Bundesweite Kritik an Köln„Hochburg der Unvernünftigen“ – Treffen die Vorwürfe zu?

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Schals FC Stadion

50.000 Zuschauerinnen und Zuschauer sahen das Derby des 1. FC Köln im Stadion.

Köln  – Die Corona-Lage ist ernst, die Inzidenzwerte steigen weiter, und es wurden bereits erste Fälle der als „besorgniserregend“ eingestuften neuen Omikron-Variante in Deutschland nachgewiesen. Und gleichzeitig spielte der 1. FC Köln vor 50.000 Zuschauern im ausverkauften Stadion. Die Bilder sorgten bundesweit für ungläubiges Staunen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ etwa schrieb von einer „Kölner Fußball-Parallelwelt“ und urteilte, man könne „die Empörung und Fassungslosigkeit verstehen, die eine solch verstörende Veranstaltung bei vielen Menschen an diesem Wochenende ausgelöst hat.“ Ist Köln, so fragt das Blatt auch mit Verweis auf die Ereignisse beim Karnevalsauftakt am 11.11, „die Hochburg der Unvernünftigen?“

Wie äußert sich die Stimmung in der veröffentlichten Meinung?

Das Handelsblatt schrieb über das Fußballspiel: „Auch wenn man in Köln geimpft oder genesen sein musste (2G) – das war Körperverletzung mit Ansage.“ Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin der Grünen, twitterte während der Partie, sie habe „null Verständnis“ für solche Bilder aus vollen Fußballstadien.

Alles zum Thema Karl Lauterbach

„Ich finde es hoch problematisch, was wir beim Fußball sehen“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der „Bild am Sonntag“: „Die Menschen infizieren sich nicht im Stadion, aber die Anreise und die Feiern nach dem Spiel sind Infektionsherde. Daher sind Spiele im vollen Stadion aktuell nicht akzeptabel.“

Am Dienstag meldete sich auch FDP-Chef Christian Lindner: „Angesichts der Pandemielage verstören Bilder voller Fußballstadien – so wichtig die Bundesliga auch ist. Solche Freizeitveranstaltungen können aktuell in dieser Dimension nicht stattfinden“, schrieb er auf Twitter. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: „Es braucht jetzt konsequente Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, einen Lockdown für Hotspotregionen, Masken in allen Schulen und Fußballspiele ohne Zuschauer.“ Regierungssprecher Steffen Seibert schließlich erklärte, eine Zusammenkunft in der Größenordnung von Köln sei „ganz schwer zu verstehen.“

Sind die Vorwürfe berechtigt?

Es ist, wie so oft, wenn alles ganz einfach erscheint, ein bisschen komplizierter. Es war nicht, zumindest nicht ausschließlich die Stadt Köln, die grünes Licht für das volle Stadion am Samstag gegeben hatte. Die Corona-Schutzverordnung des Landes NRW vom 24. November ließ die Ausrichtung einer solche Großveranstaltung unter Einhaltung gewisser Sicherheitsvorkehrungen zu. Die Stadt hat dann am Spieltag selbst die Dinge verschärft und zusätzlich zu den 2G-Vorgaben einen Maskenpflicht im Stadion angeordnet. Die Maskenpflicht wurde freilich, wie sich dann bald herausstellte, von einem Großteil des Publikums im Stadion ignoriert.

Was sagt die Stadt im Nachhinein?

Während der Kölner Gesundheitsdezernent Harald Rau sich „zunehmend unglücklich“ mit dem Verlauf der Ereignisse zeigte, verwies der Sprecher der Stadt Köln Alexander Vogel darauf: „Die Stadt und der FC befinden sich seit Beginn der Saison im Austausch, wie die Heimspiele sicher unter Coronabedingungen durchgeführt werden können, der aktuellen Pandemielage Rechnung getragen werden kann, und haben Verständnis für die sorgsame und teilweise auch sorgenvolle Beobachtung des Kölner Vorgehens.“

Die These der Deutschen Fußball-Liga, dass Fußball kein Pandemietreiber sei und die Infektionsgefahr an der frischen Luft nicht deutlich erhöht sei, bestätigt auch die Stadt Köln: Die Auswertungen des Infektionsgeschehens nach den Spielen habe bisher aber stets ergeben, dass die verabredeten Konzepte funktionieren, da im Umfeld von Fußballspielen lediglich „ein unterdurchschnittliches Infektionsgeschehen festgestellt werden konnte“. Insofern habe sich aus Sicht der Stadt das 2G-Konzept bisher bewährt.

Große Teile der Kritik an der Stadt Köln beziehen sich auch auf die Vorgänge am 11.11. – als sich auf der Zülpicher Straße teils chaotische Szenen abspielten, die ebenfalls bundesweit für Kopfschütteln sorgten. Ist diese Kritik berechtigt?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker argumentierte hinterher so: „Heute haben wir einen Impfstoff und viele haben sich bereits impfen lassen oder sind genesen. Daher war es richtig, dass wir auf die großen Veranstaltungsflächen auch nur Geimpfte und Genesene zugelassen haben und auch nur sie Zutritt in die Kneipen bekamen. Nur so war es möglich, das Geschehen zu steuern.“

Feiernde Zülpi

Bilder gingen um die Welt: Feiernde auf der Zülpicher Straße in Köln am 11.11.

Den Menschen sei immer versprochen worden, dass sie mit einer Impfung Schritt für Schritt ihr normales Leben zurück bekämen. „Dazu gehört es eben auch, das Brauchtum in Köln zu feiern. Wenn wir auch Geimpften und Genesenen das Feiern verbieten würden, hätte das negative Auswirkungen auf die Akzeptanz der Impfkampagne.“

Stadtdirektorin Andrea Blome ergänzte: „Ein Verbot von Karnevalsveranstaltungen für alle wäre nicht verhältnismäßig gewesen, es hätte voraussichtlich auch nicht das Einvernehmen des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW (MAGS NRW) gefunden und wäre aller Wahrscheinlichkeit nach gerichtlich gekippt worden.“

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Im Hauptausschuss sagte sie: „Sofern nicht allgemeine Ausgangsbeschränkungen gelten, wäre der Karneval nicht grundsätzlich abzusagen gewesen. Viele wären trotzdem angereist, hätten dezentral gefeiert. Es wären chaotische Szenen zu erwarten gewesen.“

Wie war denn die Situation in der Stadt? Gibt es Zahlen dazu?

Nach Angaben der Stadt waren am 11.11. etwa 50.000 Feiernde in der Stadt unterwegs. Davon auf dem Heumarkt etwa 8000 und etwa 13.000 auf der Zülpicher Straße. Probleme mit den 2G-Kontrollen habe es auf der Zülpicher Straße gegeben, ansonsten sei alles im Rahmen der Vorschriften verlaufen, hieß es. Andrea Blome kam somit zu der Einschätzung: „Nach einer ersten Einschätzung sind unsere Konzepte für den 11.11. weitgehend aufgegangen.“

Hatten die Feierlichkeiten denn einen messbaren Einfluss auf das Corona-Infektionsgeschehen?

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Ohne Maske auf dem Weihnachtsmarkt

Die Stadt hatte erklärt, das lokale Corona-Infektionsgeschehen sei durch den Karnevalsauftakt kaum beeinflusst worden. „Wir konnten keinen sprunghaften und statistisch signifikanten Anstieg der Inzidenz seit dem 11. 11. feststellen, sondern eher eine gleichmäßige Fortsetzung des zuvor vorhandenen kontinuierlichen Anstiegs“, hieß es in einer Mitteilung des Gesundheitsamtes.

Lesen Sie hier eine Analyse der Kölner Corona-Zahlen nach dem 11.11.

Laut Stadt wurden seit Freitag auf den Weihnachtsmärkten 1145 Personen wegen Mund-Nasen-Bedeckungen angesprochen, doch nur bei vier Menschen wurden Ordnungswidrigkeiten festgestellt, Verfahren wurden eingeleitet. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Einhaltung der 2G-Regel auf Weihnachtsmärkten: 2249 Personen wurden laut Stadt kontrolliert, drei Verfahren wurden nach Verstößen eingeleitet.

Die Stadt hat außerdem in den Fußgängerzonen der Innenstadt kontrolliert: „In den Fußgängerzonen wurden Freitag (2.250) und Samstag (5.850) insgesamt 8.100 Passanten wegen fehlender Masken ermahnt“, heißt es in der Mitteilung. In 153 Gaststätten wurden 1078 Gäste und 137 Angestellte überprüft – insgesamt wurden 23 Verstöße festgestellt, die zu einem Verfahren führen.

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