Chanson TrottoirEine Portion Wahnsinn, zwei Portionen Frankreich

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Quique Carrica (v.l.), Benny Rüchel und Gido Martis – drei der fünf Mitglieder der Formation „Chanson Trottoir“. Mit französischer Musik abseits des Mainstreams wollen sie hoch hinaus.

Quique Carrica (v.l.), Benny Rüchel und Gido Martis – drei der fünf Mitglieder der Formation „Chanson Trottoir“. Mit französischer Musik abseits des Mainstreams wollen sie hoch hinaus.

Köln – Treffen sich zwei Spanier, zwei Kölner und ein Allgäuer – und machen zusammen französische Musik. Nein, kein Witz, sondern die scheinbar zufällige Zusammenkunft des Kölner Quintetts „Chanson Trottoir“. Mit gegen den Strich gebürsteter französischer Musik und einer virtuosen Portion Wahnsinn wollen sie hoch hinaus – und mindestens von ihrer Musik leben können.

Bekannt wie bunte Hunde

Es ist fast schon ein Leben wie in Frankreich: Die gefühlt letzten Sonnenstrahlen des Jahres küssen die Gesichter von Quique Carrica, Benny Rüchel und Gido Martis – drei der fünf Mitglieder des „Chanson Trottoir“. Sie sitzen auf einem Stein in der Mitte des Eierplätzchens in der Südstadt, sind entspannt gekleidet, ihre Stimmung ist gelöst.

Klingelnd fährt ein Fahrrad vorbei, der Fahrer winkt. Hier in ihrem Veedel sind die Jungs bekannt wie bunte Hunde. Kaum eine Bar, kaum eine Kneipe hier, in der das Quintett noch nicht aufgetreten wäre. Mit Musik, die sich so gar nicht nach dem Klischee der entschleunigten Chansons Frankreichs anhört – aber trotzdem nach einem vergnüglichen Urlaub in der französischen Bretagne klingt.

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Wie das geht? Das wissen die Männer selbst nicht so richtig – sie spielen einfach, was sie fühlen, erzählen sie. „Und die Südstadt ist dafür quasi unsere kreative Keimzelle“, sagt Klarinettist Gido Martis, als Komponist von Musikstücken für Kindersendungen im Fernsehen der einzige, der schon jetzt von der Musik lebt. Noch.

Denn wenn es nach den Männern geht, sollen Auftritte und Plattenverkäufe bald schon so viel Geld abwerfen, dass es zum Überleben reicht. Ihre Jobs würden sie dafür an den Nagel hängen. „Die Leute, die mich für Jobs anrufen, wissen alle, dass ich lieber Musik mache“, erzählt Perkussionist Benny Rüchel, der eigentlich als freier Kamera-Assistent arbeitet – und nach eigenen Angaben mehrere große Filmprojekte für seine Band sausen ließ.

Mitsingen in Fantasiesprache

Immerhin bis zu hundert Mal pro Jahr tritt die Band jetzt schon auf, in Bars, auf Hochzeiten, mal in der Schweiz während ihrer selbst organisierten kleinen Europa-Tour, mal im Kölner Gloria-Theater, mal auf derselben Veranstaltung wie Cat Ballou. Binnen Sekunden fühlen sich ihre Zuhörer in den Bann der Band gezogen, summen mit, einige singen sogar die Texte – und die, die kein Französisch können, eben in einer Fantasiesprache. „Das französische Lebensgefühl ist einfach etwas, mit dem sich viele identifizieren können“, sagt Rüchel.

Umso paradoxer, dass er und die anderen Bandmitglieder zur Musik Frankreichs und damit auch zum „Chanson Trottoir“ kamen wie die Jungfrau zum Kinde. Rüchel erzählt: „Mit französischer Musik hatte ich vorher nie was am Hut – nur ein paar Klassiker wie die von Edith Piaf kannte ich.“

Umzug für die Liebe

Martis nickt zustimmend – und auch Quique Carrica, Sänger, Gitarrist und Texter der Band, hatte als junger Mann zunächst herzlich wenige Berührungspunkte mit Frankreich – dann aber lernte er eine Französin kennen, zog für sie nach Paris, verliebte sich in Stadt und Lebensart – bis die Beziehung mit seiner Freundin in die Brüche ging. Er zog weiter nach Deutschland, kellnert seitdem hier in einer französischen Bar in der Südstadt, wo er Rüchel kennenlernte – und ihn für französische Musik begeisterte.

„Dabei höre ich in der Bar von morgens bis abends französische Musik und bin froh, wenn das dann vorbei ist“, sagt Carrica. Warum er dann trotzdem selbst noch französische Musik komponiert? „Ich liebe es eben, Musik zu machen. Ich kann nicht anders.“ Seine Geschichte erzählt er mit dem Titel „Le Pauvre Chien“ („Der arme Hund“) auf der kürzlich erschienenen gleichnamigen ersten Platte der Band. Sie klingt ausgelassen, extrovertiert, manchmal sogar verrückt – und ist dabei musikalisch anspruchsvoll, um noch dazu dem französischen Lebensgefühl treu zu bleiben. Ein Spagat, dem nicht nur alle der vier selbst geschriebenen Songs auf der EP gerecht werden – gerade, wenn die Band auf Kölns Straßen Musik macht, haben sie auch bis zur Unkenntlichkeit interpretierte französische Chansons von Serge Gainsbourg bis George Brassens dabei.

Die Straße als Bühne

„Die Straße als Bühne ist uns eigentlich immer noch am liebsten – denn wenn wir Straßenmusik machen, müssen wir keinen Anforderungen gerecht werden“, sagt Martis – und erklärt damit auch den Namen der Band: „Chanson Trottoir“ heißt übersetzt „Lied vom Bordstein“. Eine Philosophie, der die Gruppe treu bleiben möchte – auch dann, wenn es mit Aufstieg und Popularität funktionieren sollte.

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