Drach-ProzessKölner Staatsanwältin weiter unter Beschuss – doch sie wehrt sich

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Anklageverfasserin Anja Heimig (r.) begleitet das Drach-Verfahren mit ihrer Kollegin, Staatsanwältin Sabrina Heimers.

Köln – Staatsanwältin Anja Heimig steht im Verfahren gegen Reemtsma-Entführer Thomas Drach (61) weiterhin heftig unter Beschuss. Drach werden vier Raubüberfälle auf Geldtransporter vorgeworfen. Ein Verteidiger sprach am Montag im Landgericht von einem „Chaos in der Aktenführung“, einer regelrechten Salamitaktik der Staatsanwaltschaft, was die Vervollständigung der Prozessunterlagen mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen und Beweismitteln angehe. So könne er sich auf die anstehenden Zeugenbefragungen nicht vorbereiten, sagte Anwalt Wolfgang Heer. Die Ermittlerin ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und hielt selbstbewusst dagegen.

Kölner Staatsanwältin wehrt sich gegen Vorwürfe

Dass sie „schludrig“ mit der Akte umgehe, wie es ihr Heer vorwarf, wies die Staatsanwältin von sich. Man hocke nicht auf einer „Kiste mit geheimen Ermittlungen“, habe alles ans Gericht weitergeleitet. „Haben Sie denn auch aktuell bei der Polizei nachgefragt, ob da noch was liegt?“, fragte Verteidiger Heer, der Drachs mutmaßlichen Komplizen vertritt.

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reemtsma-Entführer Thomas Drach begrüßt am Dienstag im Landgericht Köln seinen Verteidiger Dirk Kruse. Links sein Anwalt Andreas Kerkhof.

„Nein, habe ich nicht, da wird aber nichts liegen“, antwortete Heimig. Und fügte kess hinzu: „Aber wenn es Sie beruhigt, dann frage ich gerne nochmal nach.“ Die Aussage reichte Heer nicht, der sich offenbar echauffierte: „Sie haben das verdammt nochmal hier zu erklären.“ Habe sie doch gerade, entgegnete Heimig.

Drach will Anzeige gegen Staatsanwältin erstatten

Den ersten Angriff hatte die 38-jährige Staatsanwältin bereits beim Prozessauftakt vor einer Woche erfahren, da von Thomas Drach höchstpersönlich. Er wolle sie wegen Urkundenfälschung anzeigen, hatte der Angeklagte gesagt. Offenbar passte ihm ein Vorgang beim Rechtshilfeersuchen nicht, beim Austausch der deutschen und niederländischen Behörden.

Beeindrucken ließ sich die Anklageverfasserin von Drachs Bemerkung offenbar nicht. In der Prozesspause plauderte sie fröhlich mit ihrer Kollegin Sabrina Heimers und ließ sich in einem Supermarkt-Imbiss in der Nähe des Gerichtsgebäudes eine Portion Pommes schmecken.

Verteidiger spricht Videos von Ikea-Überfall in Köln-Godorf an

Beim zweiten Prozesstag hielt sich Drach jedoch zurück, so auch seine Verteidiger Andreas Kerkhof und Dirk Kruse. Sie überließen Verteidiger Heer, bekannt als Anwalt von Beate Zschäpe im Münchner NSU-Prozess, offensichtlich die „Beschwerdeführung“. Viel zu spät hätten ihn Überwachungsvideos erreicht, etwa zum Überfall auf Ikea-Geldboten in Godorf im März 2018.

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Der Verteidiger sprach von schwer zugänglichen Aufnahmen von den Bereichen „Müllpresse, Sommermöbel und Personaleingang“ des schwedischen Möbelgiganten. Am Mittwoch sollen die ersten Zeugen zu dem Verbrechen gehört werden. Damals wurden 76.000 Euro erbeutet.

Richter lehnt Antrag ab – Mittwoch erste Zeugen

Um sich auf die Befragungen besser vorbereiten zu können, hatten Drachs Verteidiger bereits zum Prozessauftakt die Aussetzung des Verfahrens für drei Wochen beantragt. Dem schob der Vorsitzende Richter Jörg Michael Bern am Dienstag einen Riegel vor. Die dem Gericht vorliegenden Akten seien frühzeitig und vollständig übermittelt worden, sagte Bern. Die Zeugenbefragungen dürften am Mittwoch also wie geplant starten.

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Das Überwachungsfoto zeigt den Täter nach dem Überfall auf einen Ikea-Markt in Frankfurt.

Drach werden drei weitere bewaffnete Raubüberfälle am Köln/Bonner Flughafen, in Limburg an der Lahn und in Frankfurt am Main vorgeworfen. Die Tatbeute insgesamt: ungefähr 230.000 Euro. In zwei Fällen wurden Geldboten angeschossen. Auch von der Tat in Frankfurt, ebenfalls bei Ikea, liegen umfangreiche Überwachungsvideos vor. Die Ermittler wollen Drach hier unter anderem an seinem auffälligen „Watschelgang“ erkannt haben.

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