rheinhallen und Messeturm. Mit den 90ern kam das Privatfernsehen. Morgensterns Karriere im TV begann 1992 bei RTL, damals noch an der Aachener Straße, wo er zusammen mit Hella von Sinnen und Dada Stievermann die „Filmdosenshow“ moderierte. „Wir haben Leute entdeckt wie Eckart von Hirschhausen oder Roberto Capitoni, aber leider hat RTL die Show nie gesendet.“ Es folgte „XOV“ bei VOX und schließlich „Kaffeeklatsch“, der acht Jahre erfolgreich im ZDF lief und dann zu „Blond am Freitag“ weiterentwickelt und weitere acht Jahre gesendet wurde.

Morgenstern zog es zurück zum Theater. Nach Engagements in Klagenfurt und St. Gallen und einem Zwischenspiel als Gastronom – mit seiner Tochter betrieb er zwei Jahre lang ein Café am Friesenwall – riefen Thorsten Fischer und das Renaissance-Theater in Berlin. „Nach dem Tod von Dirk Bach, mit dem ich ja in der Friesenstraße zusammen gewohnt habe, hat sich in Köln so viel geändert, dass ich froh war, nach elf Jahren Pendeln fest nach Berlin zu kommen.“

Hat der Abstand den Blick auf die einstige Herzensstadt verändert? „Überhaupt nicht, weil sich ja Köln auch nicht verändert hat. Leider! Mein Herz blutet, wenn ich sehe, wie schmutzig die Innenstadt ist. Das war zwar schon so, als ich vor 45 Jahren hierher kam, aber da könnte man ja mal was dran ändern.“ Wir sind zurück am Savoy. Im „Kölner Treff“, moderiert von Bettina Böttinger, sind an diesem Freitag, 16. Juli, ab 22 Uhr im WDR neben Ralph Morgenstern als Gäste u.a. die Köchin Haya Molcho und ihr Sohn Nuriel, die in Köln das israelisch-österreichische Restaurant „Neni“ betreiben. 

KStA abonnieren