Der Wein-Erklärer29-Jähriger vom Kölner Weinkeller ist Deutschlands bester Sommelier

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Sebastian Russold an seinem Arbeitsplatz, dem Kölner Weinkeller in Braunsfeld

Köln – Bester Sommelier Deutschlands, so darf sich Sebastian Russold vom Kölner Weinkeller jetzt nennen: Beim Finale der sechsten Sommelier-Trophy in Neustadt/Weinstraße setzte sich der 29-Jährige gegen die nationale Konkurrenz durch. Rund drei Stunden lang mussten die Finalisten vor Publikum Aufgaben lösen. Unter Stress fachlich abliefern also.

Überzeugen konnte der Sieger mit seiner Souveränität, dem charmanten Auftreten und seiner ruhigen Art. Und dass er zugeben konnte, wenn er etwas nicht wusste. „Man kann nicht alles wissen, dafür ist die Weinwelt zu groß. Aber dazu muss man auch stehen“, sagt Russold. Und die Aufgaben hatten es in sich.

Bewerber müssen Wein blind verkosten

Im Vorentscheid gab es einen großen Theorieteil, und es mussten Weine und Spirituosen blind verkostet werden. Von den etwa 30 Bewerbern kamen sechs ins Halbfinale, wo es knifflig wurde. Die Kandidaten mussten unter anderem eine Weinbegleitung zu einem Menü vorschlagen – ausschließlich Schaumwein aus unterschiedlichen Regionen, kein Champagner; einen georgischen Wein so vorstellen, dass ihn Kellner verkaufen können und wozu man ihn servieren könnte; eine Flasche Portwein dekantieren und den Wein nach Gefühl gleichmäßig in sechs schwarze Gläser verteilen; bei einer Blindverkostung von fünf Roséweinen Rebsorte und Herkunft benennen. Danach waren es nur noch drei.

Im Finale wurden die Aufgaben für sie noch komplizierter: Eine vorgegebene Käseauswahl zu benennen und jeweils eine Weinempfehlung auszusprechen etwa. Oder drei Sakes (japanischer Reiswein) zu beschreiben und ein Menü dazu vorzuschlagen. Oder vier Weine vier Gesteinen zuzuordnen und die Herkunft sechs verschiedener Whiskys zu benennen. Der Laie staunt und wundert sich, dass das alles ohne Scharlatanerie überhaupt möglich ist.

Kölner überzeugt mit seiner Art

Übung macht den Meister, da ist Sebastian Russold sicher. „Um diesen Titel zu gewinnen, braucht man ein großes Fachwissen, man muss vieles kennen, vieles getrunken haben, auch auf hohem Niveau.“ Allerdings wurde eben nicht nur Fachwissen beurteilt, sondern auch Menschlichkeit und Empathie, das Auftreten, der Umgang mit Problemen. Hier baut Russold auf das breite Spektrum seiner Ausbildung, das von der Hotelfachschule bis zum Fünf-Sterne-Commis, vom Kellnern beim Heurigen bis zum Kochen im Sterne-Restaurant reicht. Die unterschiedlichsten Bereiche erlebt zu haben, sei enorm wichtig.

Sebastian Russold kommt aus Graz in der Steiermark, ist dort aufgewachsen und mit 14 Jahren in die Tourismusschule gegangen. Er war in Salzburg beim Hangar 7 und im Intercontinental Berchtesgaden, wo er an der Bar arbeitete. Die Liebe zum Wein begann früh („offiziell mit 16“), er machte den Jung-Sommelier. „Mein erster großer Wein, das war mit 18, ein Riesling Kellerberg Smaragd vom F.X. Pichler“, einem Starwinzer aus der Wachau in Niederösterreich. Diese Detailversessenheit, sich an so etwas zu erinnern, erzählt viel über ihn. Zum Sommelier wurde er schließlich im Hamburger Hotel Louis C. Jacob ausgebildet. Seit 2021 arbeitet er für den Kölner Weinkeller an der Stolberger Straße, auch, weil in der Gastronomie oft weit unter Wert bezahlt werde. Einmal pro Woche kellnert er aber weiter „aus Spaß“ im Sterne-Restaurant „Pottkind“ in der Südstadt.

Weine sind nachhaltig

„Das Thema Wein wird in der Gesellschaft viel zu akademisch behandelt“, sagt Russold. Bei der Jugend breche das jetzt auf, dass man nicht mehr diesen hochgestochenen Fachjargon brauche, um Wein zu trinken. Natürlich könne man Lugana oder Grauburgunder trinken, aber er sieht seine Aufgabe als Sommelier auch darin, dem Kunden andere Rebsorten nahezubringen, „die ein ganz anderes Geschmacksspektrum bieten, die aber genau in das Profil passen, das sie oder er mag.“ Augen öffnen für das, was es noch gibt. Da sind sich der Sommelier und viele der jungen, erfolgreichen Winzer, die am eigenen Profil arbeiten, einig, es entspricht dem Zeitgeist.

Der Megatrend beim Wein ist laut Russold die Nachhaltigkeit. „Die größten Weine der Welt sind in der Regel biodynamisch, und das schon immer.“ In den 90er Jahren habe man nach dem Motto höher, schneller, weiter gearbeitet – wie bekomme ich noch mehr Ertrag, noch kräftigeren Geschmack. Der kam aber weniger von der Traube, sondern mehr von „viel Holz“, also durch Reife in geschmacksprägenden Fässern und von Zusätzen. „Ausdrucksstarke Monster“, lästert Russold, „die die Komplexität der Weine aus den 80ern nie erreichen werden.“ Heute, so der Sommelier, gehe man weg vom Industriellen zurück zum Weinmachen, wie es früher war. „Südafrikanische Weine für zwei oder drei Euro, in denen mehr Chemie drin ist als Traubensaft, wird es in den nächsten 20 Jahren immer weniger geben.“

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Die Generation U30 sei sehr offen. „Die kaufen immer nur eine Flasche, mal einen von der Rhone, dann einen aus der Toskana, so entdecken sie die Weinwelt.“ Ältere dagegen seien oft festgelegt auf das, was sie kennen. Insgesamt werde regionaler gekauft, nach dem Essen richtet man die Weinauswahl eher nicht mehr aus. „Wenn einer sagt, ich will Riesling zum Reh, dann geht das heute. Vor 30, 40 Jahren war das undenkbar.“ Russolds Devise: „Der Wein wird sich dem Gericht schon anpassen.“ Und wenn der Riesling 30 Jahre alt und restsüß sei, passe er wunderbar zum Reh.

An Weihnachten gibt es bei Sebastian Russold ganz klassisch Gans mit Klößen und Rotkraut, und ausnahmsweise lässt er sich komplett bedienen. Nur den Wein, den bringt er mit. Für Freunde und Familie hat er folgendes ausgesucht (im Kölner Weinkeller erhältlich): einen Prosecco brut „Campo Nicoletta“ Vignale di Cecilia, einen 2011 Gevrey Chambertin 1er Cru „Clos des Issarts“ Faiveley sowie einen 2010 Château Phélan Ségur.  

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